Nootropikum Rheologikum oder PAF-Antagonist? Therapeutische Klassifizierung von Ginkgo-biloba-Extrakt |
Journal/Book: MMW-Fortschr. Med. - S.-heft 1991; S. S3 - S4; (133 Jg.). 1991;
Abstract: Prof. Dr. med. A. Hartmann Neurologische Universitätsklinik und Poliklinik Bonn Vorwort Ginkgo-Spezialextrakte stehen in der Bundesrepublik Deutschland an achter Stelle der Verordnungshäufigkeit und an erster Stelle der Umsatzzahlen aller Arzneimittel. Das wesentliche Anwendungsgebiet sind Hirnleistungs- und Befindensstörungen bei Patienten mit hirnorganischem Psychosyndrom (HOPS). Geht man von ihrer Wirksamkeit in dieser Indikation aus - sechs aktuelle Doppelblindstudien nachfolgend in diesem Heft berichtet sprechen dafür - so interessiert auch die Frage wo diese Arzneimittel therapeutisch einzuordnen sind. Der Herkunft nach ist der Ginkgo-biloba-Extrakt eine komplex zusammengesetzte pflanzliche Arznei und zählt nach dem Arzneimittelgesetz von 1976 zur phytotherapeutischen Therapierichtung. Die Klassifizierung nach dem Wirkmechanismus ist weniger eindeutig. Die Ergebnisse der nachfolgenden Originalia-Arbeiten würden zum Beispiel die Einordnung als "Nootropikum" Rheologikum oder "PAF-Antagonist" erlauben. Nootropika sind in wörtlicher Übersetzung Arzneistoffe die auf den Verstand wirken (noos = Verstand tropein = wenden richten). Unter den chemisch definierten Zerebraltherapeutika werden vor allem Codergocrin Piracetam und Pyritinol zu dieser Gruppe gezählt. Codergocrin ist ein Gemisch aus vier hydrierten Mutterkornalkaloiden. Bei ischämischen Zuständen des Gehirns fördert Codergocrin im Tierversuch den zerebralen Energiestoffwechsel. Außerdem blockiert es bestimmte Alpha-Rezeptoren im autonomen Nervensystem. Unter den chemisch definierten Präparaten dieser Gruppe ist die Wirksamkeit von Codergocrin am längsten bekannt. Dennoch wurde lange Zeit Piracetam als Prototyp der Nootropika angesehen. Im experimentellen Modell verbessert Piracetam die Hypoxietoleranz und den Energiestoffwechsel bei Sauerstoffmangelzuständen im Gehirn. Ähnliche Wirkungen wurden für Pyritinol und Ginkgo-biloba-Extrakte nachgewiesen. Als weitere Gemeinsamkeit sollen die Nootropika die neuronale Membranfluidität erhöhen und im Gefolge davon die Wiederherstellung der im Alter verminderten post- und präsynaptischen Rezeptorendichte bewirken. Einer Reihe von Arzneistoffen mit gefäßerweiternden Eigenschaften wurden in den vergangenen Jahren ebenfalls positive Wirkungen bei Patienten mit HOPS zugeschrieben. Solche zumindest partiellen "Vasodilatatoren" sind zum Beispiel Nicergolin Vincamin und Xantinolnicotinat sowie die lipophilen Kalziumantagonisten Flunaricin und Nimodipin. Für diese Präparate lassen sich im Experiment durchblutungsfördernde Wirkungen nachweisen ähnlich denen wie sie nachfolgend in den Originalia-Beiträgen von Jung et al. Koza et al. und von Ernst für den Ginkgo-biloba-Spezialextrakt berichtet werden. ... ab
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