Psychiatrie für die Praxis Soziales Netzwerk und psychische Krankheit |
Journal/Book: MMW-Fortschr. Med. - Nr. 11/ 1991; S. 157/ 41 - 158/ 42; (133 Jg.). 1991;
Abstract: Prof. Dr. med. M. C. Angermeyer Abteilung für Psychiatrische Soziologie im Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim Es ist nunmehr 15 Jahre her daß das Konzept des sozialen Netzwerks erstmals von den Sozialwissenschaften in die Psychiatrie importiert wurde [8]. Versucht man die Herkunft des Netzwerk-Ansatzes zu rekonstruieren so stößt man auf drei Quellen: die soziologische Forschungsrichtung die auf Simmel [7] zurückgeht (der selbst schon von der "Geometrie sozialer Beziehungen" sprach) Untersuchungen von Kommunikationsnetzwerken in der experimentellen Sozialpsychologie und schließlich - dies ist zweifellos die bedeutendste Quelle - Arbeiten britischer Sozialanthropologen [4]. Ein Vertreter dieser Schule Barnes war es auch der 1954 den Begriff "soziales Netzwerk" prägte [2]. Netzwerk-"Boom" In der Zwischenzeit hat sich das Netzwerk-Konzept in der Forschung innerhalb der psychosozial orientierten Subdisziplinen der Medizin durchgesetzt. Ohne Übertreibung kann man zur Zeit von einem regelrechten Netzwerk-"Boom" sprechen [1]. Insbesondere sozialepidemiologische Studien zur Entstehung oder zum Verlauf von Krankheit welcher Art auch immer glauben auf Netzwerk-Variablen nicht mehr verzichten zu können (und sei es auch nur um - wie Wellman [9] ketzerisch anmerkt - nach Art eines Rennwagen-Kompressors die erklärte Varianz zu steigern). Das gesamte Spektrum psychischer Störungen wurde inzwischen aus der Netzwerk-Perspektive studiert. Empirisch am besten belegt sein dürfte zur Zeit die Bedeutung der sozialen Unterstützung - einer speziellen Domäne des Netzwerk-Ansatzes - für die Genese depressiver Syndrome (vgl. dazu den Beitrag von Veiel s. S. 163/53). Galt das Forschungsinteresse bislang in erster Linie psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter so lassen sich aber auch Beispiele für Netzwerk-Untersuchungen im Bereich der Gerontopsychiatrie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie finden (s. Beitrag von Blanz S. 170/64). Aber auch außerhalb der Psychiatrie entwickelte sich eine rege Forschungstätigkeit. Furore machten hier vor allem Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen dem Ausmaß und der Qualität sozialer Beziehungen und der Lebenserwartung. In insgesamt sechs großangelegten prospektiven epidemiologischen Studien konnte überzeugend demonstriert werden daß selbst bei Kontrolle anderer Gesundheitsrisiken das Mortalitätsrisiko bei Personen mit einem defizienten Netzwerk deutlich erhöht ist. ... ab
Keyword(s): F3 - I1 N2 psychische Erkrankung - soziales Netzwerk
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