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November 2024

Experimetelle Untersuchungen zum Studium von Therapieeffekten bei sog. "kombinierter Balneotherapie" 5. Mitt.: Untersuchungen mit Digitoxin

Journal/Book: Fund. baln.-bioclim. 4: 381-387 (1964). 1964;

Abstract: Institut für Kur- und Bäderwesen und für Physikalische Therapie Bad Elster (Direktor: Dr. med. habil. Jordan) Die fünfte Versuchsreihe- sollte zu der Frage einer Kombinationstherapie mit Herzglykosiden während einer Kurortbehandlung Stellung nehmen. 50 Kurpatienten die zur Durchführung einer CO2-Bäderkur über 4 Wochen behandelt wurden konnten in diese Untersuchung einbezogen werden. Alle Probanden waren "kurfähig" - d. h. sie waren nicht dekompensiert - und "kurbedürftig" - d. h. sie entsprachen dem Indikationsgebiet. Ausgeschlossen wurden Hypertensionen Vitien und Kranke mit schweren organischen Veränderungen am Myokard. Methodik 25 Patienten (= Gruppe A) erhielten in der ersten Kurhälfte je 2mal 0 1 mg Digitoxin per os in der zweiten Kurhälfte keine Medikation; 25 weitere blieben die ersten beiden Kurwochen medikamentenfrei und erhielten die gleiche Digitoxindosis über die letzten beiden Kurwochen (= Gruppe B). Gemessen wurde in jedem Falle Blutdruck (Riva-Rocci-K o r o t k o w ) und Herzfrequenz am Kuranfang und Kurende sowie Anspannungs- und Austreibungszeit Systolendauer und Verzögerungszeit nach B l u m b e r g e r (1) sowie H o l l d a c k (3) die jedoch zusätzlich noch in der 2. resp. 3. Kurwoche bestimmt wurden. Die Ergebnisse wurden varianzanalytisch oder mit dem t-Test überprüft wobei auf Signifikanz unterhalb von p = 0 05 anerkannt wurde. Verwendet wurden folgende Abkürzungen: Ps Pd Ps-Pd Pm: Blutdruck (systolischer diastolischer Amplitude mittlerer) Fr: Herzfrequenz ASZ: Anspannungszeit ATZ: Austreibungszeit UFZ: Umformungszeit DAZ: Druckanstiegszeit SD: Systolendauer VZ: Verzögerungszeit. Ergebnisse 1. Die Veränderungen der kreislauf- bzw. kardiodynamischen Meßwerte in den beiden Versuchsgruppen vom Beginn bis zum Ende der Behandlungs- periode zeigt - soweit sich statistisch jeweils die Signifikanz erweisen ließ - die Tab. 1. Tab.1 ------------------------------------------------------------------------------- Meßwert Gruppe Kurbeginn Kurende Signifikanz- grad* ------------------------------------------------------------------------------- Ps (mm Hg) A 132 6 129 4 Ø B 132 5 128 3 + Pd (mm Hg) A 85 0 81 4 + B 84 3 77 6 ++ Pm (mm Hg) A 108 7 105 3 (+) B 108 4 102 9 ++ SD (msec)/ A 366 359 Ø B 363 352 (+) ASZ (msec) A 93 6 86 4 + B 88 4 83 2 + ---------------------------------------------------------------------------------- *Signatur: Ø: P> 0 05; + : P<0 05> 0 01; ++ : P<0 01> 0 001; +++ : P<0 001 2. Die viermal während der Kur gemessenen Werte des Kardiodynamogramms nach B l u m b e r g e r und H o l l d a c k zeigen - soweit signifikant - folgende Änderungen (Tab. 2). Die besonders interessierende Größe der ASZ wurde - der deutlichen Gruppendifferenz ihrer Ausgangswerte wegen - nochmals nach Ausgangswerten innerhalb ihrer Gruppe geordnet. Wir fanden 13 der 50 Probanden mit