Neue Indikationen für alte Medikamente

Journal/Book: MMW-Fortschr. Med. - Nr. 10/ 1991; S. 137/ 39; (133 Jg.). 1991;

Abstract: Prof. Dr. med. H. Holzgreve Medizinische Poliklinik der Universität München Nachdem Robert Koch im Jahr 1890 entdeckt hatte daß Goldzyanid in vitro das Wachstum von Mykobakterien hemmt wurden Goldsalze zur Therapie der Tuberkulose eingeführt [2 4]. Seit 1927 setzte man sie bei der chronischen Polyarthritis ein [3] wo sie bis heute das wichtigste Basistherapeutikum geblieben sind. Dieses frühe Beispiel lehrt daß für alte Medikamente im Lauf der Zeit nicht selten neue Indikationen gefunden werden. Indikationserweiterung Inzwischen wurden für zahlreiche Arzneimittel zusätzliche Indikationen erschlossen ohne daß ihr ursprünglicher therapeutischer Stellenwert verlorenging. So werden Thiaziddiuretika heute nicht nur zur Ausschwemmung von Ödem und Aszites verordnet sondern auch zur Behandlung der Hypertonie der Hyperkalziurie und des Diabetes insipidus renalis. Das gesicherte Indikationsspektrum der Betablocker umfaßt koronare Herzkrankheit Herzrhythmusstörungen Hypertonie Migräne Tremor und Glaukom (mit Augentropfen). Colchicin wird heute nicht nur als Gichtmittel sondern auch bei Amyloidose und beim familiären Mittelmeerfieber eingesetzt. Penicillamin war als Chelatbildner zunächst nur zur Behandlung von Schwermetallvergiftungen und des Morbus Wilson konzipiert; heute werden als Indikationen chronische Polyarthritis chronisch aggressive Hepatitis primäre biliäre Zirrhose Lungenfibrose Zystinurie Zystinsteine und Sklerodermie genannt. Immunglobuline werden erfolgreich bei Thrombozytopenie eingesetzt und die Acetylsalicylsäure hat heute als Thrombozytenaggregationshemmer in der Sekundärprophylaxe kardiovaskulärer Erkrankungen größere Bedeutung erlangt als als Analgetikum und Antiphlogistikum in der Arthritis-Therapie. Selbst ein Medikament das wegen schwerster Nebenwirkungen vom Markt genommen werden mußte hat offenbar Chancen sich ein neues Indikationsgebiet zu erobern: z. B. das Hypnotikum Thalidomid für die Behandlung des Morbus Behçet. Stringenz Irrtum Zufall Häufig kann nicht mehr entschieden werden ob eine neue Anwendung auf - richtige oder falsche - Vorstellungen über die pharmakologischen Eigenschaften des Medikamentes oder die Pathogenese der Erkrankung auf sorgfältige klinische Beobachtung oder auf zufällige Entdeckung zurückgeht. Der Einsatz von Gold bei chronischer Polyarthritis erfolgte seinerzeit unter der (falschen) Annahme daß diese Erkrankung eine klinische Manifestation einer Mykobakteriose sei [4]. ... ab

Keyword(s): E2 Arzneitherapie

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