Zur Psychologie des Sterbens und des Todes |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 87 (1993/Heft 1) 76-83. 1993;
Abstract: Prof. Dr. phil. Dipl.-Psych. H.-P. Rosemeier Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie Freie Universität Berlin Vorstellungen vom Tode Schon das Kleinkind erlebt in der Trennung einen symbolischen Tod. Bevor es den Zeitbegriff erwirbt ist es nicht in der Lage Tod und Trennung zu unterscheiden. Es wird allerdings den Tod oder die Trennung als reversibel ansehen und nimmt deshalb auch konsequent an die Toten schlafen nur oder "die Sarginsassen können auch wieder herauskriechen". Beim Vorschulkind ist der Tod personifiziert als Knochengerippe als Sensenmann. Das Schulkind sieht den Tod als Gefahr und nimmt ihn als Strafe für Ungehorsam. Jugendliche sind in der Lage sich des eigenen Todes zu bedienen in Form des appelatorischen Suizids ebenso wie als Opfer etwa in der Begeisterung für ein Kriegsziel. Untersuchungen zu den Sterbehäufigkeiten (nach Kunz Summers 1980) belegen daß der Tod nicht völlig zufällig hereinbricht. Nimmt man von einer Bevölkerungsstichprobe die Geburtstagsdaten und setzt dieses persönliche Ereignis als den Beginn eines gedachten Jahres ermittelt das entsprechende Sterbedatum so ergibt sich daß überzufällig viele Personen (45 %) im ersten Vierteljahr nach diesem Ereignis (unmittelbar nach ihrem Geburtstag) starben und nur 8 % im letzten Vierteljahr vor dem Geburtstag. Nach dem Zufall wären je 25 % zu erwarten gewesen. In der Praxis wird Vergleichbares beobachtet wenn Menschen bevor sie sterben sich noch einmal vornehmen ein bestimmtes Ereignis erleben zu dürfen wie die Heirat eines Kindes oder ein wichtiges symbolträchtiges Datum noch zu erleben. In Berliner Studien zur Sterbepsychologie wurden über 1000 Personen auf ihren Todeskonzepte hin untersucht. Es waren Kranke Angehörige von Gesundheitsberufen und Normalbevölkerung. In diesen Untersuchungen konnten vier subjektive Todesbegriffe ermittelt werden: Lebensende: Der Tod ist hier nach Aussagen der Befragten "das Ende des Lebens und sonst nichts". Er steht im Gegensatz zum Leben und "ist der Moment des Funktionsverlustes des Organismus". "Er ist das Ende des seelischen Erlebens". Die so Reagierenden zeichneten sich durch einen hohen Bildungsstand aus durch geringe Erfahrung im Umgang mit todesnahen Ereignissen sie waren überwiegend Männer und jünger. In der ärztlichen Gruppe war diese Einstellung häufig vertreten. Schicksal: In resignativer Tönung ist der Tod für einen Teil der Befragten "eine fremde schicksalhafte Macht" die als unabwendbar gilt. In dieser Todesauffassung hatten die Befragten den Eindruck daß dem Menschen eine prädisponierte Bestimmung zukomme daß er aus seiner Existenz herausgelöst werde. In einem magischen Anteil dieser emotionalen Todeskategorie wird seine "Unheimlichkeit" seine "Unvorstellbarkeit" und "Unüberwindlichkeit" betont. Der Mensch ist in seinem Scheitern "hilflos der Macht des Todes ausgeliefert". In dieser Todeskategorie waren Frauen häufiger vertreten als Männer und solche Personen die den Tod in Form von Pflege und dem Verlust Nahestehender begegnet sind. Erlösung: Für einen Teil der Befragten "befreit der Tod von Schmerzen und vom Diesseitigen". Er wird als Transition "zu neuem Leben angesehen" im Jenseits bestehen neue Hoffnungen . "Die Befreiung vom hiesigen Jammertal" der Krankheit und des Elendes geschieht im Tode Befreiung von Siechtum . Eine Weiterführung des Lebens wäre eine Qual. Dieser Erlösungscharakter des Todes wird vor allem von gläubigen und religiösen Menschen vertreten Männer sind seltener als Frauen beteiligt. Todesangst: Der Tod ist ein schreckliches Ereignis. In dieser Sicht ist er geeignet die Hilflosigkeit des Menschen und seinen Verlust über die Kontrolle des Lebens zu betonen. Empirische Untersuchungen weisen darauf hin daß Personen die dem Tod häufiger oder näher begegnet sind im Sinne eigener Betroffenheit und mit pflegerischer Erfahrung eher bereit sind emotionale Kategorien für ihre Sicht vom Tod heranzuziehen. Dagegen haben Personen die nur theoretisch Umgang mit dem Tode gepflegt haben eher nüchtern versachlichende Todesvorstellungen. Solche Ergebnisse stimmen mit Alltagsbeobachtung an Krankenhäusern überein wo das Personal hart lernen muß mit der Trauer des täglichen Geschehens und mit eigenem Scheitern umzugehen. Angst vor dem Tod Angst ist unlustvolle Erregung mit Schutzfunktion. Sie kommt vor als Realangst bzw. Furcht bei echter Gefahr sie kann als Panik einen stürmischen Verlauf nehmen und in Form einer Phobie als dauerhaft unangepaßte Angstreaktion auftreten. Hier interessieren vor allem die existenziellen Ängste. Als Bestimmungsstücke gelten für die Todesangst: das charakteristische Bedrohungsgefühl das Schutz und Hilfe suchen lässt; ... Stö_
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