Hospizbewegung |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 87 (1993/Heft 1) 83-85. 1993;
Abstract: Dr. med. Sieglinde Schmidt Chefärztin der II. Medizinischen Abteilung im Krankenhaus Neuwittelsbach München Am Heiligen Abend starb auf meiner Station eine junge Frau Mutter von 5 Kindern. Als Frau eines Pfarrers hatte sie etwas über Hospiz gehört und wünschte sich bewußt und geborgen sterben zu dürfen. Die Krebserkrankung war erst im Herbst letzten Jahres diagnostiziert worden; nicht mehr heilbar. Wegen einer Gelbsucht durch Metastasen bedingt wurde eine Ableitung der Galle nach außen in einen Beutel geführt Schläuche behinderten die Beweglichkeit der Patientin die Ernährung erfolgte über Infusionen und schmerzhafte Punktionen des Bauchwassers waren jeden zweiten Tag notwendig. Durch Vermittlung kam diese Frau in unser Krankenhaus in eine internistische Klinik. Ihre Enttäuschung war groß: "Am liebsten würde ich nach Hause gehen" sagte sie aber ich kann nicht. Das ist ja eine Klinik, wie jede andere ... die weißen Wände - und ich habe gedacht, dies sei ein Hospiz. Sie werden jetzt wieder Untersuchungen machen, mein qualvolles Leben wird dadurch verlängert werden. Wo soll ich hin mit meiner Angst? Meine Freunde können hier nicht sein, und ich brauche dieses Netz von Beziehungen. Die Ärzte werden mich wieder jeden Morgen stechen und mir Blut abnehmen, und sie werden mir die Ergebnisse sagen, und es wird mir nichts helfen ... ich bin verzweifelt. Aus jahrelanger Erfahrung heraus konnten wir (meine Assistenten und das Pflegepersonal) gelassen und ohne persönliche Verletzung die Vorwürfe nehmen als das was sie waren: Schreie aus tiefer Not. Wir konnten der Kranken vermitteln daß wir sie verstehen und wir konnten sie bitten sich selbst und uns ein wenig Zeit zu geben uns kennenzulernen um dann vielleicht doch noch einen guten Weg zu finden für diese ihre letzte Lebensphase. Außerhalb des Krankenzimmers haben wir Ärzte und Pflegende über unsere eigenen Befürchtungen gesprochen und über die Belastungen die wir vielleicht gar nicht leisten können. Es war uns zunächst nicht wohl zumute spürten wir doch den besonderen Anspruch den diese bewußt sterbende junge Frau an sich selbst hatte an ihre Familie an ihre Freunde aber auch an uns Ärzte und das Pflegepersonal. Abwehr und Aggression waren deutlich zu spüren. ... Stö_
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