J. Knobloch zur Reisemedizin Patient wie Arzt gefordert |
Journal/Book: Münch. med. Wschr. 141 (1999) Nr. 9 S. 95/23. 1999;
Abstract: Prof. Dr. J. Knobloch Institut für Tropenmedizin Universitätsklinikum Tübingen Keplerstr. 15 D-72074 Tübingen. Etwa 5 Millionen Deutsche verreisen jährlich in tropische und subtropische Länder etwa 2 Millionen von ihnen erkranken infolge dieser Exposition. Verschiedene Studien haben gezeigt daß nur eine Minderheit der Fernreisenden in den Genuß zeitgemäßer prophylaktischer und therapeutischer reisemedizinischer Maßnahmen kommt. Das Dilemma wird klar wenn man berücksichtigt daß die Reisemedizin ebenso wie andere medizinische Disziplinen zum Spezialgebiet geworden ist dessen fachgerechte Ausübung entsprechende Kenntnisse und Erfahrungen erfordert. Trotz großer Angst vor Krankheiten und Spritzen reist der Deutsche millionenfach in die Tropen. Die dazu notwendige Zeit können aber nur solche Kolleginnen und Kollegen aufbringen die sich ausschließlich oder ganz überwiegend mit der reisemedizinischen Theorie und Praxis beschäftigen. Diese erreichen jedoch schätzungsweise gegenwärtig nicht viel mehr als 5% der privat Fernreisenden. Auch im arbeitsmedizinischen Bereich macht nur eine Minderheit der Versicherten von den von der Berufsgenossenschaft vorgesehenen Rechten und Pflichten Gebrauch. Es ist daher nicht verwunderlich daß vermeidbare Gesundheitsstörungen infolge eines Tropenaufenthaltes nicht selten sind und insbesondere dann zu einigem Aufsehen mit gelegentlich strafrechtlichen Konsequenzen führen wenn der Ausgang letal war. Hinsichtlich der Reisenden sind einige deutsche Spezifitäten zu berücksichtigen die eine kürzlich abgeschlossene Studie im Vergleich zu fünf anderen europäischen Ländern aufgedeckt hat: Deutsche haben vergleichsweise gute reisemedizinische Kenntnisse glauben mehrheitlich an die Effektivität der Impfstoffe und an eine weiterhin erfolgreiche Impfstoffentwicklung. Sie haben große Angst vor Reisekrankheiten aber auch vor Injektionen. Andererseits gibt es in Deutschland einen höheren Anteil an Impfgegnern die Impfungen für unnatürlich und das Immunsystem überlastend halten - in dieser Ansicht gelegentlich sogar von Ärzten unterstützt die "homöopathische Impfungen" und andere paramedizinische Maßnahmen vorziehen. Überspitzt formuliert reist demnach der Deutsche trotz großer Angst vor Krankheiten und Spritzen millionenfach in die Tropen und Subtropen wobei er sich mehrheitlich auf seine eigenen medizinischen Kenntnisse verläßt die von seinem Arzt der gelegentlich für Reiseimpfungen konsultiert wird nur unwesentlich erweitert werden. Schon aus statistischen Gründen kann reisemedizinische Expertise von den 280000 deutschen berufstätigen Ärztinnen und Ärzten bei z. B. nur etwa 900 importierten Malariafällen pro Jahr in vielen Bereichen nicht erworben werden. So hat es sich in der Reisemedizin bewährt einen Teil der speziellen Gesundheitsvorsorge dem Patienten zu übertragen indem er z. B. über die Besonderheiten bestimmter Tropenkrankheiten aufgeklärt und in Gebieten mit fehlender ärztlicher Versorgung zur Notfall-Selbsttherapie ermutigt wird. ... ___MH
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