Der WPW-Alternans (Bericht über einen Fall) |
Journal/Book: Samml. seltener klin. Fälle (1958) H.XV. 1958;
Abstract: Dr. med. H. Jordan Kliniken der Staatl. Rheumaforschungsanstalt des Staatsbades Bad Elster (Chefarzt: Doz. Dr. med. habil. K. Lühr) Seitdem Wolf Parkinson und White (1) 1930 an 11 Fällen das nach ihnen abgekürzt benannte WPW-Syndrom beschrieben ist die Zahl der klinischen Berichte und Experimente die sich mit diesem Problem befassen stark angestiegen. Die neueren Anschauungen gehen dahin daß die Annahme eines Paladino-Kentschen Bündels als conditio sine qua non für das Syndrom weitgehend fallengelassen wurde. Sowohl klinische Beobachtungen als auch pharmakologische Prüfungen haben den funktionellen Charakter die temporäre Bedingtheit und Reversibilität des Syndroms in den Vordergrund gerückt und eindringliche Beweise dafür geliefert daß nicht ein Seitenweg für die Erregungsüberleitung benützt wird sondern daß vielmehr die normale Erregungsbahn insbesondere der Bündelstamm durch verschiedenste Einflüsse verändert werden kann so daß das elektrokardiographische Bild des WPW-Syndroms entsteht. Gegen das Primat des Paladino(2)-Kentschen Bündels haben sich besonders Franke und Vetter (3) ausgesprochen die eine Reihe elektrokardiographischer klinischer erbbiologischer (s. auch 22 23) pharmakologischer tierexperimenteller und anatomischer Einwände gegen die Theorie vorbrachten. Die zahlreichen neueren Arbeiten betonen übereinstimmend den funktionellen Charakter des Syndroms das sich im Zuge manifester oder larvierter Myokardläsionen fokaltoxisch oder auch im Verlaufe von Herzinsuffizienzen (5) oder anderer entzündlicher bzw. neoplastischer (6) Erkrankungen entwickeln kann. Atropingaben bewirken eine vorübergehende Normalisierung des Syndroms Vagomimetica und Digitalis verstärken es (7). Aus Tierversuchen ist bekannt daß man - ohne typisches WPW-Syndrom! - eine "accelerated conduction" mit Cocain Formaldehyd und Acetylstrophantidin am AV-Knoten injiziert erreichen kann (8); am Meerschweinchen gelingt es mit 0 05 mg Protoveratrin intraperitoneal ein "gleitendes WPW-Syndrom" hervorzurufen (9). Wir selbst konnten einmal sinussynchrone Schwankungen der Überleitungszeit (10) beobachten. Angeführt seien alle diese - bei weitem im Literaturzitat nicht vollständigen - Angaben nur um schlaglichtartig zu beleuchten wie stark die funktionellen Gesichtspunkte über die Bündeltheorie (besonders gilt dies für die Ergebnisse von Chen-Tang-Tung [11]) überwiegen. Ausführliche Literatur bis 1947 bei Lepeschkin (12) Franke und Vetter (3) und Gadermann (4). Zu den "funkionellen" Bildern des WPW-Syndroms ist auch der bisher sehr selten beschriebene Fall des WPW-Alternans zu rechnen von dem wir im folgenden eine eigene Beobachtung demonstrieren möchten. Es handelt sich um einen jetzt 47jährigen Angestellten O. We. der mit der Diagnose "Herz- und Coronarinsuffizienz" zur Bäderkur eingewiesen wird. Vorgeschichte: Familiär ohne Besonderheiten insbesondere keine Herz- oder Kreislauferkrankungen. War nie ernstlich krank. Keine Venera. In den letzten Jahren des vergangenen Krieges als Soldat "immer mal Herzbeschwerden" im Sinne von Palpitionen Schwindel und Angstgefühlen. Hat trotzdem Kriegsdienst getan. 1945 keine wesentliche Inantion erlitten in den folgenden Jahren keine wesentlichen Beschwerden. 1955 kam es im März nach einer "Grippe" zu einem pectanginösen Anfall. Die angefertigten EKG-Kontrollen am 9. 3. 20. 10. 1955 und 3. 