Neuere Gesichtspunkte der Kohlensäurebädertherapie |
Journal/Book: Z. Phys. Med. Baln. Med. Klim.(Sonderh.2) 13 (1984) 14-20. 1984;
Abstract: Forschungsinstitut für Balneologie und Kurortwissenschaft Bad Elster (Direktor: OMR Prof. Dr. med. habil. H. Jordan) Die CO2-Bädertherapie ist inzwischen 100 Jahre alt (August Schott Bad Nauheim 1885). Trotzdem ist wenig Gesichertes über diese Therapieform aus balneologischer bzw. kardiologischer Sicht wirklich bekannt. Deshalb veranstaltete ich 1983 in Bad Elster ein Symposion mit internationaler Beteiligung. Die kardiozirkulatorischen Erkrankungen sind noch immer im Ansteigen begriffen und zur Zeit besteht ein therapeutisches Übergewicht in der Kinesio- Sport- und Trainingstherapie in Prävention kurativer Therapie und Rehabilitation; diese stellen die Existenzberechtigung sogenannter passiver Behandlungsformen wie z. B. CO2-Bäder in Frage. Die Beantwortung der Frage ob neue Gesichtspunkte zur Wirkungsphysiologie und Klinik der Kohlensäurebädertherapie zu finden sind erscheint wichtig. Dazu sind in den letzten Jahren Bemühungen in Gang gesetzt worden vor allem in Lüttich/Spa und in Moskau. Es klaffen aber immer noch große Lücken klinisch experimentell und im Bereich prospektiv randomisierter Studien mit optimaler Methodik. Zur Zeit bestehen widersprüchliche Meinungen über die CO2-Bädertherapie. Ganz generell sind an die balneologische Forschung folgende fünf Forderungen zu stellen: 1. Qualitätsgleichheit (qualitative und quantitative Charakteristik der Bäder) 2. Intensitätsgleichheit (Einwirkungsfläche Körperlage im Bad Eintauchtiefe Temperatur des Bades und der Umgebung) 3. Zeitgleichheit (Expositionsdauer Dauer der Nachbeobachtung) 4. Intervallgleichheit (Seriencharakter badefreier Tag) 5. Peristatische Gleichheit (Tageszeit Jahreszeit zusätzliche Therapie vergleichbares Gesamtmilieu). Zu diesen fünf Homogenitätskriterien tritt der Panoramawandel der physikalischen Therapie bezüglich der Indikation und der Auffassung von der Rolle der Kurorttherapie überhaupt (z. B. Ablösung passiver von aktiven Therapieprogrammen). Deshalb sind retrospektiv Therapieformen nicht vergleichbar. Zum Schluß ist daran zu erinnern daß die diagnostische Terminologie von Land zu Land unterschiedlich ist (besonders wenn angloamerikanische französische deutsche und russische termini technici gegenübergestellt werden). Ein zweiter Punkt ist die Frage nach Sinn und Notwendigkeit monotherapeutischer Studien gewissermaßen als Nullserie gegenüber der sonst im Kurort allgemein üblichen Komplextherapie. Monotherapeutische Studien müssen durchgeführt werden ihren eigentlichen Wert erhalten sie erst wenn sie in Studien über eine komplexe Kurorttherapie des Kranken einfließen. Denn Ziel jeder kurorttherapeutischen Forschung ist Ergebnisermittlung der gesamten Kur. Die Vielschichtigkeit der für den Kurpatienten relevanten Einflüsse physischer und psychischer Art ist bekannt. Dagegen aber wenig inwieweit diese Einflüsse Moderatoren für die reaktiven kardiologisch vasculär relevanten Prozesse im Zuge der Kurortbehandlung darstellen. Jede Kurorttherapie ist eine "komplexe Reizserientherapie am Kranken im veränderten psychophysischen Milieu" (Jordan H. 1980). Ein dritter Gesichtspunkt betrifft die Verallgemeinerung von Beobachtungsdaten die im Verlauf eines CO2-Bades gewonnen wurden und daraus konstruierte Wertungen der gesamten Therapieform in der Kardiologie. Ein typisches Diskussionsbeispiel auf unserem Symposion: Wenn das CO2-Bad zu einem Anstieg der Herzfrequenz führt, so bedeutet das doch eine Verschlechterung der kardialen Sauerstoffversorgung dann wäre ja das CO2-Bad für die ischämische Herzkrankheit kontraindiziert! Die Forschung hat hierbei folgende Schritte abzuklären: - Ausgangslage vor Badebeginn - Änderung der Parameter im