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December 2024

Wissenschaftliche Dogmen bei der Nachzulassung von Arzneimitteln

Author(s): Kalisch, M.

Journal/Book: Dt Apotheker Ztg. 1996; 136;28: 17-22.

Abstract: Die 5. AMG-Novelle bringt die sogenannte Beweislastumkehr bei der Nachzulassung von Alt-Arzneimitteln (d.h. von Arzneimitteln, die bereits vor der Verabschiedung des bundesdeutschen Arzneimittelgesetzes von 1976 auf dem Markt waren).Es ist verständlich und einleuchtend, daß auch die Hersteller der Alt-Arzneimittel Wirksamkeitsnachweise für diese Arzneimittel erbringen sollten, und es wäre wünschenswert, wenn dies stichhaltige „Beweise" sein könnten.Auf der anderen Seite stehen aber die folgenden Gesichtspunkte:1. Der Staat ist- gemessen am bundesdeutschen Grundgesetz und an der Deklaration des Weltärztebundes - nicht legitimiert, kontrollierte Studien zur Nachzulassung von Alt-Arzneimitteln zu fordern.2. Abgesehen von der ethischen Problematik besteht für die meisten der Alt-Arzneimittel eine unüberwindliche Fülle von technischen, praktischen und organisatorischen Barrieren gegen das Zustandekommen „beweisender" klinischer Studien. Aus diesem Grunde ist bei der Nachzulassung die Forderung nach beweisenden kontrollierten Studien eine unbillige Härte gegenüber Patienten, Ärzten und Arzneimittelherstellern.3. Ergebnisse klinischer Studien - auch „beweisender“ klinischer Studien - haben immer eine nur begrenzte Übertragbarkeit. Es gibt keine formale Möglichkeit, um mit dem negativen Ergebnis einer klinischen Studie die positive Erfahrung von anwendenden Ärzten aufzuheben.4. Die ärztliche Erfahrung kann nicht nur als Kriterium der Nachzulassung genügen, sie muß akzeptiert werden.5. Wenn trotz allem die Vorlage eines positiven Ergebnisses einer beweisenden Wirksamkeitsprüfung zur Bedingung für die Nachzulassung von Alt-Arzneimitteln gemacht wird, dann ist dies (ob man sich dieser Tatsache bewußt ist oder nicht) ein Akt des Wissenschaftsdogmatismus.Man wird aus den genannten Gründen bei der Nachzulassung von Arzneimitteln zu der realistischen Sichtweise des ursprünglichen bundesdeutschen Arzneimittelgesetzes von 1976 zurückkehren müssen. Diesem Gesetz gab der damals federführende Bundestagsausschuß mehrere kluge Leitsätze mit auf den Weg, u. a. auch zur Wirksamkeitsbegründung. „Die Wirksamkeit", so wurde damals richtig dargelegt, „ist nicht als absoluter Begriff anzusehen, sondern muß an dem konkreten Heilungsanspruch gemessen werden. Sie stellt sich außerdem als ein Kontinuum dar, das von „sehr schwach" bis „sehr deutlich" reicht. Daher werden in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur- mehr oder minder deutliche -Indizien für die Wirksamkeit eines Arzneimittels sprechen. Ungeachtet eines fehlenden wissenschaftlichen Beweise, für die Wirksamkeit eines Arzneimittels müssen gleichwohl schon diese Erfahrungen je nach Lage des Einzelfalles die Basis für eine Zulassung bilden" [3].


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