Dynamisiertes Sitzverhalten gesunder Probanden auf Sitzelementen unterschiedlicher Freiheitsgrade. |
Abstract: Aus der Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation der Universität München Vorstand: Prof. Dr. E. Senn Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München vorgelegt von Thomas Ehrmann aus München 1996 Zusammenfassung Zur Untersuchung des Sitzverhaltens saßen 24 Probanden für jeweils 45 Min. auf je drei verschiedenen Sitzelementen. Diese waren ein Hocker mit 5° nach vorne geneigter Sitzfläche ein Gymnastik-Ball (65ern ) und ein sog. Aktiv-Dynamisches Sitzelement (ADS). Letzteres ist ein gefederter Einbeinhocker der in jede Richtung beweglich ist und somit dem Gymnastik-Ball nahe kommt. Die Versuchspersonen versuchten auf allen drei Sitzelementen möglichst dynamisch d.h. mit viel Bewegung und wechselnder aber aufrechter Sitzhaltung zu sitzen. Während des Sitzens mußte ein 45-minütiges Beschäftigungsprogramm absolviert werden. Dieses bestand aus mehreren Reaktionstests Lesen einem Computerspiel und dem Ausfüllen eines Fragebogens. Während der gesamten Versuchsdauer wurde über drei am Rücken befestigte Winkelmessgeräte kontinuierlich die Sitzhaltung aufgezeichnet. Der erste Winkelgeber (WG) wurde zwischen die Schulterblätter (Th3-Th5) über die Wirbelsäule geklebt. Der zweite WG befand sich unterhalb der Schulterblätter (Th8-Th10) und der dritte WG wurde im Kreuzbein- Lendenwirbelbereich in die Vorwärtsneigung der Lendenlordose (L4-L5) plaziert. Die WG zeichneten kontinuierlich den Winkel ihres Wirbelsäulenabschnitts in der Sagittalebene relativ zur Senkrechten auf. Aus diesen Daten wurden die Bewegungsfrequenz die Bewegungsamplitude und die Sitzhaltung berechnet. Dabei wurden die einzelnen Phasen des Beschäftigungsprogramms die Art des Sitzmöbels und das Geschlecht getrennt betrachtet. Ergebnisse: a) Bewegungsverhalten: - Auf den beweglichen Sitzelementen Gymnastik-Ball und ADS bewegten sich alle Probanden während der ganzen 45 Minuten deutlich öfters (teilweise hochsignifikant) als auf dem festen Hocker. - Auch auf dem festen Hocker bewegten sich die Probanden jedoch mit wesentlich geringerer Frequenz. - Das Ausmaß der Bewegungen die Bewegungsamplitude war auf allen Sitzelementen annähernd gleich. - Während der aktiven Phase des Computerspiels wurden eine deutlich geringere Frequenz und Amplitude gemessen als während des sonstigen Programms. Es ist somit gut möglich ohne vorheriges Training 45 Min. lang aktiv-dynamisch zu sitzen wobei in Streßphasen das Bewegungsverhalten eingeschränkt ist. Die Dynamik während des Sitzens kann durch bewegliche Sitzelemente gefördert werden. b) Sitzhaltung: - In der Sitzhaltung fand sich ein deutlicher und signifikanter Unterschied zwischen den weiblichen und männlichen Probanden. Die Frauen saßen immer mit stärker nach vorne gekipptem Becken als die Männer und zeigten fast immer eine Lendenlordose. Der männliche Rücken bildete während des gesamten Beschäftigungsprogramms eine Totalkyphose. - Die Sitzhaltung wich während des Beschäftigungsprogramms immer deutlich von der bewußt aufrechten Haltung ab. - Die Haltung während des 1. Reaktionstests unterscheidet sich nicht von der während des 2. Reaktionstests; es ist kein Haltungsverfall erkennbar. - Auf dem ADS wurde das Becken mehr aufgerichtet als auf dem Hocker und auf dem Ball. Ursache könnte mangelndes Training sein weil Sitzen mit gekipptem Becken auf dem ADS mehr Muskelaktivität erfordert als auf dem Ball. (zur Erklärung siehe S.92) c) Subjektives Sitzempfinden: - Das Sitzen auf den beweglichen Sitzelementen wurde im Vergleich zum festen Locker als angenehmer bewertet. - Die Beweglichkeit wurde bei der Konzentration bzw. Durchführung der Tests nicht als störend empfunden. d) Reaktionszeiten: - Die Reaktionszeiten während der Reaktionstests und des Vigilanztests waren auf allen drei Sitzelementen annähernd gleich. Man darf demnach annehmen daß die Aufmerksamkeit auf den beweglichen Sitzelementen zumindest nicht beeinträchtigt wird. Abschließend kann gesagt werden daß die zusätzlichen Bewegungs-Freiheitsgrade von Ball und ADS von den Probanden während der gesamten Versuchszeit auch tatsächlich im Sinne eines dynamischen Sitzens genützt wurden ohne daß Haltung oder Aufmerksamkeit darunter litten. Zwischen ADS und Gymnastik-Ball waren diesbezüglich nur geringe Unterschiede festzustellen: Zwar bietet der Ball offensichtlich geringe Vorteile bzgl. Haltung (S.92); andererseits war die Akzeptanz des ADS als zusätzlicher Bürostuhl tendenziell höher da ein Ball im Büro sehr auffällig ist. ___MH
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