Sozialmedizinische Aspekte in der Rehabilitation*) |
Journal/Book: H u K 36 2/84 S. 59-63. 1984;
Abstract: Dr. med. Theo Kleinschmidt Bad Tölz *) Vortrag am 19. Januar 1984 anläßlich des 4. Fortbildungskurses für physikalische Therapie der Universität München Die Medizin ist eine soziale Wissenschaft, und Politik ist weiter nichts als Medizin im großen! Rudolf V i r c h o w der Begründer der klassichen Zellularpathologie und zu seiner Zeit einer der angesehensten Vertreter der Medizin hatte mit diesem Satz alles andere im Sinn als ein Kapitulationsangebot der Medizin an die Sozialpolitik. Vielmehr forderte er damit die Medizin seiner Zeit zu einer Inventur ihres Auftrages und Selbstverständnisses heraus und appellierte an ihre soziale Verantwortung und Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Gleichsam im Vorgriff auf die späteren Milieutheorien der Sozialmedizin hatte sich ihm nach seinen Typhusstudien in Oberschlesien der Einfluß des sozialen Umfelds auf die Entstehung und den Verlauf vieler Krankheiten entdeckt und ihm die Analogie des menschlichen mit dem gesellschaftlichen Organismus nahegelegt. So provozierend V i r c h o w damals formuliert hat so nachhaltig ist heute sein Satz dem ärztlichen Denken zumindest berufspolitisch suspekt; wäre es anders würde er öfter und unbefangener zitiert. Inzwischen steht das Gebäude der Sozialmedizin gewiß nicht nur aber doch auch auf diesem Satz und muß sich dennoch weiter um Unvoreingenommenheit und Anerkennung im ärztlichen Bereich bemühen. Offensichtlich ist nämlich der naturwissenschaftlich-klinisch geprägte Arzt vom "Sozialen" irritiert: er klassifiziert es als berufliches Epiphänomen als medizinische Randerscheinung für die er weder Diagnose noch Rezeptur zur Hand hat. Die Verweisung an die Sozialexperten ist seine Ausflucht in dieser unbequemen Situation und ist wohl auch sonst die Regel. Wir hier sollten indessen erkennen daß die uns Ärzten heute so gern vorgeworfene soziale Distanz" zum Patienten und seiner Wirklichkeit mit den Konsequenzen der zunehmend abstrakter werdenden und nicht selten auch inhuman wirkenden ärztlichen Tätigkeit genau hier ihren Angelpunkt hat. Die soziale Dimension ist aber seither jenes Feld in dem sich der Ansatz wie auch der Erfolg unserer Medizin beweisen und bewähren müssen heute sogar nachdrücklicher als jemals zuvor! ... ___MH
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