Paradigmenwechsel in der Medizin - vom "Defizitmodell" der kurativen Medizin zum "Kompetenzmodell" der Gesundheitsförderung

Journal/Book: Heilbad & Kurort 46 (1994) 9/10 S.270-280. 1994;

Abstract: Dr. med. Christoph Kirschner Präsident des Deutschen Bäderverbandes Bonn Wenn heute vom Paradigmawechsel in der Medizin gesprochen wird dann denken wir vorwiegend an den Wandel von einer rein naturwissenschaftlich geprägten Medizin zu einer Ganzheitsmedizin bzw. zu einer mehr anthropologisch und psychosomatisch ausgerichteten Medizin in Klinik und Praxis. Dieser Wandel hat sicher eine hohe Aktualität da immer mehr Krankheiten besonders chronische Krankheiten verhaltensabhängig entstehen und verlaufen und besonders in der Allgemeinpraxis auch psychosomatische Gesundheitsstörungen zugenommen haben und organische Krankheiten überformen sowie psychosoziale Konfliktpotentiale in Beruf Ehe Familie und Gesellschaft nur zu häufig in körperlichen Symptomen aktualisiert werden. Gleichzeitig ist aber der Begriff der Ganzheitsmedizin schon fast zu einem sozialkritischen Schlagwort verkommen. Der Begriff als Schlagwort löst bei wissenschaftlich denkenden Medizinern in seiner Unschärfe nicht selten Unbehagen aus und Ärzte in der Praxis fühlen hinter diesem Wort einen Anspruch der in der Routine des Alltags oft nur schwer zeitaufwendig und mit finanziellen Verlust im Vergleich zu heiltechnischen Leistungen zu erfüllen ist. Durch die dominierende Ausbildung der jungen Ärzte im Akutkrankenhaus im Rahmen ihres beruflichen Sozialisationsprozesses haben sie von den Maßnahmen und Strategien der Prävention und der Gesundheitsförderung nur wenig gehört. Diese beiden Aufgabengebiete geraten aber heute zunehmend in die gesundheits- und sozialpolitische Diskussion da sich immer mehr zeigt daß die Fortschritte der Medizin mit der Entwicklung einer besseren kurativen Heiltechnik zwar die Todesdrohungen bei Krankheiten vermindern können aber das Krankenvolumen in der Gesellschaft dadurch nicht gesenkt wird sondern durch die erhöhte Lebenserwartung und auch durch die Zunahme degenerativer Alterskrankheiten die Behandlungsbedürftigkeit vieler Menschen steigt. . . .

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