Invaliditätssicherung in Großbritannien |
Journal/Book: Deutsche Rentenversicherung 6-7-8/98 S. 471-487. 1998;
Abstract: 1 VgI. OECD 1992 und 1993 (zit. nach Aarts. R. et al. Introduction and Overview in: dies. (Hg.) Curing the Dutch Disease. An International Perspective on Disability Policy reform Avebury 1996 S. 1 ff. 5 Zusammenfassung Eine körperlich oder geistig bzw psychisch bedingte Leistungsminderung kann dazu führen daß der Betroffene seinen bisherigen Beruf eine ihm nach seinem sozialen Status noch zumutbare andere Erwerbstätigkeit oder aber überhaupt keine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr ausüben kann. Bislang reagierte die deutsche gesetzliche Rentenversicherung darauf mit Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente wobei der Umfang des Restleistungsvermögens darüber entschied welche Rente im konkreten Fall beansprucht werden konnte. Kriterien dafür waren nicht nur Ausbildung tarifliche Einstufung berufliche Fähigkeiten sowie körperliche geistige und seelische Verfassung des Versicherten sondern nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten sog. konkreten Betrachtungsweise auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb durfte der Versicherte auf ihm ansonsten zumutbare Berufe nur dann verwiesen werden wenn dafür auch entsprechende Arbeitsplätze vorhanden waren und ihm auch offenstanden. Dabei konnte der nicht mehr vollschichtig einsatzfähige Versicherte nur auf einen konkret nachgewiesenen Arbeitsplatz verwiesen werden. Konnte ein solcher binnen eines Jahres nicht nachgewiesen werden so galt der Versicherte als erwerbsunfähig mit der Folge daß nicht er selbst - und auch nicht die Bundesanstalt für Arbeit und damit die Arbeitslosenversicherung - sondern der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung das Risiko der mangelnden Verwertbarkeit seines Restleistungsvermögens trug. In Deutschland besteht weitestgehend Einigkeit darüber daß das geltende Recht der Erwerbsminderungsrenten reformbedürftig ist; insbesondere wird hierzulande diskutiert künftig die Erwerbsunfähigkeit stärker an medizinische Kriterien zu binden. Dieser Weg ist mit der im Jahre 1995 durchgeführten Reform der Invaliditätssicherung in Großbritannien bereits beschritten worden. Diese britische Neuregelung soll im folgenden in ihren Grundzügen nachgezeichnet werden. Dabei ist von vornherein davor zu warnen die britischen Lösungen und Erfahrungen vorschnell auf die deutsche Situation zu übertragen: Zum einen gehen Deutschland und Großbritannien im Hinblick auf die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit seit jeher sehr unterschiedliche Wege ja sind die jeweiligen Ansätze der sozialen Sicherheit von Anbeginn an gleichsam Gegenpole gewesen die in der Nachkriegszeit mit dem Begriffspaar "Bismarck" versus "Beveridge" (vielleicht allzu vereinfachend) auf den Begriff gebracht worden sind. Darüber hinaus unterscheiden sich beide Länder seit jeher gerade auch im Bereich der Behindertenpolitik im allgemeinen und auch der Invaliditätssicherung im besonderen deutlich voneinander. Letzteres mag an einer Zahl verdeutlicht werden: die OECD beziffert die öffentlichen Aufwendungen für die berufliche Rehabilitation Behinderter gemessen in Vomhundertsätzen des Bruttoinlandprodukts für Deutschland auf 0 13 für das Vereinigte Königreich hingegen auf lediglich 0 01 v.H.1 Diese Zahlen beleuchten schlaglichtartig den sehr viel geringeren Stellenwert den die Rehabilitation in Großbritannien einnimmt. Darüber hinaus ist festzuhalten daß in Großbritannien den Sozialversicherungsleistungen generell eine geringere Bedeutung zukommt als in Deutschland während allgemeine steuerfinanzierte Behindertenleistungen eine sehr viel größere Rolle spielen; dieser Umstand wirkt sich auch auf die soziale Sicherung bei Invalidität aus wie nachfolgend gezeigt werden wird. ___MH
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