Erwachsenenbildung und Kurseelsorge |
Journal/Book: H u K 36 7/84 S. 229-230. 1984;
Abstract: Pater Winfried Prummer OFM Bad Tölz In einem Brief an seinen Jugendfreund Werner weist die Titelfigur von G o e t h e s Bildungsroman "Wilhelm Meisters Lehrjahre" ein Dilemma auf das in gewisser Abwandlung auch heute wohl nichts an Gültigkeit eingebüßt hat: "Er der Bürger darf nicht fragen: was bist du?' sondern nur: was hast du?' welche Einsicht welche Kenntnis welche Fähigkeit wieviel Vermögen." Wenn der Edelmann durch die Darstellung seiner Person alles gibt so gibt der Bürger durch seine Persönlichkeit nichts und soll nichts geben. Er der Bürger soll einzelne Fähigkeiten ausbilden, um brauchbar zu werden, und es wird schon vorausgesetzt, daß in seinem Wesen keine Harmonie sei, noch sein dürfe, weil er, um sich auf seine Weise brauchbar zu machen, alles Übrige vernachlässigen muß (IV 3). Pragmatische Bildung und humanistisches Ideal Gewiß gibt heutzutage .der Edelmann" durch die Darstellung seiner Person nicht viel mehr als der Bürger; mit diesem ist auch er nicht mehr dem Dilemma von ganzheitlicher Entfaltung und spezialisierender Ausbildung enthoben. Dieser Konflikt der keine Gesellschaftsschicht und keine Berufsgruppe ausspart hat sich im Zuge eines pragmatischen Bildungsbegriffes in dessen Gefolge sich Erwachsenenbildung mehr und mehr zur Weiterbildung entwickelte verschärft. Die Forderung nach einem "lifelong learning" ist anscheinend mit einer Ausbildung für bestimmte Zwecke und Bedürfnisse der Gesellschaft leichter realisierbar und mehr noch ihre Realisierung müheloser finanzierbar. Es ist wohl kein unstatthafter Hinweis wenn man auf die Gefahr aufmerksam macht die in einer damit angesprochenen spezialisiert-thematischen Tendenz von kirchlichen Erwachsenenbildungsprogrammen für deren Selbstverständnis liegt. Eine kirchliche Erwachsenenbildung die sich auf Einzelfragen von Gesellschaft und Kirche von Politik und Religion von Beruf und Freizeit beschränkt - so notwendig die Erörterung von Einzelfragen und -gebieten ist - thematisiert noch nicht ihr Eigentliches: die Fülle des Lebens (vgl. Declaratio de Educatione Christiana 3). Gesundheitserziehung und "Herzensbildung" Erwachsenenbildung im Kontext der Kurseelsorge bedarf hier wohl eines besonderen Augenmerks: Gerade im Sog von Tendenzen sowohl im Gesundheitswesen als auch im allgemeinen Bewußtsein die Gesundheit im Sinne von Leistungs- und Genußfähigkeit sowie umfassenden Wohlbefindens zur machbaren Größe hochstilisieren unterliegt dort Erwachsenenbildung in besonderer Weise der Versuchung das was der Begriff "Herzensbildung" gegenüber einer Pragmatik beschreiben könnte zugunsten eines Ordre de la raison mit dessen Quantifizierung des Wissens der Betonung des Könnens und einer Konzentrierung auf die Beherrschung von (Gesundheits-) Techniken zu suspendieren. ... ___MH
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