Ausgangswerten von 100 und mehr msec die nach B l u m b e r g e r (1) bestimmt als pathologisch gelten dürfen. Von diesen 13 zählten 9 Versuchspersonen zur Gruppe A 4 zu B; mit anderen Worten in Gruppe A befanden sich - ohne dafür ausgewählt zu sein - die meisten Versuchspersonen mit erhöhter also pathologischer ASZ. Der t-Test weist aus daß die Prüfung der jeweils größten Differenzen [sie bestehen in allen Gruppen bzw. Gruppierungen zwischen Kurbeginn und Kurende (1. zu 4. Wert)] signifikant ausfällt. Die t-Werte betragen für Gruppe A: 2 57 (n = 25) Gruppe B: 2 19 (n = 25) Gruppe mit pathologischer ASZ: 3 15 (n = 13) Gruppe mit normaler ASZ: 2 0 (n = 37) Tab. 2 ------------------------------------------------------------------------------------------------- Meßwert Gruppe Kurbeginn 2.Woche 3.Woche Kurende Signifik.- grad ------------------------------------------------------------------------------------------------ A 366 358 350 359 Ø SD (msec) B 363 365 363 352 (+) ASZ (msec) A 93 6 90 0 86 4 86 4 + B 88 4 90 0 88 5 83 2 + DAZ (msec) A 33 0 31 6 25 6 28 2 + B 26 2 25 8 26 2 23 6 Ø ----------------------------------------------------------------------------------------------- wobei die höchsten Werte für die kleine Gruppe mit pathologischer ASZ und entsprechend auch der Gruppe A beobachtet werden. Die Errechnung des Korrelationskoeffizienten r für x (= ASZ am Kuranfang) und y (= ASZ-Differenz zwischen Kurbeginn und Kurende) ergibt einen Wert von rxy = - 0 55 (p < 0 001 !). Das bedeutet daß mit hochsignifikanter Korrelation die ASZ um so mehr am Kurende gesenkt wird je höher sie zu Kurbeginn lag. Aus diesen Ergebnissen läßt sich folgern daß die Versuchspersonen die Digitoxin in den letzten beiden Kurwochen erhielten (Gruppe B) eine signifikant stärkere Senkung des mittleren systolischen und diastolischen Blutdruckes erfahren als die der Gruppe A. Die Frequenz wird dabei nicht wesentlich verändert wohl aber die Systolendauer in Gruppe B. Die Anspannungszeit wird in beiden Behandlungsgruppen verkürzt; hier tritt aber eine wesentliche Verstärkung dieses Effektes bei den Versuchspersonen mit pathologisch verlängerter ASZ zutage. Die wesentliche Umstellung kommt wie die Varianzanalyse zeigt für die Kardiodynamik in der 3. Kurwoche zustande. Besprechung der Ergebnisse Die Änderungen des Blutdruckes in Gruppe A zum Kurende (Versuchspersonen 14 Tage vor Kurende ohne Digitoxin!) zeigten erneut die "Histiotropie" (5 7 9) des Kurgeschehens die aber in vorliegender Versuchsserie z. B. an der Herzfrequenz nicht bemerkbar wird. Ein zusätzlicher "frequenzbremsender" Digitoxineffekt - erwartbar in der Gruppe B - kommt nicht zur Erscheinung. allerdings kann diese Erwartung unter Berücksichtigung der kleinen Glykosiddosen ohnehin nicht zu hoch geschraubt werden. Es zeigt aber die Verkürzung der Systolendauer in Gruppe B an daß eine relative Verlängerung der Diastolendauer zustandegekommen ist die einer hämodynamischen Begünstigung im Sinne einer Verbesserung der diastolischen Kammerfüllung gleichzusetzen wäre. Diese Verkürzung der Systole geht wie das für Herzglykoside zu erwarten