Lebensfreude und chronisches Leiden - Zur Bedeutung der Kur für die Lebensqualität |
Journal/Book: Heilbad & Kurort 47 (1995) 7 S.204-206. 1995;
Abstract: Professor Dr. Dr. Joseph Schmucker-von Koch Regensburg Im Jahre 1037 fand im islamischen Basra ein Symposion arabischer Philosophen und Ärzte statt über das Thema: "Ist die Medizin eine hinlängliche Kunst und worin besteht die vortreffliche Eigenschaft des Arztes?" Aus der dort aufkommenden Diskussion heraus entwickelte der Arzt Ibn Bachtishu (gestorben 1058) eine komplette Philosophie der Medizin die in dem Satz gipfelt: "Der Mensch ist der Gegenstand der Heilkunde." Was zunächst so einfach und selbstverständlich und für heutige Ohren geradezu unerheblich klingt ist es bei näherem Zusehen aber gerade nicht: Mit der zentralen Aussage: "Der Mensch ist der Gegenstand der Heilkunde" ist nämlich der ganze Mensch gemeint nicht irgendeine spezielle Schicht oder ein Sektor des Menschseins bloß sondern der ganze Mensch in der vollen Harmonie von Leib und Seele. Gerade an den Krankheiten so Ibn Bachtishu ließe sich zeigen daß der Mensch als ein Ganzes nicht auf verschiedene Disziplinen aufzuteilen sei weshalb auch jede Therapie den Körper wie auch das Seelische zu berücksichtigen habe. Im abendländischen Kulturraum finden sich früh schon ebenfalls zahlreiche Belege einer solchen umfassenden Bestimmung der Medizin. Stellvertretend sei hier aus dem hohen Mittelalter der katalanische Arzt Arnald von Villanova erwähnt der die Medizin eine lebensnotwendige Kunst nannte geschaffen zur Erhaltung der Gesundheit wie zum Schutze des Menschenlebens. Als vorrangig galt ihm nicht nur die Erhaltung der Gesundheit sondern auch ihre qualitative Förderung die Vervollkommnung des Lebens ein "beneficium sanationis" das der körperlichen wie der geistigen Bedürftigkeit des hinfälligen Menschen in gleicher Weise zugutekomme. Solche Einsichten wie sie uns sowohl aus der ärztlich-islamischen Tradition überliefert sind wie auch in einem grandiosen Kulturaustausch die abendländische Tradition des Arzttums vielfältig geprägt haben sind heute von ganz neuer ungeahnter Aktualität. Die heutige moderne Medizin befindet sich bekanntlich in einem dramatischen Wandel. Er hat sehr wesentlich zu tun mit einer epochalen Veränderung des Krankheitspanoramas. Wir sind Zeugen eines dramatischen Panoramawandels von den akuten Krankheiten die wir beherrschen zu den chronischen Leiden die eher uns beherrschen. Diese Entwicklung wird uns nicht nur mit einer völlig neuen Struktur des Krankengutes konfrontieren sondern entsprechend auch eine neue Theorie der Medizin - eine neue Ätiologie neue Therapien und eine völlig neue Form primärer Prävention - erforderlich machen. Was das Krankengut betrifft so haben wir es zunehmend mit Chronisch-Kranken zu tun: mit Langzeitpatienten die 30 40 Jahre am gleichen Leiden laborieren mit Mehrfach-Geschädigten die mehrere Gebrechen zugleich zu verkraften haben mit Überlebens-Patienten gerade durch die Erfolge operativer Techniken mit Vielfach-Leidenden deren längeres Altern potenziertes Leiden weiterschleppt. Hinzu kommt daß bei den chronischen Krankheiten die Situation hinsichtlich der Erforschung ihrer Entstehung weit ungünstiger ist als bei den akuten Erkrankungen. Hier sind nicht nur die "Versuchsbedingungen" sehr variabel sondern es gibt auch oftmals keine klar einsehbaren Krankheitsursachen. . . .
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