Heilpflanzen-Welt - Die Welt der Heilpflanzen!
Heilpflanzen-Welt - Natürlich natürlich!
November 2024

Zur Problematik der Kurdurchführung im Alter

Journal/Book: Z. Physiother. Jg. 29 (1977) 33-39. 1977;

Abstract: Forschungsinstitut für Balneologie und Kurortwissenschaft Bad Elster (Direktor: OMR Prof. Dr. med. habil. H. Jordan) Max BÜRGER der Altmeister der Geriatrie erhob als erster die Forderung nach einer biomorphotisch differenzierten Therapie als logische Folgerung aus seinen biorheutischen Erkenntnissen. Sie ist berechtigt weil sowohl die Strukturen als auch die Funktionen des menschlichen Organismus in ihrem dialektischen Bezug alternsgesetzlichen Wandlungen unterliegen. Das jeweilige Alter des Kranken ist demnach eines der entscheidenden Kriterien für einen interindividuellen Vergleich von Therapieeffekten [1]. Auch die komplexe Kurorttherapie ist in ihrer Effektivität unserer Auffassung nach wesentlich von der Altersstruktur der ihr unterworfenen Kranken abhängig [2]. Es ist zu fordern daß sie sich als ein in den Gesamtheilplan sinnvoll integriertes Element der jeweiligen epidemiologischen und damit auch altersdifferenzierten Situation der Bevölkerung anpaßt. Da das zunehmende Alter nicht nur eine individuell anwachsende Krankengeschichte sondern auch einen entscheidenden Faktor der gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit repräsentiert gewinnt die Kurorttherapie des älteren Menschen sowohl aus therapeutischen als auch aus gesundheitspolitischen Denkansätzen heraus an besonderer Bedeutung. Wir möchten in diesem Zusammenhang auf einige Ergebnisse der elektronischen Datenverarbeitung der DDR des Jahres 1973 aufmerksam machen. 1. Eine Gegenüberstellung der Altersstruktur der Bevölkerung der DDR und der altersstrukturellen Verteilung der Kuren zeigt Abbildung 1. Man erkennt die doch recht gute Anpassung beider Verteilungen. 2. Abbildung 2 stellt den Altersaufbau der Bevölkerung der DDR für Männer und Frauen getrennt die altersbezogene Aufteilung der Heilkuren und der prophylaktischen Kuren dar. Man erkennt daß das Gros der Heilkuren etwa eineinhalb Dezennien vor dem Rentenalter und bei den Männern auch unmittelbar im Rentenalter zu finden ist während das der prophylaktischen Kuren gegen die jüngeren Altersklassen verschoben ist. Dies dokumentiert den im wesentlichen aus geriatrischer Sicht erforderlichen und plausiblen richtigen Einsatz dieser Behandlungsformen. 3. Wesentlicher ist aber daß sich erhebliche Unterschiede in der Altersstruktur der Kuren für ganz bestimmte Diagnosengruppen und hierbei auch signifikante Einzeldifferenzen zwischen Männern und Frauen ergeben. Abbildung 3 demonstriert die Häufigkeit wichtiger Krankheitsursachen bei Kurpatienten in den einzelnen Altersgruppen wobei die gegenläufigen Tendenzen zwischen den funktionellen und organischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen den entzündlichen und degenerativen Gelenkerkrankungen und den allergischen und nichtallergischen chronisch entzündlichen Atemwegserkrankungen sehr augenfällig sind. In Abbildung 4 erkennt man die Geschlechterdifferenzen dargestellt am Beispiel der Herz-Kreislauf-Erkrankungen noch deutlicher so z.B. die Häufung der funktionellen Kreislauferkrankungen bei Frauen in der Altersgruppe bis zu 42 Jahren oder der Hypertension in den höheren Altersklassen. Derartige Sexualunterschiede sind einmal durch die untrennbare Koppelung des geschlechtsgebundenen Altersablaufes zum anderen durch die bekannte sexualtypisch differenzierte Phänomenologie und Epidemiologie der Krankheiten erklärbar. Ohne Abb. 1. Anzahl der Kuren bezogen auf 10 000 der Bevölkerung gleicher Altersgruppen und gleichen Geschlechts Ohne Abb.2. Anzahl der Heilkuren in der DDR 1973 bezogen auf 10 000 Einwohner jeweils gleicher Altersgruppen und gleichen Geschlechts in Abhängigkeit von der Altersstruktur der DDR Ohne Abb. 