ist auf Kosten der isometrischen Kontraktionsphase (= ASZ) nicht dagegen auf eine Änderung der isotonischen Phase (= ATZ) also ein positiv-inotroper Einfluß. Daß die ASZ unter Kurbedingungen verlängert wird haben wir schon mehrfach beobachtet und mitgeteilt (5 6 7 8): Einen verkürzenden Effekt ergab in dieser Hinsicht stets das Pholedrin (8) im akuten Versuch ließ Strophanthin nur bei Dosierungen von 1/8 mg innerhalb 5 min post inj. eine solche Verkürzung beobachten. Viel sicherer erzielt also eine Dauerbehandlung mit kleinen Glykosiddosen diesen Effekt. Greifen wir auf unsere früheren Deutungen zurück so möchten wir sagen daß es mit einer Digitalisierung in der von uns gewählten Form möglich erscheint den ASZ-verlängernden Effekt einer CO2-Bäderkur zu verhindern. Wir möchten die Formulierung von G o l l w i t z e r - M e i e r (2) wiederholen die Digitalis befähige das Herz zu einer Mehrarbeit die CO2 lege ihm aber eine Mehrarbeit auf. Auch unsere klinischen Beobachtungen konnten von jeher die günstige Wirkung kleiner Glykosiddosen unter der CO2-Bädertherapie bestätigen weshalb auch aus unserem Arbeitskreis immer wieder einmal auf diese günstigen Effekte der medikamentösen Kombinationstherapie hingewiesen wurde (4 10 11 12). Die verstärkte Senkung des systolischen und mittleren Blutdruckes (hingewiesen sei auf die gleichen Kollektivmittelwerte zu Kurbeginn in Gruppe A bzw. B!) durch gleichzeitige Glykosidgaben neben der Bäderbehandlung war bereits von L a c h m a n n und W a g n e r (11) einmal beobachtet worden. Eine bündige Erklärung besonders etwa eine hämodynamische läßt sich u. E. jedoch hierfür nicht abgeben an wieviele mögliche Mechanismen man hierbei auch denken mag so z. B. die bekannten Verstärkereffekte der Digitalis auf azetylcholinergische Leistungen ("vagotone" Effekte) die bis auf die klassischen Untersuchungen von G r e m e l s zurückgehen und die auch unabhängig z.B. von der negativen Chronotropie der Digitalisdroge ablaufen (9). Wir möchten folgern: 1. Neben der bekannten Tatsache des Absinkens des Systemblutdruckes unter einer CO2-Bäderkur ergibt sich daß kleine Dosen Digitoxin den Gesamtblutdruck (einschließlich Pd!) zwischen Kurbeginn und Kurende stärker senken wenn mit der Medikation in der zweiten Kurhälfte begonnen wird. 2. Die unter der Kurbehandlung meist zu beobachtende Verlängerung der Anspannungszeit des Herzens wird unter Digitoxin aufgehoben bzw. ins Gegenteil verkehrt wobei die 3. Kurwoche als "Umschlagspunkt" gelten kann. Hierbei ist aber weniger der Zeitpunkt des Beginnes der medikamentösen Zusatztherapie als die Höhe des Ausgangswertes der ASZ entscheidend: Kranke mit verlängerter ASZ am Kurbeginn reagieren eindeutig mit stärkerer Beeinflussung derselben als umgekehrt. Wir möchten deshalb die kardiodynamische Prüfung nach B l u m b e r g e r - H o l l d a c k (die wir als Routinediagnostik bereits seit 12 Jahren anwenden) als wichtiges Kriterium für die Erstellung des balneologischen Therapieplanes ansprechen. 3. Digitoxinbehandelte Kranke weisen am Kurende eine relative Begünstigung der diastolischen Füllung des Herzens auf wenn sie in der zweiten Kurhälfte anbehandelt wurden. 