Wirtschaftlicher Behandlungsverzicht und Patientenauswahl als Rechtsproblem |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 87 (1993/Heft 7) 559-566. 1993;
Abstract: Dr. jur. Alfred Künschner U. M. Freiburg Kostensteigerungen im Gesundheitswesen werden auf dem Hintergrund steigender Lohnkosten und verschärften internationalen Wettbewerbs nicht mehr ohne weiteres als unausweichlich hingenommen. Durch bloß administrative Maßnahmen in Form von Zulassungs- Vergütungs- und Finanzierungsregelungen wie sie die Kostendämpfungsgesetze der letzten Jahre bestimmen scheinen sie kaum noch beherrschbar. Zunehmend macht sich auch in den reichen westlichen Industrienationen die Erkenntnis breit daß ökonomische Faktoren mehr in Behandlungsentscheidungen einfließen als man dies bisher wahrhaben wollte. Bezeichnend ist daß es Mitte der 70er Jahre noch gelingen konnte wirtschaftliche Überlegungen aus der intensiv geführten Diskussion um Euthanasie und Sterbehilfe weitgehend herauszuhalten während heute vereinzelt schon eine "duty to die" eine Pflicht zu Sterben für alte Menschen propagiert wird - so in den Vereinigten Staaten der renommierte Medizinethiker Daniel Callahan angesichts überproportional steigender Gesundheitsausgaben gerade am Lebensende. Die Lebenserhaltung muß jedoch für den Arzt rechtlich und ethisch Grundsatz und Regel bleiben der Verzicht auf Lebenserhaltung die besonderer Rechtfertigung bedürfende Ausnahme. In der Euthanasiedebatte der letzten Jahre suchte und fand man die Legitimation zum Behandlungsverzicht in humanitären Gründen; dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage ob weit über den Bereich Sterbehilfenaher Fallkonstellationen hinaus wirtschaftliche Gründe den Arzt berechtigen auf eine lebenserhaltende Behandlung zu verzichten. Er rührt damit an ärztliche und rechtliche Grundfragen. Der Titel des Beitrags deutet bereits an daß wir von zwei verschiedenen Fallkonstellationen ausgehen müssen. Juristisch macht es einen grundlegenden Unterschied ob einem Patienten eine tatsächlich vorhandene Möglichkeit zur Lebenserhaltung deshalb versagt werden soll weil Gründe der Wirtschaftlichkeit dies zu verlangen scheinen - Fallgruppe des wirtschaftlichen Behandlungsverzichts - oder deshalb weil ein konkreter anderer Patient mit ihm um die knappe Ressource z. B. ein Spenderorgan oder ein Beatmungsgerät konkurriert und nur einer der Patienten gerettet werden kann - Fallgruppe der Patientenauswahl. Für die erste Fallgruppe werden meist Fälle als Beispiel genannt wie wir sie aus dem Bereich der Sterbehilfe-Diskussion kennen: Patienten mit langandauernder Behandlungs- und Pflegebedürftigkeit apallischem Syndrom oder ähnlich hoffnungsloser Symptomatik - aber auch ein Fall den vor einigen Jahren ein hoher Ärztefunktionär im Deutschen Ärzteblatt gebildet hat. ... Stö_
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