VERÄNDERUNGEN DER BLUTFLIESSEIGENSCHAFTEN WÄHREND AKUTER STRIKTER BETTRUHE BEIM GESUNDEN MENSCHEN |
Abstract: Aus der Klinik für Physikalische Medizin der Universität München Vorstand: Prof. Dr. med. E. Senn Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München vorgelegt von Tobias Saradeth aus München 1993 ZUSAMMENFASSUNG Bettruhe wird häufig vom Arzt im Sinne einer therapeutischen Maßnahme verordnet zählt aber zugleich u.a. zu den Hauptrisikofaktoren für die tiefe Beinvenenthrombose [183] mit allen ihren möglichen Folgen. Ziel dieser experimentellen Arbeit war es daher den Einfluß von mehrtägiger strenger Bettruhe auf die Blutfließeigenschaften eines gesunden Menschen eingehender zu untersuchen. Zu diesem Zweck unterzogen sich zwölf männliche Probanden freiwillig einer strikten 31/2-tägigen Bettruhe; diese gesunden jungen Nichtraucher wurden von Untersucher und guten Bekannten in ihrem gewohnten Umfeld regelmäßig versorgt. Die Probanden mußten während der Immobilisation ihre üblichen Lebensgewohnheiten nach Möglichkeit beibehalten. Sowohl 12 Stunden vor Bettruhebeginn als auch 36 Std. bzw. 84 Std. danach jeweils morgens zu gleicher Uhrzeit wurde venöses Blut aus einer Kubitalvene entnommen. Als Zielparameter wurden jeweils Hämatokrit native Vollblutviskosität Plasmaviskosität Erythrozytenaggregation Erythrozytenflexibilität Thrombozytenaggregation Blutbildparameter Blutdruck Herzfrequenz Körpergewicht und Atriales Natriuretisches Peptid bestimmt. Die Ergebnisse zeigten bereits nach 36-ständiger Bettruhe hochsignifikante und kontinuierliche Erhöhungen von Hämatokrit Erythrozytenzahl Hämoglobin nativer Vollblutviskosität (bei niedrigen mittleren und hohen Scherraten) Plasmaviskosität und Erythrozytenaggregation (siehe Tab. 36 bzw. Abb. 46). Diese Ergebnisse können durch einen Hämokonzentrationseffekt erklärt werden; dafür sprechen auch signifikante Korrelationen zwischen den Veränderungen von Hämatokrit und Plasmaviskosität. Die standardisierte Blutviskosität blieb nahezu konstant abgesehen von einem leichten numerischen Abfall bei hoher Scherrate. Flexibilität Größe und Volumen der Erythrozyten wurden durch die mehrtägige Bettruhe nicht signifikant beeinflußt ebensowenig die Leukozyten- und Thrombozytenzahlen. Die Thrombozytenaggregation fiel nach 84 Stunden Bettruhe nur bei Stimulation durch ADP in-vitro tendenziell ab nicht aber bei Stimulation durch Kollagen. Hinsichtlich der erfaßten Kreislaufparameter ließ sich ein kontinuierlicher und signifikanter Abfall des systolischen Blutdrucks bereits nach 36 Std. Bettruhe beobachten; ein entsprechender Abwärtstrend zeigte sich beim diastolischen Blutdruck. Auch die Herzfrequenz fiel numerisch aber nicht signifikant gegenüber den Ausgangswerten ab. Das Körpergewicht war nach 84 Std. Immobilisation durchschnittlich um ca. 1 3 kg reduziert. Das Atriale Natriuretische Peptid (ANP) stieg nach 36 Stunden Bettruhe und fiel danach gegenüber dem Ausgangswert ab jedoch ohne das Signifikanzniveau zu erreichen. Bei weiterer gezielter Analyse der Daten fanden sich signifikante inverse Korrelationen zwischen den absoluten 84-Stunden-Veränderungen des Atrialen Natriuretischen Peptids und den entsprechenden Modifikationen des systolischen Blutdrucks sowie hämorheologischer Parameter wie Hämatokrit Plasmaviskosität und nativer Vollblutviskosität (bei allen drei gemessenen Scherraten). Als Erklärung für die in dieser experimentellen Arbeit beobachteten Phänomene liegt die Vermutung nahe daß die bei mehrtägiger Bettruhe offensichtlich auftretende Hämokonzentration möglicherweise zumindest partiell durch temporäre Ausschüttungen des Atrialen Natriuretischen Peptids vermittelt wird. Die durch akute Bettruhe verschlechterte Blutfluidität kann u.a. zu einer Aggravierung der Stase im venösen Kreislaufsystem führen und in entsprechenden klinischen Situationen die Entstehung von tiefen Beinvenenthrombosen begünstigen. Diese spekulativen Zusammenhänge können durch die Daten dieser Pilotstudie freilich nicht kausal nachgewiesen werden; zur genauen Klärung der hypothetischen Mechanismen sind zweifellos weitere gezielte Studien notwendig; diese sollten insbesondere eine detaillierte Flüssigkeitsbilanzierung (unter Berücksichtigung möglichst vieler Körperkompartimente) einschließen und darüber hinaus sämtliche an der Regulation des Wasserhaushalt mitbeteiligten Hormone vollständig erfassen. ___MH
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