Ethik und Behinderung - Eine kritische Rezension |
Journal/Book: Die Rehabilitation (30. Jg.) Heft 2; 1991; S. 95 - 97. 1991;
Abstract: Prof. Dr. Hans Stadler Universität Dortmund Fachbereich Sondererziehung und Rehabilitation In der Behindertenpädagogik hat sich um ethische Grundfragen ein Streit entwickelt der durch das Buch von Christoph Anstötz "Ethik und Behinderung - Ein Beitrag zur Ethik der Sonderpädagogik aus empirisch-rationaler Sicht" (Edition Marhold im Verlag Spiess Berlin 1990 159 S. 29 80 DM) weiter an Schärfe zugenommen hat. Anstötz ist Professor für Geistigbehindertenpädagogik an der Universität Dortmund; er vertritt schon seit längerer Zeit eine empirisch-rationalistische Position bei der Klärung ethischer Fragen die aber erst größere Beachtung fand als er den australischen Philosophen Peter Singer zu einem Vortrag zu der provozierenden Frage einlud: "Haben schwerstbehinderte Neugeborene ein Recht auf Leben?". Wegen massiver Proteste kam es nicht zur Vortragsveranstaltung und Anstötz sah und sieht sich heftigen Angriffen ausgesetzt die in der Forderung gipfelten ihm seine Professur zu entziehen. Das Recht "auf Leben und körperliche Unversehrtheit" das durch Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes geschützt wird darf nicht ausgehöhlt werden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und auf Freiheit von Forschung und Lehre nach Artikel 5 des Grundgesetzes sollte nicht dazu benutzt werden das Lebensrecht Neugeborener zu gefährden. Eine solche Gefahr geht von Auffassungen aus die Anstötz vertritt (vgl. dazu u. a. Bleidick 1990 Hoyningen-Süess 1990 Schönberger 1990 Mürner u. Sierck 1990). Um es eindeutig zu formulieren: mit den Thesen Singers (1979/1984) die Anstötz zum Ausgangspunkt auch seiner Überlegungen nimmt werden religiöse und ethische Grundüberzeugungen zur Disposition gestellt die ein jüdisch-christliches Erbe darstellen das unsere gesamte rechtsstaatliche Ordnung prägt. Zu Recht wurde dar-auf hingewiesen daß ein solch massiver Angriff zuletzt durch die Nationalsozialisten erfolgte die viele Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen als "lebensunwert" erklärten und sie grausam ermordeten. Auch damals war es so daß in einer Vorlaufphase eine Diskussion um das Lebensrecht Schwerstbehinderter stattfand die Aberkennung des Lebensrechts also den furchtbaren Taten vorausging. Deshalb wird heute in der Position Singers auch eine neue Form des Sozialdarwinismus gesehen: ... ab
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