Beseitigung des pectanginösen Schmerzes durch subcutane Novocaingaben |
Journal/Book: Dtsch. Gesundheitswesen 06 (1951) 29 816-817. 1951;
Abstract: Aus den Staatlichen Kliniken und der Rheumaforschungsanstalt des Staatsbades Bad Elster (Chefarzt: Doz. Dr. med. habil. K. Lühr) Die mannigfaltigen Ursachen für das Zustandekommen des Angina-Pectoris (AP-)Schmerzes sind bekannt; desgleichen die notwendigerweise zu beachtenden Unterschiedlichkeiten dieser Erscheinung in ihrer Bewertung als klinisches Symptom. Die Abgrenzung organischer oder funktioneller Coronarspasmen ist trotz aller methodischen Verfeinerungen der Diagnostik nicht leicht; allerdings ist die Notwendigkeit dieser Trennung nach der heute herrschenden Auffassung des Begriffes "funktionell" nicht mehr so evident da sich aus jeder funktionellen Störung die organische Schädigung - in unserem Falle am Myocard - entwickeln kann. Die regelmäßige Untersuchung der auf das Herz zu beziehenden Head'schen Zonen hat sich uns als ein recht brauchbares Differentialdiagnostikum erwiesen um das mehr vegetativ-endokrine AP-Bild von echten Coronarerkrankungen abzugrenzen. Eine therapeutische Konsequenz solcher Beobachtungen bildete die Novocainblockade dieser Head'schen Zonen die wir in Einzelfällen mit einer perineuralen Umflutung der Gangliengegend links paravertebral in Segmenthöhe (D4-6) kombinierten. Die guten anfänglichen Erfolge (Jordan) ließen uns weitere Versuche unternehmen. Wir sind uns - um das vorauszuschicken - über die vorhandenen Täuschungsmöglichkeiten im klaren die solchen therapeutischen Versuchen anhaften. Dies besonders da die hier durchgeführten Behandlungen an einem Patientengut angewandt wurden das stets unter dem ja nicht unbedeutenden Einfluß von Milieuänderungen insbesondere auch in klimatologischer geophysikalischer und balneotherapeutischer Hinsicht stand. Jedoch können wir trotz aller kritischen Einschränkungen sagen daß die von uns vor allem bei vegetativ-endokrin bedingten AP-Schmerzen angewandte subcutane Novocainblockade der Herzbasisgegend oder der Head'schen Zone so gut wie immer eine wesentliche Hilfe darstellt. In etwa 90% unserer Fälle beobachteten wir bei streng subcutaner Applikation einen schmerzbeseitigenden Effekt der einen Tag eine Woche und (in 4 Fällen sicher nachkontrolliert) gelegentlich ein zwei Monate anhielt. Es handelt sich dabei um 51 Fälle von vegetativer Dystonie im Sinne v. Bergmann's Hyperthyreose und latenter Tetanie. Bei den bekannten Schwierigkeiten gerade in der Therapie dieser AP-Schmerzen empfanden wir in dieser therapeutischen Möglichkeit eine willkommene Bereicherung der Behandlungsweise. Weniger gute Effekte erzielten wir bei AP auf Grund von Vitien und Hypertonien. Gut sprachen in unserer Behandlungsreihe bisher die Aortenklappeninsuffizienzen gegenüber anderen Vitien an (5 Fälle davon 1 völlig unbeeinflußt die übrigen über einen Zeitraum von 3-12 Tagen beschwerdefrei bzw. beschwerdeärmer). Die Hypertonien (übrigens gleich welcher Genese) reagierten am schlechtesten. Die 9 bis jetzt behandelten Fälle zeigten auch ohne Novocain jene krisenhaften charakteristischen Besserungen denen der besonders meteorolabile Hypertonuskranke gerne unterliegt. Nur 2 Patienten gaben an; eine "geringe" Besserung für 1 resp. 2 Tage empfunden