3. Häufigkeit wichtiger Krankheitsursachen bei Patienten in den Kurorten und Sanatorien der DDR 1973 in vier Altersgruppen für die Indikationsgebiete "Herz-Kreislauf-Erkrankungen" Erkrankungen des Bewegungsapparates und "Erkrankungen der Atemwege" Ohne Abb. 4. Häufigkeit der Krankheitsformen des Indikationsgebietes "Herz-Kreislauf Erkrankungen" in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht 4. Biorheutisch bedingte Reaktionsdifferenzen machen sich in allen Phasen des Kurablaufes bemerkbar besonders wie wir früher zeigen konnten in der sog. "Kureintrittsreaktion" [6] deren Kriterien bei älteren Menschen deutlicher hervortreten als bei jüngeren. Auch der reaktive Zustand am Ende der Kurortbehandlung der sog. "Kureffekt" bzw. der sog. "Kurerfolg" das Spätergebnis der Kurorttherapie sind wesentlich vom Alter abhängig. Ältere Menschen sind hierbei offenbar durch einen reaktiven Tempoverlust charakterisiert. Auch die Prüfung einzelner klinischer oder paraklinischer Parameter wie Blutdruck [11] die isometrische Kontraktion des Herzens [5] die Hirndurchblutung [10] oder der Histaminerythemtest [8 9] läßt deutliche Altersabhängigkeiten erkennen so daß wir die Berücksichtigung der Altersgruppierung als ein unverzichtbares Kriterium der biometrischen Bearbeitung von Therapieeffekten überhaupt fordern [3 4]. Bei der Überprüfung der Kurreaktionen zeigt sich dies sehr deutlich. Abbildung 5 läßt erkennen daß bei den funktionellen Herz-Kreislauf-Erkrankungen markante Kurreaktionen in den jüngeren Altersgruppen bis zu 42 Jahren auftreten daß ferner bei entzündlichen Gelenkerkrankungen die Reaktionstendenz bis zum Beginn des 5. Dezenniums ansteigt und dann wie bei den degenerativen Gelenkerkrankungen mit dem weiteren Alter absinkt. Am auffälligsten ist die erhebliche Zunahme der starken Kurreaktionen bei den Erkrankungen der oberen Luftwege mit zunehmendem Alter wobei besonders das Verhalten des inveterierten Asthma bronchiale bemerkenswert erscheint. Ohne Abb. 5. Anteil der "erheblichen Kurreaktionen" bei den Heilkuren der DDR 1973 für die Indikationsgebiete entsprechend Abbildung 3 Ohne Abb. 6. Darstellung von "erkennbaren" und "fehlenden" Kurreaktionen in Abhängigkeit vom Alter bei degenerativen Herz- und Koronarerkrankungen degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates und bei funktionellen Erkrankungen. Angaben in Prozent; 8893 Männer und Frauen Bad Elster 1967 (aus [7]) Ohne Abb. 7. Darstellung der Arbeitsausfallszeiten zwölf Monate vor einer Kur bis zu vierundzwanzig Monaten nach der Kur getrennt nach drei Altersgruppen bei 532 Frauen eines Chemiegroßbetriebes der DDR. Ordinate: Arbeitsausfallstage (Kalendertage) pro Patient und Monat. Abszisse: Monate vor bzw. nach der Kur Stellt man einmal die Kranken mit fehlenden d.h. nicht erkennbaren Kurreaktionen denen mit deutlichen Kurreaktionen gegenüber so erweist sich gemäß Abbildung 6 daß sich hierbei "funktionelle" und "degenerative" Erkrankungsformen (dargestellt sind degenerative Gelenkerkrankungen degenerative Herz- bzw. Koronarerkrankungen und funktionelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen) praktisch entgegengesetzt verhalten [7]. Die deutlichen Kurreaktionen nehmen mit ansteigendem Alter bei den funktionellen Erkrankungsformen ab et vice versa (8893 Männer und Frauen Bad Elster 1967). Daß auch der eigentliche "Kurerfolg" - mit anderen Worten der "Hafteffekt" der Kur - altersabhängig ist mag das Beispiel der Abbildung 7 beleuchten. Hier wurden alle Arbeitsausfallszeiten von 532 Frauen eines Chemiegroßbetriebes 12 Monate vor einer Kur und bis zu 24 Monaten nach der Kur nach drei Altersgruppen getrennt zusammengestellt. Ohne auf die Problematik dieser Darstellungsweise im einzelnen hier näher einzugehen (epidemiologische Bewegung der Arbeitsausfallzeiten rechtsschiefe Verteilung derselben fehlende Beziehung zur "spezifischen" Arbeitsunfähigkeitsquote