Bad - Änderung der Parameter nach dem Bad - Verhalten der Änderungen bei wiederholten Bädern bzw. in der Badeserie. Es sind also die chronotherapeutischen Gesichtspunkte die geklärt werden müssen. Physiologen sind wegen der relativ geringfügigen und kurzdauernden Kreislaufumstellungen wie sie in einem CO2-Bad zustandekommen geneigt die therapeutische Effektivität solcher Prozeduren sehr skeptisch zu betrachten. Die hämodynamische Umstellung die einer bestimmten resorbierten CO2-Menge zuzuschreiben ist fällt verglichen mit einer einfachen körperlichen Belastung kaum ins Gewicht. Es bleibt aber völlig offen wie weit physiologische Befunde auf pathologische Situationen übertragbar sind. Die im Bad eintretende "Autotransfusion in die Körperperipherie" wie sie von Frau Gollwitzer-Meier 1935 bezeichnet wurde hält sicherlich viel länger nach dem Bad an. Mit einem dynamischen Testverfahren (Orthostase-Test nach Tiedt) mittels der vier Elektrodenkardioimpedanztechnik fanden wir daß nach einem herkömmlichen CO2-Wasserbad eine mehr als 10%ige Steigerung des Herzminutenvolumens und eine Verstärkung der orthostatisch ausgelösten Verminderung des Herzminutenvolumens von vorher 15% auf mehr als 40% (Tiedt N. u. H. Jordan 1983) auftritt. Es kommt also nicht nur zu geringfügigen Kreislaufumstellungen. Wichtig ist diese Untersuchung weil die Anwendung dynamischer anstelle statischer Testverfahren unbedingt für die balneotherapeutische Forschung zu fordern ist. Dynamische Testverfahren sind solche die nicht eine Änderung einer Funktion sondern die Zeitcharakteristik dieser Änderung erfassen lassen (Tiedt N. 1979). Die weitere wichtige Frage ist die nach den Späteffekten eines CO2-Bades über den ganzen" Badetag" oder auch über den" badefreien Tag" hinweg (Marantidi G. 1958). Nach den Befunden von Lecomte und Mitarbeitern (1975) ist das Histamin nicht verantwortlich für die Ausbildung des CO2-Erythems und auch eigene Untersuchungen mit dem Histaminliberator" compound 48" sprechen in gleicher Richtung (John B. 1969). Allerdings ist die Intensität eines Histaminerythems unter lokaler CO2-Wirkung verstärkt und die Reagibilität der Haut verhält sich gegenüber einer Histaminiontophorese unterschiedlich (John B. 1969). Die Hypothese daß auch das CO2 zu denjenigen Substanzen gehört die bei Einwirkung auf die Haut als" releasing factors" zur Freisetzung von Mediatorsubstanzen führen und dann ab sog." first messengers" die entsprechenden Rezeptoren der Zellmembran beeinflussen. Daraus könnten die" second-messenger-Effekte" resultieren die in einer Aktivierung der Adenylzyklase bzw. der Umwandlung des ATP in das cAMP ferner zur Mobilisation von Proteinkinasen und Auslösung der sog." Phosphorylierungskaskade" bestehen. Es könnten damit ähnliche Prozesse in Gang kommen wie sie auch bei mechanischen oder Strahleneinwirkungen diskutiert werden. Diese Hautreizstoffe - ich verwende diesen wertneutralen Ausdruck mit Absicht - sind sehr flüchtige und rasch wieder abgebaute Zwischenprodukte - ihre Folgeerscheinungen aber könnten sicher auch längerfristig wirksam sein. Möglicherweise stellt sich auch in dieser Hinsicht eine Forschungsaufgabe die über die CO2-Therapie hinausgeht. Ich möchte nun kurz einige Ergebnisse unseres Symposions 1983 referieren die in Kürze in der Zeitschrift für Physiotherapie (zur Zeit im Druck) vollständig publiziert werden. Frau Sorokina/Moskau berichtet über vergleichende Untersuchungen der Effekte von CO2-Wasserwannen- und Gasbädern bei Kranken mit ischämischer Herzkrankheit. Sie ergaben daß CO2-Gasbäder zu einer geringeren Erhöhung des kardialen Schlagvolumens bzw. des Herzindex führen (= cardiac index = Quotient aus Herzminutenvolumen und Körperoberfläche) als Wasserwannenkohlensäurebäder gleicher Konzentration und Dauer desgleich zu einer stärkeren