zu haben. Auch Sklerotiker der benignen nicht progressiven Form sprachen - für uns beinahe überraschend - mitunter sehr gut auf diese Behandlung an. Das Gefühl der "freien Brust" ist ja für all diese Kranken besonders auch in psychischer Hinsicht ein wertvolles Eigenerlebnis selbst wenn es nur eine kurze Zeitspanne anhält Es bereitet aber den Boden für eine etwaige Wiederholung der Blockade in günstigster Weise vor und schafft eine für den Behandlungserfolg bedeutende Alteration besonders wenn längere erfolglose therapeutische Versuche vorausgegangen sein sollten. Unter Umständen haben wir - bei fehlendem Ersterfolg - die Blockade 1-2mal wiederholt. Es sei nur kurz erwähnt daß wir mit 10-20ccm einer 1-2%-Lösung eine 4-5cm breite quere und ausgiebige Subcutanblockade setzten als deren Folgeerscheinungen lediglich die bekannten Schwindelgefühle zu verzeichnen waren. Citocain erwies sich in unseren Fällen im Ganzen gesehen etwa gleich wirksam jedoch fielen uns dabei öfters einmal Klagen über Druck und ziehende Schmerzen an der Injektionsstelle auf. Ernsthaftere Erscheinungen wurden nicht beobachtet. Wir verwendeten jedenfalls das Citocain durchaus und haben auch damit befriedigende Erfolge erzielt. Die Blockadewirkung auch über den Zeitpunkt des anästhesierenden Effektes hinaus ist bekannt wird aber keineswegs einheitlich beurteilt. Sicher ist wohl daß es sich bei subcutaner Deponierung von Novocain um eine Unterbrechung des viscerokutanen Reflexbogens handelt die neben der Analgesie insofern eine weitere Bedeutung gewinnt als damit wohl gewisse den normalen Funktionsablauf störende Impulse beseitigt werden können wie sich Althoff ausdrückt Wir haben bewußt von einer exakteren Darlegung unserer Ergebnisse Abstand genommen und die Gründe dafür schon angedeutet. Unsere Mitteilung beabsichtigt lediglich eine Ergänzung zu den Angaben Althoffs über die klinische Verwendung des Novocains speziell in der Herztherapie darzustellen. Abschließend sei bemerkt daß Zwischenfälle etwa im Sinne von Wawersik und Rohkrämer oder Cremerius und Curshmann nicht zur Beobachtung kamen. Die intravenöse Applikation von Novocain erwies sich der Subcutanblockade nach unseren Beobachtungen unterlegen. Zusammenfassung: Es wird summarisch über die Verwendbarkeit einer subcutanen Novocainblockade über der Herzbasis bzw. im Bereich der Head'schen Zonen des Herzens zur Behandlung des pectanginösen Schmerzes berichtet. Diese Therapie empfiehlt sich besonders bei vegetativ-endokrin bedingten funktionellen Coronarschmerzen. Literatur: 1. Althoff H.: Die therapeutische Novocainanwendung in der Inneren Medizin. Th. Steinkopff Dresden- Leipzig 1947. 2. Cremerius J. u. H. Curshmann: Dt. med. Wschr. 1950; 3983. 3. Eichholtz F.: Klin. Wschr. 1950 761. 4. Jordan H.: Z. ärztl. Fortb. 1949 644. 5. Wawersik Fr. u. H. Rohkrämer: Dt. med. Wschr. 1950 1625. Nachtrag bei der Korrektur: J. Pravell (Circulation III [1951] 1: 120) berichtet über gute Erfolge durch lokale Novocain-Infiltrationen der Reizzonen der Brustmuskulatur im schmerzfreien Intervall bei akuter Coronarthrombose bei der sich zur Behandlung des akuten Zustandes der Chloräthylspray der Herzgegend empfiehlt.
Keyword(s): Herz-Kreislauf medikamentöse Therapie
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