4. Die allgemein "histiotrope Tendenz" des Kurgeschehens in der 3. und 4. Kurwoche wird durch die Glykosidbehandlung effektiv verstärkt (Koinzidenz histiotroper Einflüsse?) und ist von einer begünstigenden kardiodynamischen Wirkung gefolgt. Zusammenfassung 50 kreislaufkompensierte Kranke die eine CO2-Bäderkur durchführen werden entweder die ersten (Gruppe A) oder die letzten beiden Kurwochen (Gruppe B) mit zweimal täglich 0 1 mg Digitoxin behandelt. Statistische Berechnungen der ermittelten kardiodynamischen Meßwerte zeigen daß bei Gruppe B eine effektiv stärkere Blutdrucksenkung und Verkürzung der Systolendauer zwischen Kurbeginn und Kurende auftritt als bei Gruppe A. Die Anspannungszeit wird durch die Glykosidgabe verkürzt und zwar um so stärker je höher ihr Ausgangswert lag. Die sonst unter den Einflüssen einer CO2-Bäderkur beobachtbare Verlängerung dieser Kontraktionsphase des Herzens wird damit aufgehoben. Literatur 1. Blumberger K. J.: Die Untersuchung der Dynamik des Herzens beim Menschen. Ihre Anwendung als Herzleistungsprüfung. Erg. inn. Med. Kinderheilk. 62 424 (1942). 2. Gollwitzer-Meier Kl.: Balneologe 2 289 (1935). 3. Holldack Kl.: Die Bedeutung der "Umformungs- und Druckanstiegszeit" für die Herzdynamik. Dtsch. Arch. klin. Med. 198 71 (1951). 4. Jordan H.: Erfahrungen in der medikamentösen Kombinationstherapie kardiovaskulärer Erkrankungen im Kurort. Ärztl. Fortb.-Lehrg. Akad.f.Sozialhygiene. Bad Elster 1956. 5. Jordan H.: Experimentelle Untersuchungen zum Studium von Therapieeffekten bei sog. "kombinierter Balneotherapie". 1. Mitteilung: Methodische Untersuchungen mit Khellistrophan und Apophyllin-Strophanthin. Fund.baln.-bioclim. 1 303 (1960). 6. Jordan H. H. Lachmann und H. Wagner: Kardiodynamische Effekte bei CO2-Bäderkuren. Z. angew. Bäder- und Klimaheilk. 7 5 525 (1960). 7. Jordan H. und H. Münch: Experimentelle Untersuchungen zum Studium von Therapieeffekten bei sog. "kombinierter Balneotherapie". 3. Mitteilung: Untersuchungen mit Neoeserin. Fund. baln.-bioclim. 2 93 (1962). 8. Jordan H. und D. Reinhold: Experimentelle Untersuchungen zum Studium von Therapieeffekten bei sog. "kombinierter Balneotherapie". 2. Mitteilung: Untersuchungen mit Pholedrin. Fund. baln.-bioclim. 2 85 (1962). 9. Kazuko Hattori. Die Wirkung von Herzglykosiden auf die Cholinesteraseaktivität. Fol. pharmacol. japan. 51 254 (1955). 10.Lachmann H.: Kurortbehandlung von Myokardinfarkten. Z. angew. Bäder- u. Klimaheilk. 5 559 (1958). 11.Lachmann H. und H. Wagner: Die Bedeutung der gleichzeitigen Glykosidverabreichung neben der balneologischen Behandlung von herzkranken Kurpatienten. Z. ärztl. Fortb. 55 1203 (1961). 12.Lühr K.: Indikationen und Gegenindikationen zur Balneotherapie bei Herz- und Kreislaufkranken. Abh. Dtsch. Akad. Wiss. Akad.-Verlag Berlin 1955. *1. Mitt. diese Zschr. I 303 (1960); 2. Mitt. diese Zschr. II 85 (1962); 3. Mitt. diese Zschr. II 93 (1962); 4. Mitt. diese Zschr. II 377 (1964);

Keyword(s): Balneotherapie medikamentöse Therapie CO2-Bäder


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