Psychologische und psychotherapeutische Gedanken zur Behandlung im Kurort*) |
Journal/Book: Sonderdruck aus DER KUR- UND BADEARZT Heft 7/68. 1968;
Abstract: Von W. Amelung Königstein**) *) Herrn. Prof. Dr. J. H. Schultz zum 84. Geburtstag. **)Auszugsweise vorgetragen am 6. Fortbildungskurs in Bad Oeynhausen am 23. März 1968 Der Arzt im Kurort im Heilbad ist im Vergleich zum Hausarzt dadurch im Nachteil daß er den jeweiligen Kranken nur kurze Zeit in Behandlung hat. Dafür aber findet er einen Patienten vor der von jedwedem Alltag gelöst ist sich in einer schönen Landschaft mit freundlichen äußeren Eindrücken befindet und nicht selten in euphorischer Stimmung zur Behandlung kommt und Erholung sucht. Voraussetzung eines Behandlungserfolges ist allerdings daß der Kurgast gern zur Kur gekommen und der Kurort der Ort seiner Wahl ist. Auch darf der Patient nicht die Befürchtung haben durch das Ergebnis der Schlußuntersuchung wirtschaftlich geschädigt zu werden (Herabsetzung der Rente). Mehr noch als zu Hause ist häufig die Persönlichkeit des Arztes das Fluidum das er neben allen seinen beruflichen Fähigkeiten ausstrahlt für den Ablauf der Kur entscheidend. Hermann H e s s e gibt in seiner berühmten Novelle "Kurgast" eine unübertreffliche Analyse der ersten Begegnung zwischen Badearzt und Kurgast. Das Vertrauen des schwierigen Patienten gewinnt der Arzt nicht nur durch sein Sachkönnen sondern auch durch seine Humanität. Hören wir Hesse: "Ich erwarte ich weiß selbst nicht genau warum vom Arzt einen Rest jenes Humanismus zu welchem die Kenntnis des Latein und des Griechischen und eine gewisse Philosophie Vorschule gehören und der in den meisten Berufen des heutigen Lebens nicht mehr benötigt wird. In dieser Hinsicht bin ich sonst voll Freude am Neuen und Revolutionären überaus rückständig; ich verlange von den höher gebildeten Ständen einen gewissen Idealismus eine gewisse Bereitschaft zu Verständnis und Auseinandersetzung ganz unabhängig vom materiellen Vorteil kurz ein Stück Humanismus". Und weiter nach dem ersten Gespräch: "Zufrieden und mit zahlreichen 'Kurvorschriften versehen nahm ich vom Arzte Abschied. Der Zettel den ich in der Brieftasche trug und dessen Befolgung morgen in aller Frühe beginnen sollte verhieß mir mancherlei heilsame und amüsante Dinge: Bäder Trinkkur Quarzlampe Heilgymnastik. Also mit der Langeweile kann es nicht allzu schlimm werden." Gelten nicht auch heute noch diese Empfindungen und Gedanken des Kurgastes Hermann H e s s e ? Unzweifelhaft wirkt neben den örtlich gebundenen Heilmitteln und den übrigen Kuranwendungen die planmäßige wirkungsvolle Einteilung des Tages das Aneinanderreihen erfreulicher nicht alltäglicher Pflichten. Der Kurarzt kann allein durch eine richtige Aufteilung der einzelnen Verordnungen aber auch der Freizeit wichtige therapeutische Einflüsse ausüben. Die erste Untersuchung und das erste ärztliche Gespräch sollen unter keinem Zeitdruck stehen. ... ___MH
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