Erst antiseptische Maßnahmen dann antiretrovirale Prophylaxe HIV-Alarm: Bei Nadelstich geht es um Sekunden |
Journal/Book: Münch. med. Wschr. 140 (1998) Nr. 49 S. 110-111. 1998;
Abstract: Quelle: Epidemiologisches Bulletin des Robert-Koch-Instituts 21/1998 151-155. Die Einführung neuer antiretroviraler Substanzen hat nicht nur die HIV-Therapie revolutioniert - auch in der postexpositionellen Prophylaxe wird heute die Gabe einer potenten Dreifachkombination aus zwei Nukleosid-Analoga und einem Protease-Inhibitor empfohlen. Darüber dürfen aber nicht die Sofortmaßnahmen vergessen werden. Es geht um Sekunden! Berufliche HIV-Übertragungen sind bisher nur durch Blut oder Viruskonzentrat erfolgt und zwar bei Stich- und Schnittverletzungen Kontakt mit einer offenen Wunde oder geschädigter Haut sowie Schleimhautexposition. Durch eine medikamentöse Prophylaxe nach HIV-Exposition läßt sich das Infektionsrisiko deutlich vermindern. In einer retrospektiven Fall-Kontrollstudie fand sich ein Schutzeffekt von 80% bei Gabe nur von Zidovudin. Bei Stichverletzungen soll das Blut fließen. Nach jeder HIV-Exposition sind unverzüglich - innerhalb von Sekunden! - Sofortmaßnahmen einzuleiten. Grundsätzlich gilt: Je länger infektiöses Material auf Wunden geschädigter Haut oder Schleimhaut bleibt desto höher ist das Ansteckungsrisiko. Bei Stich- und Schnittverletzungen sollte man zunächst versuchen den Blutfluß zu verstärken; bei Kontamination von geschädigter Haut Augen oder Mundhöhle ist Spülen angesagt. Danach sollten Antiseptika zum Einsatz kommen. Bei Stich- und Schnittverletzungen werden Jodophor-haltige viruzide Präparate auf Ethanolbasis (z.B. Betaseptic) empfohlen bei gleichzeitigem Risiko einer HCV- oder HBV-Infektion anschließend ein hochprozentiges Ethanolpräparat (z.B. Freka-Derm farblos). Ein solches alkoholisches Antiseptikum findet auch bei HIV-Exposition geschädigter oder entzündlich veränderter Haut Verwendung. Als antiseptische Spülung kommt bei Kontamination des Auges 5%ige wäßrige PVP-Jod-Lösung oder auch Betaisodona-Lösung 1:1 mit sterilem Aqua dest. (notfalls Leitungswasser) in Frage bei Aufnahme kontaminierten Materials in die Mundhöhle 80%iges unvergälltes Ethanol. Antiretrovirale Medikation muß rasch beginnen. Auch für die medikamentöse Prophylaxe ist keine Zeit zu verlieren. Ein maximaler Schutz läßt sich wahrscheinlich nur erzielen wenn damit innerhalb der ersten zwei Stunden begonnen wird. Bei perkutaner oder intravenöser Exposition dürfte die Gabe antiretroviraler Substanzen bereits nach 24 Stunden sinnlos sein bei Schleimhautexposition nach 72 Stunden. Dreifachkombination über vier Wochen. Als Standardmedikation nennen die neuen deutsch-österreichischen Empfehlungen zur postexpositionellen Prophylaxe die auf einer Konsensuskonferenz der Deutschen und Österreichischen AIDS-Gesellschaft sowie des Robert-Koch-Instituts erarbeitet wurden die Kombination von zwei nukleosidalen Reverse-Transkriptase-Hemmern und einem Protease-Inhibitor (mehr dazu in der nebenstehenden Übersicht). Sie sollte sicherheitshalber über vier Wochen laufen. Dabei empfiehlt sich der Einsatz von Substanzen gegen die das Virus voraussichtlich nicht resistent ist also möglichst nicht von Medikamenten die der Indexpatient aktuell erhält. Direkt nach der Exposition nach sechs Wochen drei und sechs Monaten sind HIV- und Hepatitis-Antikörper zu kontrollieren; eine zusätzliche HCV- und HBV-Serologie ist nach zwölf Monaten ratsam. ... ___MH
© Top Fit Gesund, 1992-2024. Alle Rechte vorbehalten – Impressum – Datenschutzerklärung