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December 2024

Ethische Aspekte der Sterbehilfe - aus ärztlicher Sicht -

Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 87 (1993/Heft 1) 68-70. 1993;

Abstract: Professor Dr. med. Ruth Mattheis Senatsdirigentin i.R. Berlin Ich sage Ihnen gleich am Beginn meines kurzen Beitrags was Sie von mir nicht erwarten dürfen: Ich werde Ihnen keine medizinethischen Theorien bieten - ein Diskussionsredner stellte gestern in Frage daß es überhaupt eine spezielle Medizinethik gibt - sondern werde Ihnen sehr schlicht vortragen welche Gedanken mich als jemand der sich um das Verständnis ethischer Grundlagen ärztlichen Handelns bemüht bei dem Thema Sterbehilfe beschäftigen. Dabei wird es angesichts des Vielen was gestern und heute bereits gesagt worden ist nicht immer ohne Wiederholungen abgehen. Warum hat das Thema "Sterben" haben Fragen der Sterbehilfe in den letzten Jahren eine so unübersehbare Aktualität erlangt? Sicherlich liegt ein wesentlicher Grund darin daß es durch den Fortschritt der Medizin heute tagtäglich zu Situationen kommt die es in dieser Form in dieser Ausprägung oder zumindest in dieser Größenordnung noch vor 20 oder 30 Jahren nicht gegeben hat. Da liegt ein 16jähriges Mädchen nach einem Reitunfall seit 3 Jahren im Coma wird künstlich ernährt. Die Eltern besuchen es täglich haben aber die Hoffnung längst aufgegeben daß ihr Kind jemals wieder ein auch nur begrenzt selbständiges Leben führen könnte. In vielen Pflegeheimen steht eine unzureichende Zahl von Pflegekräften einer wachsenden Zahl dementer oft auch körperlich schwerstpflegebedürftiger alter Menschen gegenüber weitgehend allein gelassen mit den Folgen einer sich täglich wiederholenden Überbelastung. Zur gleichen Zeit in der Tausende von Schwangerschaften willkürlich beendet werden liegen auf den neonatologischen Abteilungen die Früh- und Mangelgeburten mit einem Geburtsgewicht von 700 g werden künstlich beatmet und mit allen verfügbaren apparativen Hilfen am Leben gehalten ohne daß eine zuverlässige Aussage möglich ist ob sie wenn die kritische Phase überstanden ist ein normales gesundes Leben führen oder mehr oder minder schwer behindert sein werden. Und täglich fast erreichen uns Nachrichten vom Hungertod von Menschen darunter vielen Kindern. Sicherlich hat es ein Nebeneinander in der Welt von jeher gegeben nur wird es uns stärker bewußt weil die Medien uns die entsprechenden Informationen täglich und stündlich ins Haus tragen. In einer solchen Welt der Widersprüche Handlungsstrategien zu entwickeln ist nicht leicht und wird zusätzlich dadurch erschwert daß die Gesellschaft in der wir leben keine einheitliche allgemeingültige Werteordnung kennt. Viele Menschen fühlen sich z. B. nicht mehr durch früher geltende religiöse Regeln gebunden. Auch die Bereitschaft zu leiden die in früheren Jahrhunderten ja durchaus vorhanden war ist kaum noch gegeben eine für unsere Überlegungen sehr wichtige Feststellung. In dieser so unübersichtlichen Situation bedeutet es für den Arzt eine entscheidende Hilfe daß ein ethisches Grundprinzip für ihn Jahrtausende hindurch unverändert Gültigkeit behalten hat: Er soll dem Patienten nutzen darf ihm auf keinen Fall schaden. Wie wird er dieser so einfach klingenden Regel gerecht wenn er einen sterbenskranken Patienten - und um solche geht es bei unseren gemeinsamen Überlegungen - betreut? Hierzu ein Beispiel: Ich erhielt vor einiger Zeit die Nachricht daß man bei einem nahen Verwandten von mir einem 60jährigen Mann der in Australien lebte einen tennisballgroßen malignen Hirntumor als Ursache eines erstmalig aufgetretenen Krampfanfalles diagnostiziert hatte. Der behandelnde Krankenhausarzt beantwortete meine am Telefon gestellte Frage nach dem Primärtumor in großer Ruhe: "Frau Kollegin wir rechnen mit einer Überlebenschance von nur wenigen Monaten und wollen dem Patienten keine eingreifende Diagnostik zumuten". Der Patient wurde bald entlassen und starb vom Hausarzt unter optimaler Schmerztherapie vorbildlich betreut 3 Monate später bei seiner Familie. Obwohl die meisten von uns sagen werden: "So ist es richtig" bezweifle ich ob man in allen unseren Krankenhäusern ebenso gehandelt hätte. Von dem Strafrechtler Geilen stammt das Zitat: "Nicht alles was medizinisch machbar ist ist standes-ethisch erlaubt geschweige denn juristisch erforderlich".... Stö_


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