H. S. Füeßl zur Etymologie des Wortes "Stent" Aus dunklen Ursprüngen zum Siegeszug |
Journal/Book: Münch. med. Wschr. 140 (1998) Nr. 16 S. 29. 1998;
Abstract: Prof. Dr. med. H. S. Füeßl Schriftleiter der MMW München Wer in der invasiven Kardiologie auf sich hält stentet heute Koronarien Gastroenterologen "stenten" den Gallengang Urologen die Harnröhre. Fast könnte man in verballhornter Descartes-Manier sagen: "Stento ergo sum!" was sachlich durchaus seine Berechtigung haben mag etymologisch aber völlig fehlginge weil das Wort Stent nicht lateinischen Ursprungs ist. Auch zu dem altgriechischen Helden Stentor aus der Ilias von dem Homer berichtet er habe eine Stimme so laut wie 50 Männer gehabt bestehen trotz der gleichen Anfangssilbe weder etymologische Beziehungen noch Analogien. War Schottland prägend...? Natürlich kommt das Wort wie fast alle prägenden Begriffe der Nachkriegszeit aus dem Englischen. Wer sich aber schon einmal über die Herkunft dieses Wortes gewundert hat und ein Englischlexikon zu Rate zieht der wird in der Regel enttäuscht. Selbst umfangreiche Werke führen diesen Begriff nicht auf. Man muß schon das autoritative Oxford English Dictionary konsultieren um dort zu erfahren daß unter "stent" merkwürdigerweise das vereinbarte Arbeitspensum für die Bewertung von Eigentum zum Zweck der Besteuerung verstanden wird. Hatten bei der Wortwahl etwa Krankenhausverwalter oder Finanzbeamte das Sagen? In der schottischen Variation des Wortes kommt der Begriff unserem Problem schon näher: to stent oder stynt bedeutet hier "sich ausdehnen" ..ausbreiten" in die richtige Lage bringen und beschreibt damit genau das was der medizinische Stent tun sollte. ... oder stand ein Zahnarzt Pate? Es bietet sich aber noch eine weitere Erklärungsmöglichkeit an. Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts verbesserte der Londoner Zahnarzt Charles Thomas Stent (1807-1885) die aus dem natürlich vorkommenden Guttapercha bestehende Abdruck- und Füllmasse durch den Zusatz von Stearin und Talkum eine Mischung die unter dem Namen Stent's Compound bekannt und von seinen beiden Söhnen kommerziell vertrieben wurde. Diese Masse fand auch in der Mund - Kiefer- und Gesichtschirurgie Verwendung und ist älteren Chirurgen im angelsächsischen Sprachraum wohl bekannt. Wie genau der Begriff Stent im heutigem Sinne Eingang in die Literatur fand läßt sich nicht mehr nachvollziehen. Eines der frühesten Beispiele stammt von ReMine u. Grindlay die 1954 in den Archives of Surgery eine Arbeit über die Rekonstruktion des Ductus choledochus beim Hund publizierten und einen Polyäthylenschlauch verwendeten: "to act as a stent for the anastomosis" [4]. 1972 taucht das Wort Stent im Titel einer urologischen Publikation auf [3].In der kardiovaskulären Medizin wird die Entwicklung der endoarteriellen Plastik Dotter et al. zugeschrieben wenngleich dieser Autor in den ersten Publikationen aus dem Jahr 1969 umständlich von einer "transluminal gelegten endarteriellen Schraubenfeder-Rohrplastik" spricht und das griffige Wort Stent erst 1983 benutzt [1 2]. ... ___MH
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