Wann ist Verlaß auf medizinische Leitlinien? Folge 7 |
Journal/Book: Münch. med. Wschr. 140 (1998) Nr. 6 S. 42-46. 1998;
Abstract: Dr. med. M. Perleth Abteilung Epidemiologie und Sozialmedizin Medizinische Hochschule Hannover D - Hannover. Bei der sog. Evidenz-basierten Medizin (EBM) geht es nicht um "Kochbuchmedizin". Sie will ärztliche Entscheidungen keineswegs ersetzen sondern ergänzen und fundieren d.h. auf wissenschaftliche Erkenntnisse (Evidenz) stützen. Diese von M. Perleth Hannover und G. Antes Freiburg koordinierte Seminarserie stellt erstmals in Deutschland das Konzept der EBM in seiner Vielfalt und seinen Anwendungsmöglichkeiten vor. Im vorliegenden Beitrag finden Sie Qualitätskriterien für die Entscheidungshilfen die heute Ärzte wie auch Gesundheitspolitiker zunehmend interessieren. Szenario In einem Qualitätszirkel von Hausärzten wird diskutiert ob in der Hypertoniebehandlung künftig Leitlinien verwendet werden sollen da diese von Experten zusammengestellt sind und außerdem das aufwendige Aufarbeiten der Originalliteratur mit den jeweils neuesten Forschungsergebnissen entfällt. Nach eingehender Diskussion wird beschlossen für das nächste Treffen einige einschlägige Leitlinien zu besprechen und deren Umsetzbarkeit im Praxisalltag zu prüfen. Nach einigen Recherchen zeigt sich daß eine Reihe von Leitlinien z.T. deutlich unterschiedliche Grenzwerte für eine behandlungsbedürftige Hypertonie angeben. Tabelle 1 (o. Tab.) nennt einige von verschiedenen internationalen Gremien festgelegte Grenzwerte. Zu denken gibt außerdem eine englische Studie die anhand der Krankenakten von 876 Patienten mit medikamentös behandelter Hypertonie aus 18 Allgemeinarztpraxen überprüfte wieviele Patienten nach insgesamt fünf untersuchten Leitlinien jeweils als "kontrolliert" zu gelten hätten [4]. Demnach variierte der Anteil der als kontrolliert Klassifizierten zwischen 17 5 und 84 6%. Insgesamt wurden nur 31% aller Patienten von allen Leitlinien übereinstimmend klassifiziert. Je nach Leitlinie würde also ein unterschiedlich hoher Prozentsatz von Patienten als behandlungsbedürftige Hypertoniker eingestuft. Was sind Leitlinien? Unter klinischen oder Praxis-Leitlinien versteht man idealerweise systematisch entwickelte evidenzbasierte eventuell auf Konsens beruhende Feststellungen die Ärzten und Patienten Orientierungs- und Entscheidungshilfen für medizinische Maßnahmen unter definierten charakteristischen Bedingungen liefern sollen. Das Befolgen solcherart entwickelter Leitlinien läßt ein verbessertes gesundheitliches Ergebnis der ärztlichen Behandlung erwarten (nach [6]). Im Gegensatz zu Richtlinien sind Leitlinien zwar nicht juristisch aber normativ verbindlich. Sie können jedoch Vorstufen für verbindliche Richtlinien darstellen besonders wenn sie bereits auf einem Konsens in Fachkreisen beruhen. Letztere sind verbindliche und eventuell sanktionierte Regelungen und beziehen sich meist auf spezielle diagnostische oder therapeutische Methoden [2]. Qualitätssicherung mit Leitlinien. Man kann - und sollte - zwischen Leitlinien als Instrumente der Kostenkontrolle und als Instrumente der Qualitätssicherung unterscheiden. ... ___MH
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