2. 1956 sind in der Abb. 1 dargestellt. Sie wurden seinerzeit in der Verlaufskontrolle als "intermittierendes WPW-Syndrom" angesprochen. Aus ihnen ist ersichtlich daß das typische WPW-Bild nur am 9. 3. 1955 sichtbar war. Seit der letzten EKG-Kontrolle bis zu unserer Beobachtung waren gut fünf Monate verstrichen. Herr We. war in dieser Zeit arbeitsfähig klagte immer über Beschwerden wie "Reißen" in der Herzgegend bis in den linken Arm hinein besonders bei Anstrengung und Aufregungen. Leichte Anstrengungsdyspnoe bestand selten Schwindelgefühl keine Ödeme oder Nykturie. Ohne Abb.1 Befund: Mäßiger AZ. Verstärkte Venen- und Carotispulsation am Hals. Herz links 1 Querfinger verbreitert Spitzenstoß an normaler Stelle gerade eben fühlbar. Ganz kurzes sehr weiches Protosystolicum über Apex und Basis in der Exspirationsphase etwas verstärkt. P II gering betont. Guterhaltene respiratorische Arrhythmie. RR. 148/88. Fr.: 92/min. Leber: - Milz: - Plesch: - Bilsky: - keine Ödeme Untersuchungsbefunde: EKG vom 7. 7. und 17. 7. 1956 s. Abb. 2 und 3. Kymographische Beurteilung: Steilgestelltes Herz; Winkel = 50° Frequenz 100. Nach Belastung Herz verbreitert Winkel = 40° im Vergleich zum Ruhe-Kymo jetzt Pulsationstyp II mit kleiner Splitterung der systolischen Medialbewegung. Kreislauf-Steh-Prüfung (Schellongtest Teil l + II): Hyperdiastolischer Typ ohne Absinken des systolischen Druckes ("verstärkte" Steh-Reaktion). Elektrophorese: Normale Werte. Gesamteiweiß: 7 41 g% BSR: 3/7. Blutbild: Hb.: 15 5 g%; Ery.: 4 86; F.-J.: 0 91; Leuko: 4400; Ausstrich: o. B. Verlauf und Behandlung: Die regelrechte CO2-Bäderkur wurde glatt und gut vertragen subjektiv trat eine Besserung ein. B e s p r e c h u n g : Vergleichen wir Abb. 1-3 so läßt sich belegen daß am 9. 3. 55 das WPW-Syndrom in typischer Form bestand. Am 20. 10. 55 und am 3. 2. 56 ist es nicht mehr nachweisbar. Dagegen sind erhebliche Formveränderungen der elektrischen Herzstromkurve eingetreten: Typenwandel Höhenwechsel der Nachschwankung Formänderungen der Vorhofzacke. Am 9. 7. 56 (Ohne Abb. 2) tritt das Alternieren des WPW-Syndroms mit normalgeformten Kammerschlägen (letztere sind in Abb. 3 im EKG vom 17. 7. 56 zu erkennen) auf das am 17. 7. (Ohne Abb. 3) nicht mehr nachweisbar wird. Soweit reichen unsere Beobachtungen. Der Alternanstyp des WPW-Syndroms gibt zu einigen differentialdiagnostischen Erwägungen Anlaß. Denkbar wären z. B. regelmäßig eingestreute supraventrikuläre Extrasystolen die vom oberen Knotenanteil ausgehen müßten. Die Hypokymatie der Abfolge sowohl der "normalen" wie auch der "annormalen" Kammerschläge spricht aber ebenso dagegen wie die typische Ausprägung des Syndroms die eigentlich unverkennbar ist. Ganz konstruiert erschiene die Annahme zweier parasystolischen Zentren die im völlig gleichen Rhythmus und dazu noch extrem hypokymatisch gedacht werden müßten. Einer brieflichen Äußerung von Herrn Prof. Schennetten1 entnehmen wir die Bestätigung unserer Annahme eines WPW-Alternans für diesen Fall. Die uns zugängliche Literatur läßt vereinzelt gleiche Bilder erkennen: Franke und Vetter (3) beschreiben einen spontanen Wechsel zwischen normalen und "WPW-Schlägen" (Abb. 1 ihrer Arbeit) und verwerten diese Beobachtung in ihrer Stellungnahme gegen die Theorie des an geborenen Paladino-Kentschen Bündels. Mihálkovics und Kováts (13) beschreiben ein ähnliches Bild (Abb. 3b ihrer Arbeit) das sie dem Paladino-Kent-Typus" zuordnen. Schließlich fanden wir in den Alternans-Studien