Streit in Sicht? Kann man menschliche Gensequenzen patentieren lassen? |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 87 (1993/Heft 8) 625-627. 1993;
Abstract: Richard E. Schneider Berlin In der internationalen Spitzenforschung geht es nicht immer ohne Gerangel und Ellbogen ab. Einesteils verständlich denn meist ist sehr viel Geld - und Ruhm! - im Spiel. Doch lohnt sich letztlich der Streit? AIDS-Virus: Einmal USA einfach Man erinnere sich kurz: Über fünf Jahre hinweg füllte der Streit um die Entdeckung des AIDS-Virus die Chroniken der Gazetten und die Akten der Gerichte. Auf der einen Seite das Institut Pasteur in Paris mit Prof. Luc Montagnier auf der anderen Seite des Atlantik der US-Professor Robert Gallo vom National Cancer Institute (NIH) in Bethesda. Fünf Jahre lang wurden wissenschaftliche Gutachten angefertigt von neutralen Experten geprüft Gerichte angerufen prozessiert ... Sogar das strittige AIDS-Virus hatte zwei verschiedene Namen erhalten hieß bei den Franzosen LAV-Virus (Lymphadenopathie-Virus) in den USA dagegen HTLV-III-Virus. Somit besaß jeder der beiden Forscher ein "eigenes Virus". Später 1985 kam dann noch der finanzielle Aspekt hinzu: In USA wo die Immunschwäche AIDS grassierte entwickelten US-Pharmaunternehmen fünf AIDS-Diagnosetests. Das Pasteur-Institut blieb allerdings außen vor: Erst als man eine Allianz mit einem US-Pharmaunternehmen einging konnte der auf dem Pasteur-AIDS-Virus basierende AIDS-Test kommerzialisiert werden. Gallo genoß eben "Heimvorteil" gegenüber seinem Gegner Montagnier. Doch zur großen Überraschung der verblüfften Fachwelt stellte sich 1991 nach vielen Prozessen heraus daß R. Gallo offensichtlich geschwindelt hatte. Sein Isolat war gar nicht sein eigenes sondern das des Franzosen gewesen. Montagnier hatte nämlich 1983 als ihm erstmalig die Isolierung des AIDS-Virus bei einem an Lymphdrüsenkrebs erkrankten Patienten - daher der ursprüngliche Name LAV - gelang seine Forschungsergebnisse samt Isolat dem US-Wissenschaftsmagazin "Science" über besagten Atlantik geschickt. Korrektor und neutraler Prüfer aber des eingesandten Manuskripts nebst Probe war - Robert Gallo Professor an der Krebsforschungsabteilung des National Institute of Health (NIH) in Bethesda. Jetzt kämpft das Pasteur-Team L. Montagnier J. C. Chermann und F. Barre-Sinoussi um die internationale Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistung. Der zweite Forschungsstreit droht: Gensequenzen Im zweiten Streit - Gegenstand ist diesmal die Genforschung - geht es möglicherweise um noch größere materielle und immaterielle Werte. Begonnen hatte alles 1988: Auf einem Genkongreß in Paris einigten sich die Forscher der westlichen Welt einschließlich Japans die Erforschung der Gensequenzen des Menschen ("humane Genom-Entschlüsselung") in gemeinsamer abgestimmter Forschungsarbeit durchzuführen. Konkret handelte es sich um die Entschlüsselung von ca. 6-7 Mio menschlicher Gene (Prof. Vogel Heidelberg) auf dem DNS-Strang der in jeder Körperzelle zu finden ist. Ein finanzieller Rahmen von ca. 10 Mrd. Dollar für die gesamte Genom-Entschlüsselung wurde veranschlagt. Als zeitliches Limit dieser wissenschaftlichen "Aschenputtelarbeit" wurden 20 Jahre angesetzt. Erwartungsgemäß stellten die US-Amerikaner die auch die größten Hoffnungen in dieses Projekt setzten das Gros der Genforscher und der finanziellen Mittel. Zu bestimmen ist in mühseliger Kleinarbeit die exakte chemische Zusammensetzung der einzelnen unterschiedlich langen Gene und deren Zuordnung zu einzelnen Gengruppen die für eine oder mehrere Funktionen kodieren. Die seitlichen Leiterteile der "Gen-Strickleiter" des Menschen bestehen abwechselnd aus einem Zucker und einer winzigen Menge Phosphorsäure. Die Verbindungen ("Stufen") der "Gen-Strickleiter" bestehen aus vier Basen (Adenin Thymin Guanin Zytosin). Bestimmte Basenpaare folgen stets aufeinander so z. B. Thymin-Adenin Guanin Zytosin. Und diese Reihenfolge Gensequenz genannt ist der eigentliche genetische Code des Menschen. Gen-Patentlerung - ja oder nein? Über die Frage der Gen-Patentierung stimmte man 1988 offensichtlich noch überein. Zu diesem Zeitpunkt äußerte das US Office of Technology Assessment (US-Bundesamt für Technologie) öffentlich: "Das Genom-Projekt stellt keine neuen patent- oder urheberrechtlichen Fragen". Dagegen wurde 1992 der National Research Council (Nationaler Forschungsrat der USA) vorsichtiger als er der Öffentlichkeit mitteilte daß möglicherweise eine neue staatliche Agentur für die Patentierung neuer handelsträchtiger Klone (Ein-Zell-Kulturen z. B. für die Herstellung von Antikörpern) gegründet werden müsse. Jedoch sprach sich auch der US-Forschungsrat gegen die Patentierung von Gensequenzen aus und verwies in diesem Zusammenhang darauf daß dann auch ausländische Genom-Patente anzuerkennen seien. Eindeutig für die Patentierung von Gensequenzen optierte das US-ABC (US Association of Biotechnological Companies) Der Verband der US-Biotechnologie-Firmen ein direkt Betroffener der möglichen Gensequenz-Patentierung ist der Auffassung daß die Forschungsarbeit auch denen zugute kommen müsse die sie tun. Dagegen nimmt der Dachverband der US-Industrie in dieser intensiv geführten Debatte eine abwartende gemäßigte Haltung ein. Niemand solle seiner Meinung zufolge solch einen effektiven Patentschutz im Zusammenhang mit Produkten auf Genom-Basis erhalten. Deutlicher wurde der US-Pharmahersteller-Verband in einem publizierten Brief an den US-Gesundheitsminister Mitte Juni 1992 in "Science": "Die Regierungspolitik die auf Besitz und Lizenzierung von ... Stö_
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