Konsequenzen aus der Thalidomid-Katastrophe |
Journal/Book: MMW-Fortschr. Med. - Nr. 13/ 1991; S. 195/ 45; (133 Jg.). 1991;
Abstract: Dr. med. K. H. Kimbel; Hamburg Vor zwanzig Jahren am 18. Dezember 1970 stellte das Landgericht Aachen das Verfahren gegen den Hersteller von Thalidomid (Contergan(r)) und seine verantwortlichen Mitarbeiter wegen mangelnden öffentlichen Interesses und geringen Verschuldens ein nachdem das Unternehmen größere Mittel für die Versorgung der Opfer zur Verfügung gestellt hatte. Denjenigen die damals das Prozeßgeschehen sachkundig verfolgen konnten bleibt der Kontrast zwischen der wissenschaftlichen Hilflosigkeit und den Manövern zur materiellen Schadensbegrenzung von seiten der Beklagten unvergeßlich. Das akribisch geführte Verhandlungsprotokoll böte auch heute noch Stoff für einen Bestseller. Welche Konsequenzen zogen nun Wissenschaft Gesetzgeber und Hersteller daraus daß ein Mittel zur Behebung von Befindlichkeitsstörungen zur lebenslänglichen Verunstaltung von etwa 10 000 Kindern führte? Pränataltoxikologie. Schon die Erstbeschreibung der Thalidomid-Embryopathie 1961 durch Lenz u. McBride bahnte den Weg für die Teratologie und besonders die Pränataltoxikologie als eigenständige Wissenschaft. In der Bundesrepublik setzte sich Herken für die Errichtung des Sonderforschungsbereichs "Embryonalpharmakologie" ein aus dem 1972 das Neubertsche Institut für Toxikologie und Embryonalpharmakologie der Freien Universität Berlin hervorging. Es trug im Rahmen der internationalen Forschung Wesentliches zu den derzeitigen Kenntnissen bei. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte seit 1964 die prospektive Studie "Schwangerschaftsverlauf und Kindesentwicklung" die K. H. Degenhardt organisierte. Sie endete 1972 mit der Erfassung von 14 774 Frauen. Diese Untersuchung gilt international als die eingehendste; es fragt sich ob heute noch die Bereitschaft bestünde eine ähnlich umfassende Studie zu wiederholen. So muß z. B. die noch nicht abgeschlossene Berliner Perinatalstudie um ihren Fortgang bangen. Spielmann u. Steinhoff resümieren die derzeitige Situation: 1. Es wurden keine Medikamente gefunden die in ähnlicher Weise embryotoxisch sind wie Thalidomid denn die embryotoxischen Eigenschaften der Retinoide waren vor ihrer Einführung in die Therapie aus Tierversuchen bekannt. 2. Die spontane Mißbildungsrate (Summe aller Entwicklungsstörungen) wird durch kein Arzneimittel erhöht. 3. Eine Zunahme einzelner spezifischer Entwicklungsstörungen die jeweils nur einen Bruchteil aller angegebenen Störungen ausmachen wurde nur nach Gabe einzelner Medikamente beobachtet und ließ sich in Einzelfällen auch statistisch absichern. ... ab
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