Experimentelle Untersuchungen zum Studium von Therapieeffekten bei sogenannter "kombinierter Balneotherapie" 6. Mitt.: Untersuchungen mit unterschiedlicher Digitoxindosierung |
Journal/Book: Fund. baln.-bioclim. 3 (1964) 50-57. 1964;
Abstract: Institut für Kur- und Bäderwesen und für Physikalische Therapie Bad Elster (Direktor: Doz. Dr. med. habil. Jordan) Nachdem in der 5. Mitteilung* die Frage nach dem Zeitpunkt des Einsatzes einer Digitoxintherapie zusätzlich zu einer CO2-Bäder-Kurbehandlung erörtert worden war sollte in einer weiteren Versuchsreihe der Unterschied der Dosierung beleuchtet werden - immer in der gleichen Absicht an einem nicht speziell hierzu ausgewählten Krankengut mit biometrischer Methodik zu analysieren. Methodik 50 Patienten die zu einer 27tägigen CO2-Bäderkur eingewiesen worden waren wurden ohne Vorauswahl in den Versuch einbezogen. Alle waren "kurfähig" - also nicht dekompensiert - und entsprachen dem Indikationsgebiet. Schwerere organische Myokardveränderungen Vitien Hypertension und Rhythmusstörungen blieben ausgeschlossen. 25 Probanden (Gruppe A) erhielten täglich 0 2 mg und 25 (Gruppe B) 0 3 mg Digitoxin per os. Es wurden bestimmt: Blutdruck (Riva-Rotti-Korotkov) zu Beginn und Ende der Kur und zum gleichen Zeitpunkt sowie zusätzlich in der Mitte der Kur: Herzfrequenz Systolendauer Anspannungs- und Austreibungszeit Umformungs- und Druckanstiegszeit sowie die Verzögerungszeit nach B l u m b e r g e r (2) und H o l l d a c k (3). Die Ergebnisse wurden varianzstatistisch oder mit dem t-Test ( S t u d e n t ) überprüft wobei auf Signifikanz bei p < 0 05 anerkannt wurde. Folgende Abkürzungen finden Anwendung: Ps Pd Pm Ps-Pd: Systolischer diastolischer mittlerer Blutdruck und Blutdruckamplitude Fr: Herzfrequenz ASZ: Anspannungszeit KB: Kurbeginn ATZ: Austreibungszeit KE: Kurende UFZ: Umformungszeit s: Streuung DAZ: Druckanstiegszeit r: Korrelationskoeffizient VZ: Verzögerungszeit Rx Ry: Regressionskoeffizient SD: Systolendauer n: Fallzahl Ergebnisse 1. Die Tabelle 1 zeigt die Übersicht über die beobachteten Meßwertänderungen mit den entsprechenden Signifikanzhinweisen. Eine ausführliche Darlegung aller Meßwerte unterbleibt aus Raumgründen (+ = p <0 05 > 0 01; ++ = p <0 01 > 0 001; +++ = p <0 001). Tab. 1 ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Meßgröße Gruppe Kurbeginn Kurmitte Kurende Signifikanz (I) (II) (III) ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Ps mm Hg A 138 7 - 127 5 +++ B 136 6 - 130 0 + Pd mm Hg A 84 3 - 79 2 + B 85 2 - 79 6 + Ps-Pd mm Hg A 54 0 - 50 5 B 50 5 - 50 4 Pm mm Hg A 111 6 - 103 8 +++ B 110 0 - 104 8 ++ Fr (pro min) A 75 2 70 8 72 4 I/II ++ B 69 8 70 0 65 8 I/III ++ SD (msec) A 360 8 358 8 359 6 B 382 8 363 2 370 8 I/III +++ ASZ (msec) A 99 2 95 2 96 0 B 108 4 97 2 99 2 I/II ++ UFZ (msec) A 70 8 69 2 69 2 B 71 4 73 8 73 4 DAZ (msec) A 28 0 25 8 26 0 B 36 0 23 8 27 2 I/II u. ATZ (msec) A 261 6 263 2 264 0 B 276 4 266 8 273 6 I/II + VZ (msec) A 28 2 29 2 30 4 B 27 2 26 0 26 0 -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Die signifikanten Differenzen (sD) wurden jeweils nach der Beziehung sD = 2 x Restvarianz (Wurzel) ( ---------------- * t errechnet. n 2. Die unterschiedlichen Ausgangswerte der Meßdaten in der Gruppe A und B (besonders auffällig bei ASZ und DAZ) gaben Veranlassung diese Differenzen auf etwaige Signifikanz zu testen. Diese Prüfung fiel bei allen Meßgrößen negativ aus; auch für die ASZ erreichte der t-Wert nur 1 68; für die