Kurortmedizin im Spannungsfeld von Schulmedizin Empirie und Naturheilverfahren |
Journal/Book: Heilbad & Kurort 46 (1994) 1 S.2-4. 1994;
Abstract: Privatdozent Dr. med. Bernd Hartmann Freiburg i. Br./Bad Krozingen Natürliche Faktoren des Bodens und der Atmosphäre sind die ältesten Therapieverfahren der Menschheit: Ihre Wirkungen wurden zunächst mystisch interpretiert später deskriptiv erklärt. Dadurch wurde viel empirisches Wissen angesammelt gleichzeitig wurden aber auch unhaltbare Dogmen erstellt. Mit naturwissenschaftlichen Methoden konnten Kausalitäten nachgewiesen werden die (physio-)therapeutisch angewandt wurden weil alternative Methoden (wirksame Medikamente und invasive Verfahren) fehlten. Die in der Vergangenheit durchgeführten Untersuchungen reichen zwar zur Erklärung physiologischer Vorgänge aus meist fehlt aber der biometrisch abgesicherte Wirksamkeitsnachweis. Die Vielzahl gleichzeitig wirkender bio-psycho-sozialer Einflüsse während der Kur (etwas zu blumig) als "Wirkakkord" bezeichnet gilt als Begründung der vermeintlichen Irrationalität dieser Therapieform: Die Effektivität der Kurortmedizin kann so bestritten oder als Plazebo interpretiert werden. Mit kontrollierten Studien die allerdings schwerer realisierbar sind als in der Pharmakologie können die Einzelfaktoren der Kurortmedizin (Peloide Thermalwässer mit ihren Inhaltsstoffen Klimate) und der Gesamteffekt gemessen werden. Nur dieser Nachweis - vor allem auch im Vergleich zum Spontanverlauf chronischer Krankheiten - der Akut- und Langzeitwirkungen der Kur rechtfertigt die Kostenübernahme durch die Sozialversicherungen (speziell gesetzliche Krankenkassen und Rentenversicherungen als Solidargemeinschaften der Versicherten). Die Kurorttherapie behandelt nach wissenschaftlichen Grundsätzen zeitlich begrenzt durch Stimulation und/oder Entlastung von Körperfunktionen; dabei berücksichtigt sie und trainiert unter anderem bio-psycho-soziale Funktions- und Regelkreise. Trotz der zunehmenden Bedeutung der Kybernetik gelingt es der Kurortmedizin allerdings kaum sich in Gesellschaft und Wissenschaft so darzustellen daß sie als integraler Bestandteil des Gesundheitssystems akzeptiert wird (siehe gegenwärtige Diskussion um die Gesundheitsstruktur). Das ist kaum verständlich da andererseits die der Kurmedizin inhärenten Faktoren der Natürlichkeit Ganzheitsmedizin (Schlagwort: Paradigmenwechsel) bewußter und bedeutsamer werden und von der Öffentlichkeit speziell deren politischer Vertreter zunehmend nebenwirkungsarme ("sanfte") Therapien verlangt werden. . . .
© Top Fit Gesund, 1992-2024. Alle Rechte vorbehalten – Impressum – Datenschutzerklärung