von Kahn und Starkenstein (14) die die Entstehungsmodi der Pulsus alternans-Formen unter Glyoxylsäureeinwirkung am Hund betrafen auch elektrokardiographische Bilder die einem Wechsel normaler Kammerschläge mit solchem die einem WPW-Syndrom sehr ähneln erkennen lassen (Tafel XV Fig. 13. ihrer Arbeit). Wir wollen die anderen noch bestehenden Theorien der Entstehung des WPW- Syndroms hier übergehen (z. B. Holzmann und Scherf (15) de Boer (16) Katz und Kaplan (17) Hauss und Schütt (18) Moia und Inchauspe (19) Zamfir und Stroescu (20) Hunter Papp und Parkinson (21). Daß das Syndrom im Gefolge besonders entzündlicher Myokardveränderungen entstehen ist allgemein bekannt geworden (s. z. B. 4 5 6); auch in unserem Falle trifft das offenbar zu. Wir halten gerade den Alternanstyp des WPW-Syndroms für einen weiteren Beweis von gewissem demonstrativen Wert für die Auffassung daß das Hissche Bündel - also die normalveranlagte Überleitungsbahn - im Stammbereich unter dem Einfluß von Infekten (oder Durchblutungsstörungen?) eine partielle Längsblockierung erfährt die unter wechselnden vegetativen Bedingungen funktionell stärker oder schwächer in Erscheinung tritt. Es würde also einmal ein normaler zum anderen ein teilweise geschädigter oder blockierter Leitungsweg befahren; im Falle des Alterns in regelmäßigem Wechsel. Es stehen uns keine pharmakologischen Prüfergebnisse zur Verfügung die weitere Entscheidungen unter Umständen ermöglicht hätten; dazu bot uns der kurze Kuraufenthalt des Patienten keine Gelegenheit. Ziel der Darlegung war auch nicht eine pathogenetische Studie sondern die Mitteilung dieses seltenen Ereignisses aus der funktionellen Pathologie des Herzens die unseres Erachtens einen publizistischen Hinweis rechtfertigt. Z u s a m m e n f a s s u n g Bericht über einen Fall bei dem es offenbar im Zuge eines banalen fieberhaften Infektes zu einem intermittierenden WPW-Syndrom kam das zeitweise elektrokardiographisch einen anhaltenden Alternanstyp auswies. Literatur 1. Wolff L. J. Parkinson und P. O. White Amer. Heart J. 5 685 (1930). 2. Paladino (zit. nach Franke und Vetter s. d.) Kent J. Physiol. 14 233 (1893). 3. Franke H. und R. Vetter Zschr. klin. Med. 144 21 (1944). 4. Gadermann E. Zschr. klin. Med. 148 1 (1951). 5. Wille Th. Ärztl. Wschr. 6 946 (1951). 6. Garten J. Dtsch. GesdWes. 534 (1951). 7. Blinder H. J. Burstein und R. Smelin Amer. Heart J. 44 268 (1952). 8. Borduas J. L. L. Rakita R. Kennamer und Prinzmetal Circul. XI 69 (1955). 9. Wohlrab K. Zschr. Kreislforschg. 43 776 (1954). 10. Jordan H. Zschr. inn. Med. 9 199 (1954). 11. Chen-Tang-Tung Amer. Heart J. 2 89 (1936). 12. Lepeschkin E. Das Elektrokardiogramm. Th. Steinkopff Dresden-Leipzig 2. Aufl. 1947. 13. Mihalkovics T. und Z. Kovats Zschr. Kreislforschg. 35 388 (1943). 14. Kahn R. H. u. E. Starkenstein Pflüg. Arch. 133 579 (1910). 15. Holzmann u. Scherf Zschr. klin. Med. 121 404 (1932). 16. de Boer Erg. Physiol. 21 1 (1913). 17. Katz und Kaplan Amer. Heart J. 16 694 (1938). 18. Hauß und Schütt Zschr. klin. Med. 133 665 (1938). 19. Moia und Inchauspe Rev. Argent. Cardiol. 5 114 (1938). 20. Zamfir und Stroescu Bull. Soc. Med. Hop. Bucuresti 21 225 (1939). 21. Hunter Papp und Parkinson Brit. Heart J. 2 107 (1940). 22. Öhnell Cardiol. (Basel) 4 249 (1940). 23. Koch E. Zschr. Kreislforschg. 39 347 (1950). 1Herrn Prof. Schennetten sei auch an dieser Stelle für seine Beratung herzlichst gedankt.
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