Von der Struktur zur Funktion - über den Wandel im wissenschaftlichen Denken |
Journal/Book: Z. ärztl. Fortbild. 85 (1991/Heft 23 ) 1148-1149. 1991;
Abstract: Prof. Dr. Heribert Thaler Wien Wer sich nur etwas über den Lauf der Medizin Gedanken gemacht hat weiß daß sie sich noch nie so rasch und so grundlegend gewandelt hat wie unter unseren Augen. Sehr anschaulich läßt sich dies am Beispiel der Infektionskrankheiten demonstrieren und hier wiederum an ihrem hepatologischen Sektor was aber kaum geschehen kann ohne einen kurzen Rückblick in die Antike zu tun: Es besteht kein Zweifel daß der Grundstein zur wissenschaftlichen Medizin von den Hippokratikern gelegt wurde. Der Bogen der Medizin überspannt nun fast zweieinhalbtausend Jahre - oder sollten wir besser von einem Kreis sprechen? Die Hippokratiker und Dogmatiker jedenfalls stützten ihr Gebäude durch die Säftelehre und es geschah möglicherweise noch zu Lebzeiten Christi daß der Enzyklopädist Celsus die Kriterien der Entzündung nämlich Rubor Tumor Calor und Dolor niederschrieb. Der große Eklektiker Galenos ergänzte im 2. nachchristlichen Jahrhundert nicht nur diese Symptome durch die Functio laesa sondern er faßte auch das gesamte medizinische Wissen seiner Zeit zusammen und brachte es in ein System. Und dabei sollte es für lange Zeit bleiben nicht nur während des Altertums und Mittelalters sondern in vielen Bereichen der Krankheitslehre auch bis ins 19. Jahrhundert hinein. Diese Petrifizierung des medizinischen Denkens war nicht nur fortschrittsfeindlich sondern sie sollte vor allem im therapeutischen Bereich katastrophale Folgen haben. Man kann ohne Übertreibung sagen daß durch den Aderlaß mehr Menschen getötet wurden als in allen Schlachten dieser Epoche zusammengenommen. Daß sich die Medizin von der alten Säftelehre lösen konnte verdankt sie Morgagni. Aber nach seinem 1761 erschienenen Alterswerk "De sedibus et causis morborum" sollte es noch über 100 Jahre dauern bis sich das strukturelle Denken in allen Bereichen der Medizin auch der pathologischen Anatomie durchgesetzt hatte. Wer aber glaubt daß damit ein vollständiger Wandel stattgefunden hätte irrt: Zu lange und zu nachhaltig hatte Galenos das medizinische Denken beeinflußt. Anstatt sich von der überkommenen Entzündungslehre zu trennen wie das Aschoff oder Ricker empfohlen hatten zog man es vor auch weiterhin die neuen Erkenntnisse im alten Gewande zu präsentieren. Daß dies immer schwieriger wurde kommt vielleicht am besten in der Definition von Büchner zum Ausdruck: "Die Entzündung ist der Komplex jener örtlichen Veränderung der Durchblutung der Blutgefäße des Mesenchyms welche unter der Wirkung eines ... Stö_
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