DAZ 1 72. Die höhere ASZ der Gruppe B (die im pathologischen Bereich liegt) könnte zu der Annahme verleiten daß in dieser Gruppe eine Selektion dahingehend getroffen worden wäre daß solche Patienten mit der höherdosierten Glykosidgabe bedacht worden wären die einen "schlechteren" kardialen Leistungszustand aufwiesen deren Vorhandensein auch durch die durchschnittlich längere ASZ bestätigt wurde. Eine solche Auswahl hat jedoch nicht stattgefunden. Die Probanden waren wahllos den einzelnen Gruppen zugeteilt worden. Ein Verstoß gegen eine einwandfreie Versuchsplanung (5) ist darin also nicht zu sehen. 3. Damit war also auch der biometrische Vergleich der Gruppen A und B möglich der prinzipiell mit der zweifachen Varianzanalyse bzw. einem t-Test vorgenommen wurde. Es ergab sich dabei: a) Die Änderung von Ps der Gruppe A ist von der der Gruppe B mit t = 2 3 signifikant verschieden. b) Für Fr läßt sich der Gruppenunterschied nicht sichern; hier liegt die signifikante Frequenzsenkung für Gruppe A nicht zum Kurende wie bei Gruppe B sondern zur Kurmitte. c) Die Senkung der ASZ in Gruppe B gegenüber Gruppe A ist signifikant beim Vergleich von Kurbeginn zu Kurmitte. d) Das Gleiche wie für die ASZ trifft auch für die DAZ zu. 4. Da für die Meßgrößen Ps und ASZ ein Vergleichsmaterial von 525 Probanden mit Messungen dieser Größen jeweils am Kurbeginn (KB) und Kurende (KE) vorlag - über diese Vergleichsreihe wird andernorts berichtet werden - versuchten wir den Einfluß des Digitoxins in vorliegender Versuchsserie gegen die hämodynamischen Änderungen dieses unbeeinflußten Kollektivs abzuschätzen. Das Vergleichskollektiv umfaßt 525 unausgewählte Kurpatienten die sich einer 27tägigen CO2-Bäderkur unterzogen und die im klinischen Sinne als gleichgeartetes Kollektiv zu der hier betrachteten Patientengruppe anzusehen sind. Bei ihnen wurde der Blutdruck sowie die ASZ am KB und KE nach der gleichen Methodik bestimmt wie oben angegeben. Nach einer von W a g n e r und J o r d a n andernorts ausführlich begründeten Methodik (4 7 8) kann eine solche Abschätzung dadurch geschehen daß unter Kenntnis der jeweiligen Meßwertverteilungen zum Zeitpunkt KB und KE die Streuung Korrelation und Regression KB zu KE errechnet und letztere graphisch dargestellt wird. Diese Manipulation ist zur Vermeidung von Fehlschlüssen die dem sog. a: (a-b)-Effekt (1) entspringen notwendig. Vergleicht man auf diese Weise z. B. zwei unterschiedlich therapierte Kollektive so zeigt der veränderte Neigungswinkel der dargestellten Regressionsgeraden gewisse Unterschiede der Kollektive an die von der Streuung der Meßwerte zum Zeitpunkt KE gegen KB diktiert sind. Im vorliegenden Fall würden wir daher das Kollektiv der 525 CO2-Kurpatienten ohne Digitoxinmedikation als "Norm"-Kollektiv der Kurbeeinflussung ansehen und ihm unser "Digitoxin"-Kollektiv von 2mal 25 Patienten (mit oder ohne Berücksichtung der Gruppe A bzw. B) gegenüberstellen. Tabelle 2 gibt die berechneten Werte für ASZ und Ps wieder. Tab. 2 ------------------------------------------------------------------------------- n r sKB sKE Rx Ry ------------------------------------------------------------------------------- ASZ: Norm-Koll.: 525 +0 45 11 6 13 2 0 395 0 512 Digitoxin-Koll.: 50 +0 51 19 7 16 3 0 615 0 422 Ps: Norm-Koll.: 525 +0 74 25 1 11 9 0 814 0 672 Digitoxin-Koll.: 50 +0 77 15 3 22 8 0 985 0 602 -------------------------------------------------------------------------------- Die graphische Darstellung der (hier allein interessierenden) Regression Ry (= Änderung der Meßwerte zu Kurende gegenüber Kurbeginn) für die ASZ zeigt Abb. 1 für Ps Abb. 2. Die Streuungen sKS zu sKE sind in keinem Falle signifikant verschieden so daß hierin keine weitere Differenzierung gegeben ist. Da R als Maßzahl sowohl r als auch sKS und sKE berücksichtigt gibt Ry hinreichend die fraglichen Unterschiede wieder. Besprechung der Ergebnisse Abb. 1 und 2 zeigen daß gewisse Abweichungen des Digitoxinkollektivs vom Normkollektiv bestehen die in einer Verminderung der Streuung sKE und einer "strammeren" Korrelation zu suchen sind. Unter Glykosidgaben verläuft die Beeinflussung der ASZ bzw. des Blutdruckes "gerichteter" oder gleichsinniger. Da der Abfall des Systemdruckes nach unseren bisherigen Ergebnissen einen konstanten Effekt des Kurgeschehens darstellt ist ein solcher Hinweis auf eine verstärkte Senkung durch Glykosidgaben bedeutsam Im "Normalkollektiv" betrug z. B. die Senkung von Ps 8 7 ± 2 58 mm Hg beim Digitoxin-A-Kollektiv 11 2 ± 1 38 mm Hg (Differenz mit t = 10 83 hoch gesichert). Der geringere Neigungswinkel von Ry zeigt daß (allerdings in ziemlich geringem Maße) die höheren Ps-Werte unter Digitoxin relativ mehr abnehmen die niedrigen entsprechend zu. Diese Aussage kann aber nicht stärker bewertet werden als daß sie eben zeigt daß Normkollektiv und Digitoxinkollektiv -soweit man diese als repräsentativ betrachten darf - gewisse Unterschiede aufweisen. Berechnet man die Streuung der Änderung der Ps-Werte von KB zu KE so erweist sich daß das Digitoxin-Kollektiv eine Streuung von 1 38 das "Normkollektiv" aber eine solche von 2 58 aufweist. Dieser Unterschied ist mit f = 3 5 hochsignifikant! Wir hatten aber zeigen können (6) daß Digitoxin in der zweiten Kurhälfte verabreicht ebenfalls eine Verstärkung des blutdrucksenkenden - histiotrop bedingten - Kureffektes hervorruft Ohne Abb. 1: Lage der Regressionsgeraden Ry der ASZ (in msec) für das "Normalkollektiv" (Ry[N]) und das Digitoxinkollektiv (Ry[D]) Ohne Abb. 2: Lage der Regressionsgeraden Ry des Ps (in mm Hg) für das "Normkollektiv" (Ry[N]) und das Digitoxinkollektiv (Ry[D]) Die Abweichung des Blutdruckverhaltens geht zu Lasten der Gruppe A. Faßt man A und B zusammen so läßt sich z. B kein gesicherter Unterschied des Blutdruckverhaltens des Digitoxinkollektivs gegen die "Norm" feststellen; allerdings ist hier die Mittelwertdifferenz unter Berücksichtigung der Streuung (t-Test) nicht signifikant (t = 1 16). Dosisunterschiede können deshalb noch nicht diskutiert werden. Auch bei Pd lassen sich solche Gruppendifferenzen nicht nachweisen desgleichen nicht bei Pm. Die Fr wird hingegen am Kurende durch die höhere Digitoxindosis (Gruppe B) stärker im bradykarden Sinne alteriert. Immerhin zeigt aber Gruppe A einen ebensolchen Effekt in der Mitte der Behandlungsperiode. Es scheint daß die höhere Glykosiddosis den bradykardisierenden Einfluß länger aufrecht erhält wobei wiederum zu berücksichtigen bleibt daß die Kur an sich eine Tendenz zur Pulsverlangsamung zeigt (4). Dies bedeutet daß die diastolische Füllungsphase des Herzens begünstigt wird. Tatsächlich beweist die signifikante Verkürzung der Systolendauer bei 0 3 mg Digitoxin (Gruppe B) eine relative Verlängerung der diastolischen Pause wie sie auch als hämodynamisch sinnvoll korreliert zur Bradykardie erscheint. Eine eindeutige Dosisabhängigkeit zeigt aber die ASZ bzw. die DAZ. Die Verkürzung der isometrischen Kontraktionsphase ist bei der