Testierfähigkeit - aus ärztlicher Sicht - |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 86 (1992) 808-810. 1992;
Abstract: Universitätsprofessor Dr. med. Werner Mende Arzt für Neurologie und Psychiatrie München Der Begriff "Testierfähigkeit" wird im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ebenso wie die Geschäftsunfähigkeit nicht positiv umschrieben. Vielmehr wurden im bereits zitierten § 2229 in Nr. 4 die Ausnahmefälle von Testierunfähigkeit genannt und zwar ausschließlich aufgrund von psychischen Störungen. Die unterschiedlich gewählten Termini ("krankhafte Störung der Geistestätigkeit" Geistesschwäche Bewußtseinsstörung ) wirken auf einen Nicht-Juristen zunächst einmal verwirrend. Eine terminologische Bereinigung wäre wünschenswert. Der ärztliche Sachverständige - zumeist wird es ein Psychiater sein - braucht heute nicht mehr wie das in früheren Jahrzehnten noch der Fall war sich den Kopf darüber zu zerbrechen welche Psychopathologie der Gesetzgeber seinerzeit wohl mit den genannten Termini gemeint haben mag. Vielmehr kann heute als Richtschnur gelten daß prinzipiell alle Arten von psychischen Störungen zur Testierunfähigkeit führen können wie endogene und körperlich begründbare Psychosen Schwachsinnszustände hirnorganisch bedingte Dementierungsprozesse erlebnisreaktive oder neurotische Störungen und abnorme Persönlichkeitsverfassungen. Es kommt ausschließlich auf das Ausmaß dieser genannten Psychosyndrome an. Sie müssen so ausgeprägt sein daß der Testator zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht mehr in der Lage war die Bedeutung der darin enthaltenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. In der Rechtsprechung wird bis in die jüngste Zeit hinein darauf beharrt daß der Erblasser als testierfähig zu gelten hat solange Testierunfähigkeit bei ihm nicht zur vollen Gewißheit des Gerichts feststeht. Der psychiatrische Sachverständige hat bei der zumeist retrospektiven Beurteilung der Testierfähigkeit zahlreiche Unsicherheitsfaktoren zu bedenken. Die Aussagen von Zeugen über den psychischen Zustand und das Verhalten des Testators zur Zeit der Testamentserrichtung weichen vielfach stark voneinander ab was manchmal mit einer ganz konkreten Interessengebundenheit zusammenhängen kann. Aber selbst Bekundungen von Notaren welche die Testierfähigkeit bestätigt haben erweisen sich zuweilen als unsicher da nicht auf konkreten Feststellungen beruhend sondern einen allgemeinen Eindruck vom Testator wiedergebend der vielleicht durch eine gut komponierte äußere Fassade seine kognitiven und voluntativen Defizite überdecken konnte. Erfahrungsgemäß wird die Testierfähigkeit am häufigsten bei Personen im vorgerückten Lebensalter in Frage gestellt. ... wt
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