Zur Kreislaufwirkung von heißen Moorsäckchenauflagerungen auf die Lebergegend |
Journal/Book: Die Heilkunst (1957) H.12. 1957;
Abstract: Aus den Kliniken der Staatlichen Rheumaforschungsanstalt des Staatsbades Bad Elster (Chefarzt: Doz. Dr. med. habil. K. Lühr) Zusammenfassung: Durch Auflegen heißer Moorsäckchen auf die Lebergegend kommt es zu einem Abfall des systolischen Blutdruckes mit deutlicher Abhängigkeit von dessen Ausgangslage sowohl bei labilen Hypertonikern als auch beim Normotonikern. Bei letzterem sinkt auch der diastolische Druck ab. Die Ergebnisse sind statistisch gesichert. Von dem Gedanken ausgehend daß lokale Wärmeapplikation im Bereich des Oberbauchs eine Mehrdurchblutung der Oberbauchorgane mit sich bringen kann haben wir seit Jahren auch die Anwendung solcher Wärmeumschläge auf die Herz- und Kreislauftherapie ausgedehnt. Die verstärkte Hyperaemie die sich bei Oberbaucherkrankungen immer günstig auswirkt gilt seit langer Zeit als geschätztes Heilmittel der physikalischen Therapie. Haemodynamisch muß es unter der Einwirkung solcher Maßnahmen zu einer Blutverschiebung in das Splanchnicusgebiet kommen wodurch eine Entlastung der zentralen Kreislaufabschnitte im intrathorakalen Bereich möglich wird. Solche Blutverschiebungen können eine sehr wirksame Form der Entlastung für den Kreislauf bedeuten und erinnern in ihrem Typus an den "inneren Aderlaß" oder an das Verfahren der Bier'schen Stauung. Werden solche Manipulationen in bestimmten rhythmischen Abständen wiederholt so kann damit eine rhythmische Entlastungs- und Belastungsarbeit für den Kreislauf resultieren. Bei der guten subjektiven Verträglichkeit die Herz und Kreislaufkranke hinsichtlich solcher Wärmeapplikationen auf die Lebergegend aufweisen schien es uns zweckmäßig zunächst einmal die Blutdruckverhältnisse während solcher Therapiemaßnahmen zu kontrollieren. Wir konnten über diese Ergebnisse bereits berichten. Wir gingen so vor daß wir beim ruhenden Herz- und Kreislaufkranken (zunächst Kranke mit labilem Hypertonus und ohne wesentliche Blutdruckerhöhung sowie latente Herzinsuffizienzen) nach längerer Kontrolle der Blutdruckwerte ein Säckchen mit etwa 50 bis 70 Grad heißer Moorerde in üblicher Form auf die Lebergegend auflegten. Sodann wurden die Blutdruckwerte über längere Zeit zum Teil bis zu 3 Stunden nachkontrolliert. Man kann nun die Blutdruckwerte die im Verlauf von 1 Stunde vor und nach der Anwendung dieses Moorumschlages gemessen wurden statistisch vergleichen; um signifikante Änderungen des Blutdruckes zu errechnen. Auf diese statistische Berechnung sei hier im einzelnen Verzichtet: Wir konnten dabei nun die Feststellung machen daß bei Kranken mit einem Ausgangswert des systolischen Druckes von mehr als 200 mm Hg. der Blutdruck signifikant bereits 5 min: nach Moorsäckchengabe absinkt und auf diesem Niveau über die nächste Stunde verbleibt. Bei Kranken mit einem systolischen Ausgangswert von 150-200 mm Hg. ergibt sich ebenfalls eine signifikante Senkung wobei der Tiefpunkt nach 10-12 min. errechnet wird. Bei Kranken mit Ruheausgangswerten von weniger als 150 mm Hg. sinkt der systolische Druck mit seinem Maximum etwa. bei 10 min. signifikant ab Gegenregulatorische Änderungen treten insofern ein als der systolische Druck im allgemeinen nach 1 Stunde wieder etwas ansteigt. Der diastolische Druck änderte sich signifikant nur bei der letzten Gruppe also den Fällen mit normalem Blutdruck. Dort kam es zu einer Senkung auch des diastolischen Druckes nach 10 min. Es fällt auf daß nur bei den Normotonikern auch ein Absinken des diastolischen Druckes signifikant faßbar wird. Bei den insgesamt untersuchten 40 Patienten ist der Fehler der zu kleinen Zahl nicht allzu stark so daß wir diese Unterschiede im Verhalten des diastolischen Druckes als durchaus echt annehmen können. Wir stellen fest daß es unter der Anwendung von Moorsäckchen also zu einer kontinuierlichen Senkung des systolischen Druckes kommt wobei die Senkung um so größer ist und früher eintritt je höher der Ausgangswert liegt. Wir sind uns freilich darüber im klaren daß eine nicht faßbare Änderung des diastolischen Druckes nicht mit einer nicht vorhandenen Beeinflussung des peripheren Widerstandes gleichgesetzt werden darf wie das wohl gelegentlich gern noch geschieht. Die moderne Anschauung der haemodynamischen Regulation verbietet dies. Es scheint so zu sein daß es unter der Einwirkung dieser Wärmebeutel auf den Oberbauch wirklich zu einer Reduktion der Volumarbeit des Herzens infolge des verstärkten relativen Abstroms in das Splanchnicusdepot kommt. Die Veränderung des peripheren Widerstandes ist demnach auch von den besonderen lokalen Verhältnissen bestimmt. die sich durch diese Blutverschiebung in den Abdominalraum ergeben. Daß besonders die essentielle oder labile Hypertension auf solche Maßnahmen reagiert wissen wir aus unserer balneologischen Erfahrung nur zu gut. Der fixierte renale Hypertonus ist erfahrungsgemäß auch mit solchen therapeutischen Maßnahmen nicht zu beeinflussen. Ein zweiter interessanter Gesichtspunkt ist daß dieses beobachtete Absinken des systolischen Druckes etwa 10 bis 15 min. nach dem Auflegen der Säckchen auch eine Gefährdung des Kreislaufs zu diesem Zeitpunkt anzeigt. Wir haben sogar schon regelrechte Kollapszustände infolge des "Splanchnicusversackens" des Blutes erlebt und konnten aus unseren Untersuchungen ableiten daß besonders die erste Viertelstunde bei solchen Maßnahmen in kreislauf-dynamischer Hinsicht eine kritische Situation bedeutet. Selbstverständlich sind wir uns über die Reichweite dieser Therapiemaßnahmen im klaren. Sie kann nur die Bedeutung einer Zusatzmaßnahme haben vermag jedoch sowohl im Kurort als auch für die häusliche Behandlung von labilen Hypertoniefällen sicher eine Bereicherung darzustellen. Subjektiv ist die Vertraglichkeit dieser Moorsäckchen praktisch immer gut gewesen von extremen Ausnahmefällen abgesehen. Einen Einfluß durch Wechsel der Hitzegrade der Moorbeutel haben wir nicht untersucht da es uns darauf ankam die Kreislaufverhältnisse unter dem bei uns üblichen Therapievorgehen zu studieren. Da unsere Versuchsergebnisse aber einer sehr strengen statistische Kritik standgehalten haben glauben wir ihre Publikation verantworten zu können und eine Anregung für die Erweiterung der Hypertonie Therapie von physikalisch-therapeutischer Seite aus geben zu dürfen. Lit. kann vom Verfasser angefordert werden.
Keyword(s): Herz-Kreislauf Balneotherapie Moor Leber
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