Berufsspezifische Rehabilitation bei Reinigungskräften und Krankenschwestern - ein neues Modell zur Integration von beruflichen Aspekten in die medizinische Rehabilitation |
Journal/Book: DRV-Schriften Band 11/98 Seite 70-71 Interdisziplinarität und Vernetzung 7. Rehabilitationswissenschaftliches Kolloquium vom 10. bis 12 März 1997 in Hamburg Tagungsband. 1998;
Abstract: 1Rehbergklinik St. Andreasberg 2Fachhochschule Bergedorf 3Rheumaklinik Bad Bramstedt Einleitung Medizinische Maßnahmen der Rehabilitation werden zur Zeit im wesentlichen auf Basis der körperlichen Befunde und der medizinischen Diagnose durchgeführt. Die während eines Rehabilitationsaufenthaltes durchgeführten Behandlungsmaßnahmen richten sich entsprechend nach den vorhandenen Symptomen und körperlichen Einschränkungen. Der ausgeübte Beruf des Rehabilitanden findet lediglich in der sozialmedizinischen Einschätzung der weiteren Leistungsfähigkeit seine Bedeutung. Eine tätigkeitsbezogene Beratung und Therapie fehlt weitgehend. Gerade von einer solchen Maßnahme ist aber eine erhebliche Verbesserung des Rehaerfolgs zu erwarten. Ziel des im folgenden dargestellten Konzeptes ist die Integration von berufsspezifischen Aspekten in eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme mit der Absicht einen verbesserten und dauerhaften Behandlungserfolg zu erzielen. Methodik Berufsspezifische Rehabilitationskonzepte eignen sich aus Gründen der Effektivität und der Kosten-Nutzen-Relation besonders für solche Berufsgruppen bei denen mit einer entsprechend großen Zahl von Rehabilitanden gerechnet werden kann. In diesem Falle wurde ein Konzept für Reinigungskräfte und Krankenschwestern erstellt bei denen bekanntermaßen ein hoher Bedarf an entsprechenden Maßnahmen besteht. Zur Einrichtung einer berufsspezifischen Rehabilitationsmaßnahme bedarf es zunächst des spezifischen Fachwissens über die entsprechenden Tätigkeiten. Die notwendigen Kenntnisse über die genannten Berufe wurden aus bereits abgeschlossenen Forschungsprojekten entnommen. Es handelte sich jeweils um ein mehrjähriges Forschungsprojekt unter der Leitung der Fachhochschule Hamburg über das Reinigungswesen in Krankenhäusern und ein von der Rheumaklinik Bad Bramstedt und der Orthopädischen Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf durchgeführtes Projekt über Heben und Tragen in der Krankenpflege. Durch das in diesen Projekten enthaltene Fachwissen war gewährleistet daß nicht nur Grundkenntnisse über das Berufsbild sondern der neueste Wissensstand in Ergonomie und Arbeitstechnik benutzt werden konnte. Zur Überführung des vorhandenen Fachwissens in eine Rehabilitationsmaßnahme wurde in Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Rehabilitationsklinik ein Stufenkonzept der Umsetzung erstellt. Beispiel Reinigungskräfte: 1. Stufe: Vorbetreuung - Gezielte rechtzeitige Probandenauswahl durch Betriebs-/Kassenärzte (z.B. AMD Freie und Hansestadt Hamburg) mittels eines definierten Suchrasters (Untersuchungs- und Anamnesebogen) - Gezielte Zuweisung durch Kostenträger (BKK Stadt Hamburg LVA) 2. Stufe: Berufsspezifische Rehabilitationsmaßnahme - - Standardisierte Befunderhebung - Erfassung der individuellen Arbeitsplatzbedingungen im Reinigungsdienst - Intensive symptomspezifische Einzeltherapie - Präventive berufsspezifische Therapie unter Berücksichtigung tätigkeitsspezifischer Merkmale - Erlernen körpergerechter Arbeitstechniken mit geschulten Instruktoren - Ernährungsberatung 3. Stufe: Berufsspezifische Nachbetreuung - Ambulante Nachschulung zur Festigung des Rehabilitationserfolges im Intervall auf Grundlage des § 31 SGB VI - Reha-Sport abgestimmt auf den Bedarf der Rehabilitanden und der Anforderung der Arbeitstätigkeit - Individuelle Arbeitsplatzbesichtigung durch z.B. AMD - Abstimmung des individuellen Arbeitsplatzes auf die ermittelten Befunde und das Leistungsvermögen des Rehabilitanden. Um dieses Konzept umsetzen zu können sind für die einzelnen Stufen bisher folgende Aktivitäten durchgeführt worden: Mit den Kostenträgern ist ein Verfahren der Zuweisung in die Klinik abgestimmt und wird seit März 1997 praktiziert. In Zusammenarbeit mit dem AMD wurde ein standardisierter Kurzuntersuchungsbogen für die betriebliche Praxis entwickelt welcher ein spezifisches Befundscreening erlaubt und somit eine rechtzeitige Probandenauswahl ermöglicht. Das klinikeigene Personal wurde in den durch die Forschungsprojekte gewonnenen günstigen Arbeitstechniken geschult. Die technische Ausstattung wurde nach den Erkenntnissen der Forschungsprojekte umgerüstet. Mit den hauseigenen Physiotherapeuten wurde ein spezielles Behandlungskonzept entwickelt welches berufsspezifische Erfordernisse beinhaltet. Statt einer unspezifischen Rückenschule werden günstige Arbeitstechniken vermittelt. Stufe 3 befand sich zum Zeitpunkt der Tagung in Vorbereitung und wird ab ca. Oktober 1997 durchgeführt werden. Ausblick Durch die Einführung des dargestellten Konzeptes wird u.E. eine individuell deutlich verbesserte und spezifische Therapie erreicht. Dadurch ist eine nachhaltige Erhöhung des Rehaeffekts zu erhoffen. Als Nebeneffekt wird eine Reduktion der Fehlzeiten im Bereich der hauseigenen Reinigungskräfte durch günstigere Arbeitsbedingungen und Aufwertung der Tätigkeit erwartet. Es wurden seit März 1997 ca. 50 Reinigungskräfte nach dem dargestellten Konzept behandelt. Eine kontrollierte Evaluation steht noch aus. ___MH
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