Umfrage: Auffassungen zur Aufklärung von Krebskranken |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 85 (1991/Heft 13) 615-620. 1991;
Abstract: Sonderdruckanforderungen: Redaktion "Zeitschrift für ärztliche Fortbildung" Klinik für Innere Medizin (Charité) Berlin Vorbemerkung von Hans Berndt: Von Hausärzten wird oft beklagt daß ihnen die terminale Betreuung von Krebskranken auch deshalb Schwierigkeiten bereite weil die Patienten nicht über ihr Leiden aufgeklärt wurden. Das trifft offenbar besonders auf solche Patienten zu die primär operativ behandelt wurden. So wurde einem Patienten mit einem Magenkrebs der sich bei der Laparotomie als inoperabel erwies nach einer komplikationslos geheilten Umgehungsanastomose vom Chirurgen gesagt es habe sich um ein Magengeschwür gehandelt das den Magenausgang verschloß. Nun sei alles in Ordnung. Den Familienangehörigen hat man aber gesagt worum es sich handelte. Diese waren natürlich sehr bedrückt und hatten große Probleme dem optimistisch gestimmten Kranken scheinbar ebenso positiv zu begegnen. Als wieder Beschwerden auftraten nahm der Patient zunächst an es wäre eine ungewöhnliche Komplikation eingetreten - er kannte mehrere Kollegen die erfolgreich wegen eines Geschwürs operiert worden waren. Vom Chirurgen wurde ihm jedoch bedeutet er sei nun nicht mehr zuständig eine Verständigung des Hausarztes erfolgte nicht. Dieser steht nun vor der Frage was er dem Kranken dem es zusehend schlechter geht sagen soll ohne zugleich die Auskunft des Operateurs als Lüge zu qualifizieren. Dies ist offenbar kein extrem seltener Einzelfall der Anlaß gibt zur Anfrage an Experten verschiedener Disziplinen wie sie es mit der Aufklärung von Krebskranken halten wobei sicher zu differenzieren ist zwischen solchen mit guter Prognose und anderen in einem inkurablen Stadium. An der Umfrage haben sich folgende Kollegen beteiligt: 1. Professor Dr. A. Gläser Klinik und Poliklinik für Chirurgie der Martin-Luther-Universität Halle - Wittenberg 2. Professor Dr. H. Röding Bezirkskrankenhaus Potsdam 3. Doz. Dr. K. Günther Chirurgische Klinik des Oskar-Ziethen-Krankenhauses Berlin 4. Frau Professor Dr. A. Weißbach-Rieger Klinik und Poliklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Humboldt-Universität zu Berlin 5. Professor Dr. D. Kob Klinik und Poliklinik für Radiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena 6. Chefarzt Dr. H. Palowski Innere Abteilung des St.-Hedwig-Krankenhauses Berlin 7. Prof. Dr. Dr. St. Tanneberger Berlin 8. Bezirksgutachter Dr. E. Günther Bezirksstelle für Ärztliche Begutachtung Halle Albrecht Gläser Die Antwort auf die Frage nach dem Umfang der Aufklärung eines Krebspatienten im allgemeinen und über das Stadium der Erkrankung und damit die individuelle Prognose liegt sicher in der Mitte zwischen zwei extremen Möglichkeiten: Einmal um bei dem Beispiel Ihrer Umfrage zu bleiben den Inkurablen zu belügen und hoffnungsfroh zu stimmen was bald zur Katastrophe führt und zum anderen die exakte Aufklärung über das Stadium der Erkrankung mit der entsprechenden statistisch begründeten Lebenserwartung - also im genannten Beispiel völliger Inkurabilität und nach kurzer vorübergehender das Verhungern vermeidender Besserung ein baldiges Ende dessen Qualen nur durch stärkere Schmerzmittel gemildert werden können. Das konsequente Belügen des Patienten ist sicher ebensowenig mit ärztlichem Handeln vereinbar wie die klare wissenschaftlich begründete Aufklärung. Die Reaktion des Patienten auf die Gewißheit an Krebs erkrankt zu sein hängt von seiner Persönlichkeit von familiären sozialen und religiösen Bindungen ab. Wir klären die Patienten über die Diagnose auf; ob dabei das Wort Krebs fällt oder Umschreibungen angebracht sind wie nicht mehr gutartiger Tumor u. a. sollte im Einzelfall entschieden werden. Unbedingt sollte aber je nach Stadium der Erkrankung die Hoffnung auf Heilung bzw. eine allmähliche Besserung vielleicht mit evtl. zu erwartenden Rückschlägen erhalten bleiben. Der Chirurg braucht für oft in die Integrität des Organismus eingreifende Operationen ebenso wie der medizinische Onkologe für eine aggressive Chemotherapie die auf Hoffnung sich gründende aktive Mitarbeit des Patienten. Neben der Linderung der Schmerzen verdrängt die Fortführung einer symptomatischen Therapie die völlige Aussichtslosigkeit beim inkurablen Kranken der selten nach seinem Ende fragt. Wird diese Frage gestellt weicht der Arzt ihr nicht aus. Er sollte seinen Patienten kennen und wird die den individuellen Verhältnissen angepaßte Antwort finden. Fassen wir zusammen: Der Patient erfährt die Diagnose Krebs im Konsensus einer interdisziplinären Therapie. Es besteht aber ein viel größerer Ermessensspielraum als z. B. bei der Aufklärung über Risiken therapeutischer Eingriffe im allgemeinen. Die Aufklärung schließt stets die Aussicht auf Hoffnung ein die je nach ... Stö_
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