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November 2024

Übersehene Originalität in der Nierenphysiologie

Journal/Book: MMW - Nr. 26/ 1990; S. 429/ 45 - 430/ 46; (132. Jg.). 1990;

Abstract: Prof. Dr. med. Dr. h. c. K. Thurau Physiologisches Institut der Universität München In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entbrannte unter den Physiologen ein Streit über die Funktionsprinzipien der Niere. 1842 hatte nämlich der Marburger Physiologe Carl Ludwig in seiner Habilitationsschrift die Auffassung vertreten die Funktionsprinzipien der Niere würden ausschließlich auf physiko-chemischen Reaktionsgesetzen beruhen deren Gültigkeit er bereits mit Experimenten an tierischen Häuten belegt hatte. Ludwigs Vorarbeit Ludwigs Konzept war aus zwei Gründen von Bedeutung: 1. Während von vielen Forschern zu jener Zeit Lebensvorgänge und Organfunktionen auf der Basis vitalistischer Prozesse göttlich-unfaßbarer Gesetze und metaphysischer Gedanken gedeutet wurden hat Ludwig für die Deutung von biologischen Funktionsabläufen die Betrachtungsweisen und Erkenntnisse der Physik und Chemie eingeführt. Dieses neue Konzept Lebensvorgänge als Ergebnis physiko-chemischer Abläufe aufzufassen hatte für die Weiterentwicklung der biomedizinischen Forschung den gleichen revolutionären Stellenwert wie die zur gleichen Zeit ablaufenden großen Veränderungen im gesellschaftspolitischen Bereich. 2. Aufgrund seiner experimentellen Erkenntnisse benannte Ludwig erstmals die zwei dominierenden Teilfunktionen der Niere die an der Harnbildung beteiligt sind: den glomerulären Filtrationsprozeß und die tubuläre Resorption des Filtrates. Für beide Vorgänge machte Ludwig physikalische Kräfte verantwortlich - für den Filtrationsprozeß hydrostatische Drucke und für den Resorptionsprozeß "endosmotische" (kolloid-onkotische) Kräfte. Zur gleichen Zeit etwa erschien in England die Arbeit von William Bowman in der dieser die glomeruläre Kapsel und ihre Verbindung zum tubulären Apparat beschrieb und das Glomerulum aufgrund seiner Strukturanalysen als Ort eines Filtrationsprozesses ansah. Ludwig hat 20 Jahre nach seiner Habilitationsschrift in der zweiten Auflage seines Lehrbuches seine Ansichten über den tubulären Resorptionsvorgang dahingehend erweitert daß er zusätzlich zu den endosmotischen Kräften "chemische Kräfte" in den Tubuluszellen für die Resorption von Substanzen (Kochsalz) als notwendig erachtete. Heidenhain und Cushny In den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die Ludwigsche Filtrationstheorie von dem Breslauer Physiologen Rudolf Heidenhain heftigst angegriffen da ihm die für die Harnstoffausscheidung erforderliche sehr große glomeruläre Filtratmenge von ca. 50 ml/min als unsinnig groß erschien. ... Schm

Keyword(s): K1 Geschichte der Medizin


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