Die Kur im Europa 1993

Journal/Book: Heilbad & Kurort 42 (1990) 4 S.90-94. 1990;

Abstract: * Vortrag am 15. Februar 1990 anläßlich des Führungsseminars des Heilbäderverbandes Baden-Württemberg in Bad Liebenzell (siehe auch Tagungsbericht Seite 107). Hauptgeschäftsführer Rechtsanwalt Uwe J. Wochendorf Bonn Die bisherigen Ausführungen anläßlich des Führungsseminars haben deutlich gezeigt daß wir uns mit dem Gedanken beschäftigen müssen die nationale Souveränität aufzugeben. Es soll ein gemeinsamer Sozialraum geschaffen werden. Allerdings ist bereits im Vorfeld der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes klar erkennbar daß viele unbeantwortete Fragen bestehen. Lösungen beziehungsweise gesetzliche Vorgaben sind zur Zeit nicht erkennbar. Hier sehe ich jedoch eine Chance durch eine rechtzeitige Initiative Maßstäbe entsprechend unserer nationalen Vorgaben und Anforderungen zu setzen. Die "Welt am Sonntag" schreibt in einem Artikel am 4. Februar 1990: "Bevor der Geheime Rat Johann Wolfgang von Goethe Marienbad besuchte um seine Beschwerden loszuwerden schrieb er: Mir macht es ein ganz wunderbares Vergnügen wieder eine schöne ruhige Zeit vor mir zu sehen wo man sich pflegen eine heilsame Quelle brauchen und dabei gar vieles abtun kann.' Allerdings war die Sorge seiner kurenden Zeitgenossen um ihre Gesundheit oft nur ein Vorwand: Der Besuch eines der renommierten Bäder gehörte ebenso zur gesellschaftlichen Reputation wie Beziehungen zum Hof eines der vielen Fürsten wie die eigene Reisekutsche und vielköpfiges Dienstpersonal. Man traf sich während der Saison im Bad. Kurorte waren beliebte Heiratsmärkte alles in allem ein Tummelplatz der Eitelkeit. Von Kuranwendungen wird wenn überhaupt nur in Verbindung mit dem Vergnügen gesprochen. Ähnliches galt für die gediegenen Kurorte im antiken Griechenland die üppigen römischen Thermen die derben mittelalterlichen Badestuben und die vornehmen Weltbäder in denen jahrzehntelang die Mächtigen zu Hause waren. Wo früher Kaiser und Könige Dichter und Denker mit dem Becher in der Hand über schattige Promenaden wandelten schlendern heute Herr und Frau Jedermann. Heute steht die Gesundheit im Vordergrund einer Kur. Das Angebot der deutschen Heilbäder für verschiedene Krankheiten von Herzbeschwerden bis zu Rheuma ist vielfältiger denn je." Wir müssen daher so meine ich besonders zum jetzigen Zeitpunkt eine Bestandsaufnahme machen. Wir müssen uns dabei die Frage stellen was unser Produkt überhaupt ist. Hierzu verweise ich auf "die Grundlagen der Kurortmedizin und ihr Stellenwert im Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland" ein Buch das vom Deutschen Bäderverband im Jahr 1987 herausgegeben worden ist. Im Glossar ist der Kurbegriff recht eingehend und umfangreich beschrieben. Hier wird im wesentlichen die Kur mit medizinischen Argumenten definiert und dargestellt. Ist die medizinische Kur unser Produkt der Zukunft? Ich komme hierauf später zurück! Fast vier Jahrzehnte lang haben sich die deutschen Heilbäder und Kurorte zu einer wichtigen Säule der medizinischen Versorgung der Bevölkerung entwickelt. Viele - und sehr unterschiedliche Faktoren haben synergetisch dazu beigetragen daß das deutsche Kurwesen ein in der Welt nahezu einzigartiges Phänomen geworden ist; eine Kombination von Medizin Psychologie Kultur Tradition und einem Ambiente das in den Begriffsbestimmungen als "Kurortcharakter" bezeichnet wird vielleicht sogar wie ausländische Beobachter meinen einem Schuß Mystik in der Verbundenheit zur Natur. Der Heidelberger Medizinhistoriker Professor Dr. Schipperges betrachtet das hochentwickelte Kurwesen in unserem Land sowie auch in einer Reihe der übrigen europäischen Länder als Konsequenz einer Jahrtausende alten Tradition und Kultur in der sich eine Heilkultur im Sinne einer Leib und Seele gemeinsam umfassenden ärztlichen Heilkunst seit dem antiken Griechentum bis in unsere Tage erhalten hat. Es hat sich eine Vielfalt von Kuren herausgebildet so unter anderem die "Gähn-Kur" die sich um das Jahr 1894 einer sonderbaren Beliebtheit erfreut hat.

Keyword(s): Kur Kurort Zukunft Geschichte

Zurück | Weiter