Vasodilatation Erhöhung der muskulären Durchblutung Steigerung des kapillären und transkutan bestimmten Sauerstoffpartialdruckes zur verstärkten Senkung von ADP bzw. adrenalininduzierten Thrombozytenaggregation und all dies zusammen mit einer signifikant deutlicheren Besserung der klinischen Stenokardiesymptomatik bei 81 % der Patienten im Vergleich zu 31 % der Patienten der im CO2-Wasserbad behandelten Kranken. Hierfür wird der Wegfall des hydrostatischen Druckes im Gasbad mit der entsprechenden Reduzierung des preload verantwortlich gemacht. (Sorokina E. I. u. Mitarb. 1984).Hier bahnt sich eine Differentialbalneotherapie (Callies R. 1978) der CO2-Gas- und Wasserbäder an. Plötner aus Bad Elster zeigte daß zwischen einer CO2-Monotherapie und einer mit Kinesitherapie kombinierten Kurortbehandlung faßbare Unterschiede bestehen die zugleich auch quantitativ unterschiedlich ausfallen je nachdem ob ein Leistungsstadium II oder III (NYHA-Kriterien) vorliegt. Die dabei untersuchten Parameter waren Laktat Pyruvat ATP Mg P und das 2.3-Diphosophoglyzerat (DPG). Es läßt sich ein glykolysehemmender und hypoxievermindernder Effekt des CO2-Bades (als Einzelbad und auch als Serie) ermitteln wobei das Absinken des 2.3-DPG-Spiegels im Erythrozyten eine Erhöhung der O2-Abgabe an das Gewebe demonstriert. Diese Verminderung der O2-Affinität des Hämoglobins stellt einen sog. BOHR-Effekt dar offenbar kann CO2 im Sinne eines allosterischen Effektors der Sauerstoffdissoziation wirksam werden Auch japanische Autoren stellten einen Anstieg des subkutanen und muskulären Sauerstoffpartialdruckes unter CO2-Einwirkung fest (Kohmoto T. u. Y. Komoto 1982) Mit einer Erhöhung der Durchblutungsgeschwindigkeit infolge einer Arteriolendilatation bedeutet dieser BOHR-Effekt eine Reduzierung einer physiologischen oder - wie im CO2-Bad - erhöhten Hypoxie; der arterielle pO2 nimmt zu. Dies alles steht im Einklang mit den Ergebnissen von Lüderitz und Noder (1964). Diese Befunde werfen eine m. E. ganz wichtige Frage auf hinsichtlich der Einordnung der CO2-Therapie in das Konzept der Kurorttherapie der ischämischen Herzkrankheit. Es erscheint sinnvoll die Bädertherapie als eine" passive" glykolysehemmende und hypoxievermindernde Maßnahme mit einer hypoxiestimulierenden und glykolysefördernden Behandlungsform also der" aktiven" Therapie zu koppeln - wofür geeignete Therapieablaufpläne erarbeitet werden müssen. In der DDR existiert seit 1977 ein" Herzinfarktbekämpfungsprogramm" in welches die Kurorttherapie eingebunden ist und in welchem aktive und passive Bädermaßnahmen einen festen Platz haben Es erscheint mit einer Kombination dieser beiden Behandlungsprinzipien möglich die herkömmlich - und gegenwärtig auch bei uns noch geltende - strenge Indikation für CO2-Bäder im Hinblick auf die Suffizienz des Herzens zu lockern d. h. die Indikationen der CO2-Bädertherapie in Richtung Subsuffizienz zu verschieben. Natürlich unter Einbeziehung der erforderlichen Pharmakotherapie. Hier kann der gezielte Einsatz von Gas- oder Wasserwannenbädern von Vorteil sein. Insgesamt könnte die Kurorttherapie noch effektiver als bisher in das Rehabilitationsprogramm der Herzinfarktkranken eingebunden werden. Ich erinnere daran daß bereits Schott 1885 für eine abgestimmte Kombination von CO2-Bädertherapie mit einer Heilgymnastik plädierte Bäder und Gymnastik als Tonica ersten Ranges zur Behandlung des geschwächten Herzens erkannt und vorgeschlagen hat. Erwähnt werden muß hier daß bei Hypertoniekranken eine CO2-Bäderbehandlung zu einer Senkung des Ruhe- aber nicht des maximalen Belastungsblutdrucks führt während ein regelmäßiges Ergometertraining sowohl Ruhe- als auch maximalen Belastungsblutdruck reduziert (Patyna W. D. 1983). Ein weitere Aspekt ist der kombinatorische Effekt zwischen Balneo- und Pharmakotherapie Es steht fest daß Kureffekt und Medikamentenwirkung in einer echten Wechselwirkung stehen für die besonders ein histiotroper Umschlag in der dritten Kurwoche von einschneidender Bedeutung ist sowohl im Hinblick auf einen Verstärker als auch einen sinngemäßen Tempoeffekt z. B. beim Einsatz von histiotropen Pharmaka et vice versa bei ergotrop wirkenden (Jordan H. u. H. Münch 1966). Die Frage nach der Dosis der CO2-Bäder ist von zentraler Bedeutung. Die Isotopentechnik ermöglichte quantitativ die Penetration von CO2 durch die Haut zu verfolgen. Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Bestimmungen mit 14C wie sie in Lüttich von Namur und Verly (1963) und Lagneaux und Lecomte durchgeführt wurden. Unserem Arbeitskreis gelang es unter Umgehung eines jeglichen Strahlenrisikos die Differenzen zwischen dem Verhältnis der stabilen Kohlenstoffatome 12C/13C in der Kohlensäure der Badeflüssigkeit und der des menschlichen Organismus massenspektrometrisch zu erfassen und daraus Aussagen für die Penetration des definierten CO2 zu erhalten. Diese Isotopenmessungen stimmen quantitativ mit den in den 30er Jahren mit sehr einfachen Methoden gewonnenen Resultaten z. B. von Kramer u. Sarre (1936) überein. Nicht nur die CO2-Konzentration des Bademediums sondern andere Faktoren beeinflussen die Resorption des wirksamen Gases z. B. die Temperatur die Hautschichtdicke die Hautdurchblutung die Stoffwechselstituation vielleicht sogar auch der Dispersionsgrad der Kohlensäure. Der Unterschied in der Ausprägung des CO2-Erythems bei trockener oder nasser Applikation der CO2 wie sie Lecomte nachwies (Lecomte J. u. Mitarb. 1975) sind ein Hinweis darauf daß der" Feuchtigkeitsgrad" der Haut beim Gasbad ebenfalls den Grad der Penetration mitbeeinflußt. Allerdings ist wohl gesichert daß die Haut stets partiell hydratisiert ist und somit eine Penetration durch das stratum corneum ebenfalls über eine wasserlösliche Phase des CO2 zustande kommt (Scheuplein R. J. u. I. H. Blank 1971) Unsere bisherigen Versuche lassen bei Interpolation der penetrierten CO2-Menge gegen die Konzentration des Badewassers erkennen daß bei etwa 22 3 mmol also dem Standardbikarbonatwert des Blutes und entsprechend einer CO2-Konzentration des Badewassers von rund 1 0 g/l keine CO2-Resorption zu beobachten ist. Hiermit wäre die gegenwärtige Festlegung der Grenzdefinition für ein kohlensäurehaltiges Heilwasser gerechtfertigt; andererseits aber sind Beobachtungen zur Genüge vorhanden daß auch CO2-Konzentrationen um etwa 400 mg CO2/l Badeeffekte d. h. die Bildung eines CO2-Erythems aufweisen Damit erhebt sich die Frage welchen quantitativen Aussagewert das CO2-Erythem besitzt - dessen Ausbildung sagt offenbar noch nicht Genügendes über eine tatsächlich eingetretene Resorption bzw. zumindest Penetration des Badegases aus. Abb. 1 gibt einen Einblick in den Meßvorgang am Patienten dessen Atemkreislauf gegen die kohlensäuregashaltige Badekabinenluft abgedichtet ist in einer Wanne die von unten angehoben werden kann um die Eintauchtiefe regulieren zu können. Abb. 2 stellt dar daß die CO2-Konzentration unmittelbar in der Badewanne gemessen werden muß da sie stark temperaturabhängig ist. Abb. 3 zeigt die Abhängigkeit der CO2-Penetration durch die Haut (Ordinate) von der CO2-Konzentration des Badewassers (Abszisse). Ohne Abb. 1: Bestimmung der 12C/13C-Relation am Patienten während eines Kohlensäuremineralwasserwannenbades in Bad Elster. Der Atemkreislauf des Probanden ist gegen Einatmung CO2-haltiger Kabinenluft abgesichert. Versuchsanordnung zur Messung der CO2-Penetration. 