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December 2024

D. Hölzel zur Versorgungsforschung Ein Qualitätsschub fürs Gesundheitssystem?

Journal/Book: Münch. med. Wschr. 140 (1998) Nr. 38 S. 27-28. 1998;

Abstract: Prof. Dr. D. Hölzel Institut für med. Informationsverarbeitung Biometrie und Epidemiologie (IBE) Klinikum Großhadern München. Die tragenden Säulen des medizinischen Fortschritts sind Grundlagenforschung klinische Forschung und Versorgungsforschung (VF). Während erstere zunächst anwendungsneutrales bzw. direkt handlungsrelevantes Wissen produzieren ist VF auf die optimale Nutzung gesicherten Wissens konzentriert. Drei Schwerpunkte der VF sind zu unterscheiden: ? Was ist das anerkannte Wissen? ? Gibt es Optimierungschancen für die Anwendung? ? Was ist der Status quo der realen Versorgung? Mit Evidence-based Medicine als der gewissenhaften Anwendung des besten derzeitigen Wissens wird ein zusätzlicher Akzent gesetzt der in die Fixierung von Standards oder Leitlinien mündet. Dies ist zugleich das Eingeständnis daß die Wissensflut nicht mehr beherrschbar ist. Mit zwei Millionen Publikationen jährlich läßt sich nahezu jedes diagnostische und therapeutische Handeln begründen. Natürlich wird die Definition von Leitlinien als Chance gesehen die Kosten ärztlichen Handelns kalkulierbar zu machen oder Verluste an Handlungsfreiheit und mögliche Kontrollen abzuwehren. Während in anderen Ländern mühsam nur wenige Leitlinien pro Jahr erarbeitet werden melden in Deutschland kleinste Fachgebiete ohne Verunsicherung wegen fehlender Evidenz mit 60 und mehr Leitlinien Vollzug. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Therapieoptimierung. Politisch gewollt dominieren "Shareholder-value-Interessen" auch klinische Fragestellungen. Für die Optimierung gesicherten Wissens für innovative operative Strategien oder wirksamere Kombinationstherapien fehlen die Mittel. Dem gegenüber steht eine große Bereitschaft z. B. in der Onkologie Neues unkritisch und schnell zu übernehmen oder unsystematisch zu erproben. Bei der Hochdosischemotherapie dominierte das irrationale Dabeisein und Mitmachen über das moralisch verpflichtende rationale Prüfen einer Chance. Solchen Aktionismus in zeitgemäße Erkenntnisprozesse zu transformieren ist die zweite wichtige Aufgabe. Eine zunehmende Distanz der Medizin zugunsten des dreifachblinden scholastischen Blicks in führende Journale ist unverkennbar. Gleichzeitig fällt auf und ist belegt daß Leitlinien nahezu wirkungslos bleiben. Dazu weitere Beispiele: Die Krebsfrüherkennung wird in Deutschland seit 25 Jahren angeboten. Während in anderen Ländern Qualitätssicherung und adäquate Organisationsformen eingeführt und Erfolge nachgewiesen wurden gibt es in Deutschland bisher keinen Druck neue Erkenntnisse umzusetzen und Rechenschaft abzulegen. Die Cisplatin-Therapie beim Hodentumor benötigte ca. 15 Jahre zur Verbreitung mit der Konsequenz von 1500 vermeidbaren Sterbefällen junger Männer. Die Einführung der brusterhaltenden Therapie ist mit dem Zeitmaß einer halben Generation zu messen. ... ___MH


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