Die Bedeutung der Biosemiotik für die Medizin

Journal/Book: MMW-Fortschr. Med. - Nr. 41/ 1991; S. 601/ 31 - 602/ 32; (133 Jg.). 1991;

Abstract: Prof. Dr. med. Th. v. Uexküll Freiburg Über Jahrtausende war der "Indizien-Beweis" das Paradigma der Medizin. Das Symptom (Semeion) war ein Zeichen (Indiz) das dem kundigen Arzt die Krankheit (als das "Bezeichnete") enthüllte. Medizin war eine Wissenschaft der Zeichen und ihrer Bedeutung im Lebensgeschehen d. h. sie war Biosemiotik. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte der Physiologe Johannes Müller (1801-1856) daraus ein (heute wieder hochinteressantes) Konzept entwickelt nach dem lebende Körper auf Einwirkungen physikalischer oder chemischer Vorgänge nicht mechanisch reagieren sondern auf Zeichen antworten. Ihre Rezeptoren haben aufgrund ihrer "spezifischen (optischen akustischen usw.) Sinnesenergie" die Fähigkeit alle physischen Veränderungen zu Zeichen zu codieren die den Körper über die Bedeutung seiner Umgebung für seine biologischen Bedürfnisse informieren und dadurch sein Verhalten sinnvoll zu leiten. Mechanistischer Ansatz des 19. Jahrhunderts Im Zuge des Entstehens der Industrie-Kultur kam es Beginn des 19. Jahrhunderts zu einer "wissenschaftlichen Revolution" (Th. Kuhn): Das Paradigma des Zeichens wurde durch das Paradigma des "Mechanismus" abgelöst. Die Schüler Johannes Müller's zu denen außer Ernst von Brücke Herrmann von Helmholtz Rudolf Virchow und Carl Ludwig fast alle bekannten Ärzte und Physiologen des 19. Jahrhunderts in Deutschland gehörten bekämpften die Lehre ihres Meisters als "Vitalismus" und begründeten die "naturwissenschaftliche Medizin" indem sie die klassische Mechanik Newton's zur Grundlage ihrer Theorien machten. Dubois-Reymond schrieb 1840: "Brücke und ich wir haben uns verschworen die Wahrheit geltend zu machen daß im Organismus keine anderen Kräfte wirksam sind als die gemeinen physikalisch-chemischen." Diese Forderung wurde seitdem zum Dogma der Medizin. Die konsequente Erforschung der physikalisch-chemischen Vorgänge im Körper führte zu einem nie gekannten Aufschwung der allerdings mit einem nicht mehr lösbaren Leib-Seele-Problem und dem Dualismus einer biotechnischen Medizin für seelenlose Körper und einer psychologischen Medizin für körperlose Seelen bezahlt werden mußte. Hinter diesem Dualismus steht die Tatsache daß Freud mit der Psychoanalyse das verfemte und inzwischen weitgehend vergessene Paradigma des Indizienbeweises wiederentdeckt und für die Psychologie fruchtbar gemacht hatte. ... ab

Keyword(s): F1 L1 Kommunikation(s-theorie) Biosemiotik

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