Bilanzselbstmord und ärztliche Hilfeleistungspflicht |
Journal/Book: MMW-Fortschr. Med. - Nr. 8/ 1991; S. 105/ 35; (133 Jg.). 1991;
Abstract: Priv.-Doz. Dr. med. R. Penning Institut für Rechtsmedizin (Vorstand: Prof. Dr. med. W. Eisenmenger) der Ludwig-Maximilians-Universität München Selbst unter Juristen sehr umstritten ist die Frage wann oder ob überhaupt der herbeigerufene Arzt einen Suizidenten gegen dessen ausdrücklich erklärten Willen behandeln darf. Diese Rechtsunsicherheit ist historisch gewachsen: das Thema berührt einen Grenzbereich zwischen Zivilrecht und Strafrecht in dem beiden Rechtsgebieten der gemeinsame Nenner verloren gegangen ist. Im Zivilrecht ist bei arztrechtlichen Problemen das Selbstbestimmungsrecht des Patienten der Maßstab des Handelns; der mündige Patient kann jede Behandlung selbst dann ablehnen wenn dies sein sicherer Schaden oder gar Tod ist. Im Strafrecht hingegen ist der Schutz des menschlichen Lebens das höchste Rechtsgut. Wem aber soll der verunsicherte Arzt folgen? Zwischen Literaturmeinung und Rechtsprechung Die wenigsten Mediziner wissen daß im juristischen Schrifttum streng zwischen Literaturmeinung und Rechtsprechung zu unterscheiden ist. Die Literatur ist zahlreich hat aber keinerlei normative Kraft und wird häufig von der Rechtsprechung einfach ignoriert. Beim Bilanzselbstmord ist sich die juristische Literatur weitgehend einig: Der Arzt müßte danach den ablehnenden Willen des mündigen Patienten zur Kenntnis nehmen und lebensrettende Maßnahmen unterlassen. Wenig deutlich herausgearbeitet wird dabei die Tatsache daß diese Willensfreiheit des Patienten selbstverständlich nur für den sog. Bilanzselbstmord gelten kann nämlich für den rational durchdachten von keiner Depression oder ähnlichem beeinflußten Suizidentschluß der auf einer abgewogenen gereiften Willensentscheidung beruht. In allen anderen Fällen wenn der Suizidentschluß z. B. einer Psychose oder einem sonstigen depressiven Syndrom entspringt muß der Arzt lebensrettende Maßnahmen ergreifen. Der Wille zum Selbstmord ist hier nicht mehr frei verantwortlich und deshalb unbeachtlich. Daß letzteres aber den Großteil aller Suizide - bis 95% (!) - betrifft nimmt im juristischen Schrifttum wenig Raum ein. Ebenfalls ignoriert wird die Frage wie denn ein Notarzt vor Ort entscheiden soll ob der bewußtlose Suizident eine Depression oder ähnliches hat. Aber selbst beim echten Bilanzselbstmord - wenn es einen solchen gibt - sollte sich der Arzt hüten der juristischen Literatur entsprechend z. B. ein sog. Patiententestament zu beachten und untätig zu bleiben. ... ab
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