Begutachtung im Strafrecht - aus ärztlicher Sicht - |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 86 (1992) 750-753. 1992;
Abstract: Dr. med. Gerhart Zeller Berlin Zwischen Ärzten und Juristen gäbe es Verständigungsschwierigkeiten so wird allerorts geklagt. Die Ursache dafür sei die unterschiedliche Berufssprache mit ihren vielen fachbezogenen Termini und Denkfiguren. Die Sprache allein kann allerdings kaum schuld an diesen Schwierigkeiten sein zumal gerade vom Psychiater eine glückliche Verbalisierungsfähigkeit gefordert werden muß. Wird doch psychisches vorwiegend durch Sprache vermittelt. Der psychiatrische Sachverständige als Gehilfe des Gerichts hat zudem die Pflicht sich allgemein verständlich auszudrücken muß er doch das Gericht überzeugend informieren. Daß durch die allgemeinverständliche deutliche und klare Sprache nichts an inhaltlicher Differenzierung verloren gehen muß hat Ernst Kretschmer gezeigt dessen Schilderungen von Charakteren und komplizierten Entwicklungen immer noch vorbildlich sind und die daher jeder Psychiater sozusagen zur Auffrischung immer wieder einmal lesen sollte. Die Ursache dafür daß Ärzte und Juristen so oft aneinander vorbeireden ist so in prinzipiell unterschiedlichen Denk- und Entscheidungsweisen zu suchen. Der Jurist geht von dem aus was vorgefallen ist von einer Tat; der Arzt von dem Menschen der ihm entgegentritt der ihm begegnet. Der Jurist muß versuchen den Beschuldigten aufgrund überprüfbaren Beweismaterials zu überführen oder zu entlasten. Die Beurteilung der Tat und die Strafzumessung geschieht nach den gesetzlichen Normen. Tat und Täter werden diesen subsumiert. Der Psychiater sucht den zu Begutachtenden in seiner Wesensart die sich aus Anlage und Umwelteinflüssen geformt hat zu verstehen und zwar mit den Mitteln der sogenannten biographischen Anamnese so wie der Psychiater es eigentlich bei allen Menschen tun sollte die seinen Rat und seine Hilfe suchen. Die Tat wird so zum Endpunkt oder Höhepunkt einer individuellen vielleicht fehlerhaften Entwicklung bzw. zu einer Krise auf dem Lebenswege zu einem Stolpern über die Fallstricke von Versuchung und Versagung. Der Arzt soll nicht kriminalistische Aufklärung betreiben wollen und er soll auch nicht versuchen Richter zu sein. Er soll nicht überführen und verurteilen wollen. Diese innere Haltung wird erkennbar in der Art und Weise wie er dem Angeklagten entgegentritt und wie er seine Befunde formuliert. ... wt
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