in bezug auf das "zur Kureinweisung" führende Leiden Ausgangswertabhängigkeit der Parameter) läßt sich zeigen daß der Durchschnitt der Arbeitsausfallszeiten bis zu zwei Jahren nach der Kur bei den jüngeren Altersgruppen niedriger liegt als bei den älteren. Hier kommt der "biographische" Charakter der Krankheitsentwicklung zum Ausdruck. Zusammenfassend möchten wir festhalten: 1. Die in der DDR 1973 praktizierte Kurorttherapie ist sowohl der Altersstruktur der Bevölkerung als auch der epidemiologischen und biorheutischen Situation der wichtigsten Krankheiten mit sozialmedizinischem Schwerpunktscharakter gut angepaßt. 2. Für die einzelnen Indikationsgebiete müssen wesentliche biorheutische und damit gekoppelt sexualtypische Differenzen beachtet werden an denen sich die Kurorttherapie sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht orientieren muß. 3. Erhebliche biorheutische Reaktionsunterschiede der im Kurort behandelten Kranken weisen auf die Möglichkeit und sogar die Notwendigkeit hin die Kurorttherapie auch bei älteren Kranken bzw. inveterierten Krankheitsprozessen erfolgversprechend einzusetzen und bedingen auch unterschiedliche Therapieresultate. Besonders augenfällig scheint dies für die chronischen Atemwegserkrankungen des älteren und alten Menschen zuzutreffen. 4. Altersabhängige Reaktionsdifferenzen scheinen prinzipiell zwischen degenerativen und entzündlichen Erkrankungen des Bewegungsapparates zwischen funktionellen und degenerativen Formen der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie zwischen allergischen und nichtallergischen chronisch entzündlichen Erkrankungen der oberen Luftwege zu bestehen. 5. Die besprochenen Fakten können als ein Baustein für eine biorheutisch orientierte Kurorttherapie im Sinne der geriatrischen Gesamtkonzeption gelten. 6. Auch der sog. "Hafteffekt" der Kurorttherapie - im eigentlichen Sinne der "Kurerfolg" - ist in gewisser Weise altersabhängig. Literatur 1. BÜRGER M.: Altern und Krankheit 4. Aufl. VEB Georg Thieme Leipzig 1960. 2. JORDAN H.: Zur Reaktion des älteren Menschen im Zuge einer Kurortbehandlung. XXV. Internat. Curs. Perfect. Medic. Karlovy Vary 1971. 3. JORDAN H.: Methods of Quantitative Assessment of Rhythmik and Regulatory Processes in the Organism. Vopr. Kurortol. Fizioter. i leceb. fiz. Kul't. Moskva 37 (1972) 437 4. JORDAN H.: Kurverlauf und Kureffekt. Ergebnisse eines biometrisch klinischen Arbeitskreises. Z. Physiother. Leipzig 24 (1972 5. JORDAN H. H. LACHMANN und H.WAGNER: Kardiodynamische Effekte bei CO2-Bäderkuren. Z. angew. Bäder- und Klimaheilk. Stuttgart 7 (1960) 525. 6. JORDAN H. und H. WAGNER: Untersuchungen am systolischen Blutdruck zur Beurteilung einer Kureintritts- und Kurerfolgsreaktion. Z. ges. inn. Med. Leipzig 17 (1962) 193. 7. JORDAN H. und H. WAGNER: Die Kurorttherapie unter geriatrischem Aspekt. Z. Alternsforsch. Dresden 28 (1974) 113. 8. KABZUBOWSKI U.: Das Verhalten der Histamin-Erythem-Reaktion während der Kur mit radioaktiven Kohlensäurequellen bei Patienten mit degenerativen und entzündlichen Gelenkerkrankungen. Inaug.-Diss. Karl-Marx-Univ. Leipzig 1969. 9. KATELHÖHN K.-A.: Untersuchungen des Histamin-Erythem-Testes während einer balneophysiotherapeutischen Kur im Ostseeheilbad Graal-Müritz. Z. Physiother. Leipzig 23 (1971) 117. 10. REINHOLD D.: Der Einfluß von Bädern auf das funktionelle Verhalten der Hirngefäße. Z. Physiother. Leipzig 24 (1972) 153. 11. WAGNER H. und H. LACHMANN: Das Verhalten des systolischen Blutdrucks während einer Kur in Bad Elster. Z. ärztl. Fortbild. Jena 56 (1962) 480. 1) Nach einem für das Symposium on Prävention in Geriatrics Bratislava 21.-23.5.1975 vorbereiteten Vortrag

Keyword(s): Geriatrie Kurorttherapie Alter Kurdurchführung


Search only the database: 

 

Zurück | Weiter

© Top Fit Gesund, 1992-2024. Alle Rechte vorbehalten – ImpressumDatenschutzerklärung