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November 2024

Stationäre medizinische Rehabilitation von "Pathologischen Glücksspielern": Differentialdiagnostik und Behandlungsindikation* Kurzfassung des abschließenden Forschungsberichtes an den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger

Journal/Book: Deutsche Rentenversicherung 4/99 Seite 196--218. 1999;

Abstract: Dr. phil. Dipl.-Psych. Jörg Petry / Dr. med. Rosemarie Jahrreiss Münchwies * Ausführliche Befunde finden sich bei Petry & Jahrreiss (in Vorbereitung). Nach der Aufnahme des "Pathologischen Glücksspielens" als eigenständiges Störungsbild in die internationalen Klassifikationssysteme und einer zunehmenden Behandlungsnachfrage seit Mitte der 80er Jahre stellt sich die Frage wie sich das "Pathologische Glücksspielen" klassifikatorisch in eine Systematik psychischer Störungen einordnen läßt und ob sich das Störungsbild mit psychotherapeutischen Interventionen wirksam behandeln läßt. Bezogen auf die stationäre medizinische Rehabilitation wurden 48 unausgelesene "Pathologische Glücksspieler" mit hinsichtlich Alter Geschlecht Schulbildung und Erwerbsstatus parallelisierten Alkoholabhängigen und psychosomatisch Erkrankten verglichen. Bezogen auf die Merkmale Seelische Gesundheit und Verhaltenskontrolle erwiesen sich die "Pathologischen Glücksspieler" als psychopathologisch auffälligste Gruppe wobei sie hinsichtlich der eingeschränkten Seelischen Gesundheit den psychosomatisch Erkrankten und hinsichtlich der leicht verminderten Verhaltenskontrolle den suchtkranken Patienten ähneln. Dabei ließen sich die drei Vergleichsgruppen clusteranalytisch in jeweils zwei trennscharfe Typen unterteilen. Bei dem mehrheitlichen narzißtisch-persönlichkeitsgestörten Glücksspielertyp handelt es sich um selbstbezogene Persönlichkeiten die sich auf dem Hintergrund einer ausgeprägten Sinnproblematik selbsttäuschend erhöhen und beschönigend nach außen darstellen. Bei der kleineren Untergruppe von depressiv-neurotischen Glücksspielern liegt eine extreme Beeinträchtigung der Sinnerfülltheit bei gleichzeitig ausgeprägter Verminderung der Selbstaktualisierung sowie der selbst- und fremdbezogenen Wertschätzung vor. Die narzißtisch-persönlichkeitsgestörten Glücksspieler ähneln der Untergruppe von Suchtkranken mit selbstunsicherer Persönlichkeitsstörung und die depressiv-neurotischen Glücksspieler den depressiven Psychosomatikern. Im Rahmen einer einjährigen Katamnese eines glücksspielerspezifischen Behandlungsprogramms mit einem realen Vorher-Nachher-Vergleich und fremdkatamnestischer Absicherung fand sich bei einer Ausschöpfungsquote von 98 % eine Besserungsquote von 60 4 % worunter 41 7 % durchgehend Glücksspielabstinente und 18 7 % nach Rückfall Glücksspielabstinente fallen. Gleichzeitig ergab sich eine signifikante Reduzierung der Arbeitsunfähigkeitstage um 38 1 % im Vergleich zwischen dem Jahr vor und nach der Behandlung. Hinweise auf Symptomverlagerung ergaben sich nicht da die Reduzierung oder Einstellung des Glücksspielverhaltens mit seltenerem Alkoholkonsum und geringeren psychosomatischen und psychischen Beschwerden verknüpft war. Darüber hinaus ergaben sich Verbesserungen der psychosozialen Lebenssituation insbesondere eine signifikante Reduzierung der Verschuldung. Dies legt ein psychopathologisches Indikationsmodell nahe wonach bei den "Pathologischen Glücksspielern" vom depressiven Typ aufgrund der stärker ausgebildeten Verhaltenskontrolle und extremen Beeinträchtigung der Seelischen Gesundheit eine psychosomatische Behandlung indiziert ist während bei den "Pathologischen Glücksspielern " vom narzißtischen Typ mit einer verminderten Verhaltenskontrolle und deutlich eingeschränkten Seelischen Gesundheit eine suchttherapeutische Behandlung angezeigt ist. Aufgrund der Komplexität und Schwere des Störungsbildes ist ein umfangreiches Behandlungsprogramm erforderlich das neben der abstinenzorientierten Behandlung des Glücksspielverhaltens die schwere Sinnkrise aufarbeiten muß und zusätzlich soziotherapeutische Maßnahmen einschließlich des Geld- und Schuldenmanagements umfassen sollte. Dies erfordert bei der Mehrheit der fortgeschrittenen Formen des "Pathologischen Glücksspielens" eine bis 12wöchige Behandlungsdauer Da die Mehrheit der Einweisungen durch Suchtberatungsstellen erfolgt und die niedergelassenen Psychotherapeuten bisher über keine glücksspielerspezifischen Behandlungskompetenzen verfügen sollten Kostenregelungen geschaffen werden die eine Nachbehandlung in geeigneten Beratungsstellen ermöglichen. Da sich eine größere Gruppe von Langzeitarbeitslosen zeigt deren wiederhergestellte Erwerbsfähigkeit jedoch zunächst nicht zu einer Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit geführt hat wird auf die Notwendigkeit von Adaptionsmaßnahmen auch für "Pathologische Glücksspieler" hingewiesen. ___MH


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