Gruppe B eindeutig signifikant in der Gruppe A aber nicht zu beobachten. Auch hierbei fand sich die schon in der vorherigen Versuchsreihe (6) beobachtete Ausgangswertabhängigkeit d. h. daß Digitoxin diesen Wirkeffekt besonders bei pathologischen ASZ-Werten entfaltet wie dies ja auch zu erwarten ist. Diese Folgerung ist auch aus der Darstellung der Abb. 1 zu ziehen. Um Wiederholungen zu vermeiden verweisen wir auf unsere 5. Mitteilung (6). Wir halten aus dieser Untersuchungsreihe fest: 1. Digitoxinmedikation in Kombination mit einer CO2-Bäderkur verursacht eine verstärkte und auch gerichtetere Blutdrucksenkung als die CO2-Kur allein wobei eine sichere Dosisunterschiedlichkeit nicht erfaßt wurde. 2. Eine kräftigere Glykosiddosierung hält einen bradykarden Effekt länger d. h. bis zum Kurende aufrecht als eine niedrigere Dosis. 3. Durch signifikante Verkürzung der Systolendauer kommt es unter Digitoxin zu einer relativen Begünstigung der diastolischen Kammerfüllung. 4. Digitoxin verkürzt die isometrische Kontraktionsphase resp. die Druckanstiegsperiode derselben wobei sowohl die höhere Glykosiddosis als auch der höhere (= pathologische) Ausgangswert der ASZ von Einfluß sind. Auch diese Wirkung ist gegenüber einer CO2-Bäderkur allein gerichteter und intensiver. Zusammenfassung Insgesamt 50 kreislaufkompensierte Kranke die eine CO2-Bäderkur durchführten erhielten während ihrer 27tägigen Kur entweder 0 2 mg (= Gruppe A) oder 0 3 mg (= Gruppe B) Digitoxin täglich per os. Der statistische Vergleich kardiodynamischer Meßwerte (Methode B l u m b e r g e r - H o l l d a c k ) erweist daß Digitoxin eine dosis- und ausgangswertabhängige Verkürzung der isometrischen Kontraktionsphase ( = ASZ) zugunsten der Druckanstiegsphase hervorruft. Außerdem wird die diastolische Füllungsphase des Herzens durch einen bradykarden Effekt und eine Verkürzung der Systolendauer begünstigt. In geringerem Umfang wird auch eine Blutdrucksenkung beobachtet die gegenüber dem Kureffekt an sich stärker ausfällt. Hierzu wurden Vergleiche mit einem nicht mit Glykosidgaben behandelten Kollektiv von 525 Versuchspersonen herangezogen. Literatur 1. v.d.Bijl W.: 5 Fehlerquellen in naturwissenschaftlicher statistischer Forschung. Ann. Meteorol. 4: 183 (1951). 2. Blumberger K. J.: Die Untersuchung der Dynamik des Herzens beim Menschen. Ihre Anwendung als Herzleistungsprüfung. Erg inn. Med. Kinderheilk. 62. 424 (1942). 3. Holldack Kl.: Die Bedeutung der "Umformungs- und Druckanstiegszeit" für die Herzdynamik. Dtsch. Arch. klin. Med. 198: 71 (1951). 4. Jordan H.: Kureffekt und Medikamentenwirkung. Z. ges. inn. Med. 19: 22 (1964). 5. Linder A.: Statist. Methoden f. Naturwissenschaftler Mediziner und Ingenieure. Basel 1951. 6. Münch H. H. Jordan: Experimentelle Untersuchungen zum Studium von Therapieeffekten bei sog. "kombinierter Balneotherapie". 5. Mitteilung: Untersuchungen mit Digitoxin. Fund. baln.-bioclim. II: 381 (1964). 7. Wagner H.: Zur Frage der Blutdruckveränderung nach bestimmten Ausgangswerten dargestellt an Blutdruckmessungen während des Kurverlaufes. Biometr. Z. 2: 117 (1960). 8. Wagner H. H. Jordan: Zur Beurteilung der Ausgangs-Endwert-Problematik bei verschiedenen biologischen Meßgrößen. Biometr. Z. (1964) (im Druck). *1. Mitt. diese Zschr. I 303 (1960); 2. Mitt. diese Zschr. II 85 (1962); 3. Mitt. diese Zschr. II 93 (1962); 4. Mitt. diese Zschr. II 377 (1964); 5. Mitt. diese Zschr. II 381 (1964).
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