Kritische Beurteilung einer Übersichtsarbeit Folge 6 |
Journal/Book: Münch. med. Wschr. 140 (1998) Nr. 5 40-44. 1998;
Abstract: Dr. med. H. C. Bucher M.P.H.; Medizinische Universitäts-Poliklinik Kantonsspital Basel CH - Basel. Bei der sog. Evidenz-basierten Medizin (EBM) geht es nicht um "Kochbuchmedizin". Sie will ärztliche Entscheidungen keineswegs ersetzen sondern ergänzen und fundieren d.h. auf wissenschaftliche Erkenntnisse (Evidenz) stützen. Diese von M. Perleth Hannover und G. Antes Freiburg koordinierte Seminarserie stellt erstmals in Deutschland das Konzept der EBM in seiner Vielfalt und seinen Anwendungsmöglichkeiten vor. Kriterien zum Prüfen der Qualität und Praxisrelevanz einer Metaanalyse sind Thema des vorliegenden Beitrags. Informationsflut und Zeitmangel zwingen viele Ärzte sich anhand von Übersichtsarbeiten und nicht anhand der Primärliteratur über neue Entwicklungen zu orientieren. Es zeigt sich jedoch daß unsystematische Übersichtsarbeiten und medizinische Lehrbücher in denen Meinungen von Autoren und Studieninterpretationen vermischt werden häufig einseitige Gewichtungen der Evidenz von (positiven) Studienergebnissen vornehmen [21]. Ein systematischer Ansatz beispielsweise über den Nutzen einer Behandlung zu informieren ist eine systematische Übersichtsarbeit oder Metaanalyse. Die Metaanalyse ist eine statistische Methode Ergebnisse von Studien welche nach vorgegebenen Ein- und Ausschlußkriterien mittels systematischer Computersuche identifiziert werden zu kombinieren und zu quantifizieren (s. Abb. 1 S. 65) (o. Abb.). Sie kann insbesondere dann wertvolle Hinweise über einen Behandlungsnutzen geben wenn die Ergebnisse mehrerer Studien mit niedrigen Probandenzahlen keine zuverlässigen Schlüsse zulassen. Lau und Mitarbeiter zeigten beispielsweise daß der Nutzen der Thrombolyse beim akuten Myokardinfarkt lange Zeit verkannt wurde [ 16]. Bereits zu Beginn der 80er Jahre belegten Metaanalysen daß diese Behandlung die Herzinfarktmortalität statistisch signifikant senkt. Die Ende der 80er Jahre publizierten großen Studien bestätigten dieses Ergebnis. Mit anderen Worten: der Einbezug von Metaanalysen in die klinische Forschung und Praxis kann zu einem früheren Zeitpunkt Information über das Ausmaß des Nutzens oder Schadens einer Intervention aufzeigen. Dieselben Autoren wiesen in einer weiteren Analyse nach daß Therapieempfehlungen von Experten in medizinischen Lehrbüchern bezüglich der Thrombolyse bei Myokardinfarkt dem durch Metaanalysen gewonnenen Wissensstand um 5 bis 10 Jahre hinterherhinkten [1]. - Metaanalysen können jedoch auch zu falschen Schlußfolgerungen führen insbesondere dann wenn Ergebnisse von negativen Studien nicht publiziert werden und das Gesamtergebnis somit verzerrt wird ("Publication Bias"). Die Bedeutung systematischer Übersichtsarbeiten für die Evaluation von therapeutischen und diagnostischen Maßnahmen nimmt zu. Aus diesem Grund ist die "Cochrane Collaboration" benannt nach dem britischen Arzt und Epidemiologen Archie Cochrane (1909-1988) entstanden. Diese weltweite Organisation von Fachleuten hat sich zum Ziel gesetzt systematische und kontinuierlich aktualisierte Übersichtsarbeiten zu Diagnose und Therapie in sämtlichen Gebieten der Medizin zu veröffentlichen [3 7]. ... ___MH
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