Die Physiotherapie bei Apoplexie |
Journal/Book: Zschr. Physiother. Jg. 29 (1977) 417-419. 1977;
Abstract: Aus dem Kreiskrankenhaus Treuenbrietzen Abt. f. Medizinische Rehabilitation (Chefarzt: Dr. G. MÜLLER) Die Bewegungstherapie bei Hemiplegie basiert (unter Berücksichtigung der Gesamtpersönlichkeit des Patienten) auf der Pathophysiologie der Motorik bei herdförmigen zentralen Läsionen. Nach einer Phase der schlaffen Lähmung (neurogener Schock) kommt es zu einer spinalen Reflextätigkeit mit zunehmender Spastizität. Sie ist Ausdruck einer Störung des funktionellen Gleichgewichtes zwischen den Propriozeptoren-Regelkreisen die die Arbeitsweise der Bewegungsmuskulatur kontrollieren in Richtung maximaler Aktivität der "phasischen Eigenreflexe". Wenn keine individuelle funktionelle Bewegungstherapie (IFB) erfolgt kommt es zu ständiger Steigerung der Spastizität da antagonistische Muskeln wechselseitige Dehnungsreize aufeinander ausüben. Bei länger bestehender Spastizität kommt es am Motoneuron zu einer Ausspressung die genau wie falsche Bewegungsstereotype eine Verbesserung der Funktion durch IFB erschwert bzw. sogar verhindert. Allgemeine Grundregeln der IFB sind: 1. Entwicklungsneurologischer Aufbau in Anlehnung an die motorische Ontogenese bzw. Phylogenese. Entwicklung dabei von kranial nach kaudal bzw. proximal nach distal. 2. Erarbeitung des Körpergefühles über die gesunde Seite durch Spannung und Entspannung und Anwendung der propriozeptiven neuromuskulären Fazilitation. 3. Vermeidung von Körperschemastörungen durch sofortige Ausnutzung beginnender Funktionen. 4. Vermeidung von aufregenden Kommandos und Ausnutzung der entspannenden Wirkung der Ausatmung. 5. In jeder Stufe der Aufrichtung (Liegen Sitzen Stehen Gehen) Bahnung und Stabilisierung von Halte- Stell- und Gleichgewichtsreaktionen sowie der Koordination. 6. Von Anfang an keine falschen Bewegungsmuster zulassen (auf Stil und nicht auf Leistung !). 7. Die Aufrichtung in den Sitz über den Armstütz der gesunden Seite und in den Stand über beide Beine. 8. Hilfsmittel wie Armstützen und Gehwagen werden nicht benutzt. 9. Die Gebrauchsschulung ist von Anfang an in die Bewegungstherapie einzubeziehen (Hilfen für den Alltag). 10. Visuelle und verbale Stimulation unterstützen die Wiedererlernung der motorischen Programme. 11. Bahnung von Rotationsbewegungen des Rumpfes über die Augenmuskeln. 12. Einfluß der Psyche und der Umwelt auf die Spastizität beachten. 13. Die Wiedererlernung motorischer Programme geht nur über die Sensorik (feed-back control) deshalb ist vielfältige Stimulation und häufige Wiederholung (auch Hausaufgabe!!) nötig. 14. Vermeidung heftiger Dehnungsreize (Verstärkung der Spastik) jedoch Anwendung von mildem Zug sowie ruhige und gleichmäßige Führung beim passiven Bewegen Ausnutzung von Dehnlagerungen zur Tonusherabsetzung Auslassen von reflexsteigernden Zonen. 15. Kräftigung der abgeschwächten Muskelgruppen (Antagonisten der spastischen Muskeln!) zur Verhinderung von Inaktivitätsatrophien durch statische Kontraktionen (5 bis 7 Sekunden halten) unter Ausnutzung "reflexhemmender Ausgangsstellungen". 16. Anfänglich notwendige Haut- und Muskelreize oder richtungsweisender Widerstand sind bei sich verbessernden koordinierten Bewegungsabläufen auszubauen ___MH
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