H. S. Füeßl zu artifiziellen manipulierten Krankheiten Patienten als Falschspieler |
Journal/Book: Münch. med. Wschr. 140 (1998) Nr. 40 S. 29-30. 1998;
Abstract: Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Schriftleiter der MMW München. In der heute mehr denn je ausgeprägten Tendenz des Mißtrauens und Verstehens ist die Begegnung zwischen Arzt und Patient noch eine relative "Insel der Seligen" auf der die Aussagen der beiden Partner schon aus Gründen der professionellen Notwendigkeit von Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit geprägt sein müssen. Weil das so ist fühlen sich die meisten Ärzte hintergangen und mißbraucht wenn sie erfahren daß ein Patient sie obgleich in der Regel unbewußt und zwanghaft an der Nase herumgeführt hat. Eine tiefe Kränkung mit Reaktionen von Wut und Aggression des Arztes sind die unmittelbare Folge - um so mehr als Patienten mit artifiziellen Störungen dem Arzt bei der ersten Begegnung das Gefühl vermitteln er sei im Gegensatz zu den gescheiterten Vorbehandlern aufgrund seiner Qualitäten und seines Engagements in der Lage das rätselhafte Krankheitsbild zu klären. Mit dem Terminus "Koryphäen-Killer-Syndrom" wurde dieser Vorgang gut charakterisiert. Da einer weiteren Arzt-Patient-Beziehung nach Aufdeckung der Selbstmanipulation in den meisten Fällen vollständig der Boden entzogen ist wird sie meist abrupt abgebrochen und Psychodiagnostik und -therapie unterbleiben. Daher gibt es auch kaum systematische Untersuchungen über die Häufigkeit und die Ursachen derartiger Krankheitsbilder. Die relative Hilflosigkeit der somatischen Medizin mit diesen Patienten drückt sich bereits in einer Fülle von Synonymen mit teilweise blumig beschreibendem Charakter aus die anhand vieler kasuistischer Beobachtungen vorgeschlagen wurden: vorgetäuschte Störung chronische Artefaktkrankheit selbstmanipulierte Krankheit Patho mimicry Münchhausen-Syndrom iatrogene Selbstverstümmelung Hospitalsucht wandernde Problem-Patienten Mania operativa Chirurgomanie Skalpellophilie Laparotomophilia migrans Haemorrhagica histrionica Neurologica diabolica Dermatitis autogenica Hyperpyrexia figmentatica oder Cardiopathia phantastica sprechen vielleicht den humanistisch gebildeten Arzt an und weisen auf wichtige Teilaspekte des Problems hin belegen aber auch daß bislang eine wissenschaftliche Klassifikation fehlt [2]. Der umfassende Begriff artifizielle Krankheit/ Störung wie er auch in der ICD-10 verwendet wird beschreibt Erkrankungen bei denen der Patient heimlich Krankheitssymptome aggraviert oder erzeugt die zu zahlreichen und wiederholten Krankenhausaufenthalten mit umfangreicher Diagnostik und eventuell sogar mehreren Operationen führen können. ... ___MH
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