Begriffsbestimmung: Sterbehilfe Sterbebeihilfe Euthanasie unterlassene Hilfeleistung fahrlässige Tötung - aus ärztlicher Sicht - |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 87 (1993/Heft 1) 19-21. 1993;
Abstract: Prof. Dr. med. Dr. phil. R. Winau Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin Freie Universität Berlin Die Vielzahl der im Umfeld des menschlichen Sterbens benutzten Begriffe haben nicht unbedingt zu einer Klärung der Sache beigetragen. Ihre Inhalte sind zum Teil deckungsgleich zum Teil überschneiden sie sich. Wer einen der Begriffe verwendet tut gut mitzuteilen was er darunter versteht. Dabei sind die Vorstellungen von Ärzten und Juristen nur zum Teil identisch zum Teil weichen sie nicht unerheblich voneinander ab. Notwendig wäre eine Abstimmung untereinander so daß nicht wie auch hier zu Beginn jedes Gespräches eine Begriffsklärung stattfinden muß. Meine Hoffnung daß eine solche Einigung stattfinden wird ist indes nur gering dennoch will ich versuchen auf der Basis der von Herrn Wassermann vorgelegten Definitionen einen Konsens zu erzielen. Euthanasie Wer heute die Literatur auf das Verständnis des Begriffes Euthanasie hin betrachtet der sieht sich einer verwirrenden Vielfalt gegenüber. Da werden auf der einen Seite die Vernichtungsaktionen des Dritten Reiches als Euthanasie bezeichnet der Begriff grundsätzlich als unethisch qualifiziert und abgelehnt da wird andererseits unter Euthanasie ausschließlich die ärztliche Hilfe beim Sterben begriffen da werden Zwischenpositionen eingenommen von aktiver und passiver Euthanasie wird gesprochen von reiner Euthanasie von Euthanasie im engeren und weiteren Sinne. Wegen seiner Uneindeutigkeit vermeidet man den Begriff man umschreibt ihn mit dem deutschen Wort Sterbehilfe. Der Begriff Euthanasie ist lange Zeit ein Begriff der Philosophie nicht der Medizin. Zum medizinischen Begriff wurde er erst im 18. Jahrhundert. Eine Dissertation von Zacharias Philipp Schulz mit dem Thema "De Euthanasia medica - vom leichten Tod Halle - Magdeburg" erschien 1735. Ihr steht eine zweite von Karl Christian Henning ebenfalls bei Alberti im gleichen Jahr gefertigt gegenüber "De Dysthanasia medica - vom schweren Tod". Beide Arbeiten beschäftigen sich mit den aufgeworfenen Problemen rein theoretisch ihr Ziel ist es den leichten und den schweren Tod wissenschaftlich voneinander zu unterscheiden. Nachdem Schulz ausführlich die Zeichen eines leichten Todes beschrieben hat rät er den Ärzten bei Beobachtung solcher Zeichen den Patienten sterben zu lassen ihm keine erregenden Medikamente zu verabreichen die unter Umständen das Sterben erschweren könnten. Auf keinen Fall aber dürften die Ärzte das Ende durch die Gabe von Medikamenten zu beschleunigen suchen. Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts taucht der Begriff Euthanasie dann wieder in der medizinischen Literatur auf. Nikolaus Paradys in Leiden spricht in einer Rede von Euthanasia naturalis und begreift darunter die Kunst den "Tod so leicht so erträglich wie möglich zu machen". Johann Christian Reil widmet in seinem "Entwurf einer allgemeinen Therapie" ein ganzes Kapitel der "Euthanasia den Hülfen erträglich zu sterben". Beide Autoren machen die Euthanasie die Kunst das Sterben leichter zu machen zur ärztlichen Aufgabe und regen eine ausgedehnte Literatur an. Zwischen 1820 und 1850 erschienen allein 13 Schriften die den Titel "De Euthanasia" oder "De Euthanasia Medica" führen. Euthanasie bedeutet in all diesen Schriften Hilfe beim Sterben Sterbebegleitung. Als deutsche Übersetzung wird dafür häufiger der Ausdruck Todeslinderung vor allen Dingen in Konversationslexika gebraucht sonst werden Definitionen benutzt von denen die von Friedrich Puchelt besonders typisch ist: "Euthanasie ist das Verfahren des Arztes am Sterbebett alle Möglichkeiten der Erleichterung zu schaffen". Eines ist allen Schriften gemein: stets wird betont daß alle ärztlichen Mittel niemals zur Verkürzung des Lebens führen dürfen. Bestehe diese Gefahr dann müßten selbst erleichternde Mittel abgesetzt werden. Auf der anderen Seite dürfe das qualvolle Leben des Patienten auch nicht unnötig verlängert werden. Selbst wenn der Patient die Beendigung seiner Leiden wünsche dürfe der Arzt diesem Wunsche nicht nachgeben und lebensverkürzende Maßnahmen treffen. Diskutiert wird auch die Frage einer Operation in der letzten Lebensphase und übereinstimmend ist man der Ansicht daß eine solche nur dann indiziert sei wenn begründete Hoffnung auf Heilung bestehe und daß dies in fast allen Fällen auszuschließen sei. Durch die Entwicklung die in meinem ersten Referat geschildert ist hat der Begriff in Deutschland eine so vollständige Perversion erfahren daß er heute nicht mehr angewendet werden sollte. Zu viele Menschen verbinden mit ihm nur die Morde der Nazizeit. Studenten eines Seminars haben einmal spontan vor einer Seminarsitzung Passanten befragt was ihnen zu dem Begriff Euthanasie einfalle. Weit mehr als die Hälfte assoziierten die Tötung der Geisteskranken in der Nazizeit. Sicher diese Befragung war nicht repräsentativ aber ihr Ergebnis sollte uns doch zu denken geben. Auch die Erklärung der schweizerischen Akademie verzichtet deshalb auf den Gebrauch dieses Begriffes. Sterbehilfe Der Begriff Sterbehilfe wie ihn auch die Schweizer Erklärung gebraucht beinhaltet nur einen Teil des alten Euthanasiebegriffs. ... Stö_
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