1 Rohrverbindung (Badehausdach - Badekabine); 2 Faltschlauchverbindung; 3 Einatemventil; 4 Ausatemventil; 5 Anschlüsse für Spezialgasampullen Ohne Abb. 2: Löslichkeit der CO2 in Abhängigkeit von der Temperatur mit Angabe der Temperaturverhältnisse der CO2-Wässer in Bad Elster bei Quellaustritt und bei der Badeapplikation. Ohne Abb. 3: Abhängigkeit der CO2-Penetration durch die Haut von der CO2-Konzentration des Badewassers. Abszisse: CO2-Konzentrationen im Kohlensäuremineralbad. Ordinate: Penetrierte CO2-Menge in ml je Quadratmeter Körperoberfläche und Minute (aus: Hübner G. u. Mitarb. 1982) Meine Auffassung zur Stellung der CO2-Bädertherapie wie sie sich insbesondere im Rückblick auf das Symposion 1983 in Bad Elster ergibt: - CO2 wird aus Wasser- oder Gasbädern durch die Haut des Menschen aufgenommen Isotopenchemische Bestimmungen ermöglichen eine quantitative Abschätzung der penetrierten Menge ohne jegliches Strahlenrisiko mittels der 12C/13C-Methode in Abhängigkeit von der Badewasserkonzentration vermutlich erst oberhalb einer dem Standardbikarbonat des Menschen entsprechenden Grenze von ca. 1 0 g/l. - Durch den Wegfall des hydrostatischen Druckes im CO2-Gasbad läßt sich die kardiozirkulatorische Effektivität der CO2-Bäder variieren; eine CO2-Differentialtherapie ist damit begründbar. - Ein Vorteil der CO2-Bäder liegt darin daß in ihnen thermische Komfortbedingungen für den Organismus hergestellt werden können und daß wärmereizbedingte Reaktionen am peripheren Kreislauf hervorgerufen werden. - Das CO2-Bad führt zu einer milden zeitlich begrenzten Volumenbelastung des Kreislaufs bei Verminderung des peripheren Gefäßwiderstandes und ohne Inanspruchnahme der Temperaturregulation im Sinne einer Belastung. Im Einzelbad kommt es zu einer geringen Steigerung der Herzfrequenz die im Badeverlauf - wahrscheinlich temperaturbedingt - wieder ausgeglichen wird. Die hämodynamischen Umstellungen sind kurzlebig; Sekundäreffekte durch etwaige Mobilisation von Mediatorsubstanzen können vorerst nicht sichergestellt werden. - Im CO2-Bad kommt es zu einer Begünstigung der Wasser- und Elektrolytdiurese bzw. der Plasmaosmolalität und einer Begünstigung der Relation Herzfrequenz/Sinusarrhythmie als zwei auch klinisch einzukalkulierenden Effekten. - Das CO2-Bad besitzt einen glykolysehemmenden und hypoxievermindernden Effekt (BOHR-Effekt) und vermag deshalb als sinnvolles Gegenstück zur aktivierenden glykolysefördernden und hypoxiefördernden Therapie im kurorttherapeutischen Konzept zu fungieren. - Es erscheint möglich mittels einer solchen Kombination die Indikationsbreite des Kohlensäurebades in Richtung der myokardialen Subsuffizienz zu erweitern. - Die Badedauer für CO2-Bäder sollte nicht zu kurz gewählt werden 20 Minuten sollten vorerst als Mindestgrenze gelten wobei mit der zeitlich einschleichenden Therapiegestaltung nicht zuviel wertvolle Zeit verloren werden darf. - Die kardiohämodynamische Belastung durch CO2-Wasserwannenbäder sollte primär durch die Lagerung des Patienten in der Wanne moduliert werden unter Beibehaltung des Thermoindifferenzbereiches der zwischen 33 und 34° C anzusetzen ist. Zum Schluß muß erneut erwähnt werden daß zur Überprüfung dieser Thesen klinisch-experimentelle Untersuchungen erforderlich sind. Literatur 1. Callies R.: Forschungsstrategie in der Physiotherapie rheumatischer Krankheiten. Z. Physiother. 3O (1978) 325-28 2. Gollwitzer-Meier K.: Kreislauf und Atmung im Bad. Balneologe 2 (1935) 289-299 3. Hübner G.; Maass. I.; Birkenfeld H.; Epperlein. C.; Plötner G.; Jordan H.: Quantitativer Nachweis der CO2-Resorption aus thermoindifferenten Kohlendioxidmineralwasserbädern durch die Haut des Menschen. Z. ges. inn. Med. 37 (1982) 485-490 (Abb. 3 S. 489). 4. John B.: Untersuchungen zur Wirkung kohlensäurehaltiger Mineralbäder auf die Histaminfreisetzung der menschlichen Haut. Inaug.- Diss. d. Fr.- Schiller-Universität Jena 1969 5. Jordan H.: Kurorttherapie. 2. Aufl. Jena VEB G. Fischer 1980 6. 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