Aus der Tschernobyl-Katastrophe lernen Jodprophylaxe auf alle Altersstufen ausweiten

Journal/Book: MMW-Fortschr. Med. - Nr. 16/ 2000; S. 355/ 43 - 356/ 44; (142 Jg.). 2000;

Abstract: Prof. Dr. med. Dr. h. c. Edmund Lengfelder Strahlenbiologisches Institut der Universität München Kein Atomkraftwerk ist absolut sicher. Auch Deutschland kann von den Folgen eines Reaktorunfalls wie Tschernobyl betroffen sein. Dem Schilddrüsenkarzinom als Folge hoher Strahlenbelastungen durch Jodisotope kann man effektiv vorbeugen: Eine Jodprophylaxe wird daher auch hierzulande dringend empfohlen - und zwar für alle Altersstufen. Bereits wenige Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe war ein dramatischer Anstieg von Schilddrüsenkrebs bei Kindern zu verzeichnen der in Belarus Ende 1990 bereits das 30fache des 10-Jahres-Mittelwerts vor Tschernobyl erreicht hatte [1 2]. Von besonderem Interesse ist das Ausmaß der Zunahme von Schilddrüsenkrebs in den verschiedenen Altersgruppen der Bevölkerung. Innerhalb von Belarus sind im Verwaltungsbezirk Gomel die meisten Schilddrüsenkarzinome aufgetreten 50% der Kinder mit Schilddrüsenkarzinomen kommen aus Gomel. [6] Der Anstieg der im Oblast Gomel durch die Tschernobyl-Katastrophe verursachten Schilddrüsenkrebsfälle ist am stärksten im Alter von 0-18 Jahren. Für die Altersgruppen zwischen 19 und 64 Jahren hat die Reaktorkatastrophe bis Ende 1998 eine fünf- bis sechsfache Zunahme der Schilddrüsenkarzinome verursacht. Aber auch bei der Bevölkerung im Alter über 64 Jahren hat sich die Zahl der Schilddrüsenkarzinome im Vergleich zum Zeitraum vor dem Unfall mehr als verdoppelt. In allen Altersgruppen über 19 Jahren ist die Zahl der Schilddrüsenkarzinome bei Frauen deutlich höher als bei Männern. Radiojod belastet fast ausschließlich die Schilddrüse In der ersten Zeit nach einem kerntechnischen Unfall wird die Höhe der Strahlenbelastung durch die Radioisotope des Jods mit dem Leitnuklid I-131 (Halbwertszeit 8 04 d) dominiert daneben spielen einige kurzlebige Jodisotope eine Rolle. Im Fallout aus Tschernobyl der über Südbayern niederging war noch soviel Radiojod enthalten dass es bei Kindern zu Schilddrüsendosen von einigen -zig Millisievert kam. Die Aufnahme von Radiojod über Inhalation und Ingestion erfolgt schnell und vollständig über Hautkontakt nur in untergeordnetem Maße. Mehr als 90% der im Körper gespeicherten Jodmenge befindet sich in der Schilddrüse mit einer biologischen Halbwertszeit von etwa 120 Tagen. ... ab

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