Zum strategischen und taktischen Handlungsspielraum der Physiotherapie |
Journal/Book: Sitz.ber.d.sächs.Akad.d.Wiss. Kl.Math.-nat. Bd.121 (1989) H.6. 1989;
Abstract: Aus dem:Forschungsinstitut für Balneologie und Kurortwissenschaft Bad Elster Mein heutiger Vortrag hat eine vordergründig pragmatische Zielstellung. Ich möchte in ihm versuchen die Position des Fachgebietes Physiotherapie(PT) im System der medizinischen Betreuung der DDR etwas durchsichtiger werden zu lassen und im Zusammenhang damit einige grundsätzliche Bemerkungen zum Wesen der medizinischen Behandlung überhaupt zur Diskussion stellen. Zur Wahl dieses Themas als Plenarvortrag in unserer Akademie veranlaßten mich einmal mehrere Gespräche mit Mitgliedern unserer beiden Klassen zum anderen unsere Problemdiskussionen zur Komplementarität und schließlich auch gewisse Überlegungen zu aktuellen innerdisziplinären Auseinandersetzungen um die Begriffe "Schulmedizin" und "Erfahrungsheilkunde" die - so meine ich - einige Klarstellungen zur Position und Zielstellung unseres Fachgebietes Physiotherapie erforderlich und wohl auch (so hoffe ich wenigstens) wünschenswert erscheinen lassen. 1. Einleitend dazu zwei Bemerkungen: 1. Der Begriff "Schulmedizin" wurde im Jahre 1876 von dem homöopathischen Arzt Dr. Fischer aus Weingarten geprägt um in durchaus abwertendem Sinn gegen die damals stark im Aufwind segelnde "Naturheilkunde" gebraucht und ausgespielt werden zu können1. Dieser Terminus "Naturheilkunde" besitzt einen ausgesprochen polemischen Charakter und benötigt daher einen Kontext. Er wird gegenwärtig für alle diejenigen ärztlichen Lehr- und Handlungsweisen reserviert die zur Zeit allgemein anerkannt ausreichend experimentell untermauert und an den medizinischen Lehranstalten lehr- und lernbar gemacht worden sind. Das Wort "Schulmedizin" umweht aber das Odium des Eingeengten Reglementierten ja des Verknöcherten und Innovationsfeindlichen. 2. "Erfahrungsheilkunde" ist derzeit der sicherlich sehr diskussionswürdige Titel des offiziellen Organs der "Gesellschaft für Ärzte für Erfahrungsheilkunde e. V." in der BRD mit dem Untertitel "Acta medica empirica - Zeitschrift für die ärztliche Praxis"2. In ihr werden gegenwärtig kurz gesagt alle nichtschulmedizinischen Konzeptionen Theorien und Praxismethoden zusammengefaßt ohne daß eine genaue terminologische Aus- und Abgrenzung angegeben wird3 - es ist aber nicht meine Absicht das Für und Wider der begrifflichen Trennbarkeit im Detail zu erörtern. Im Zusammenhang damit ist jedoch glaube ich folgendes notwendig festzustellen: Die Medizin muß analog den pädagogischen strategischen und sozialen Wissenschaften den sogenannten "Erfahrungswissenschaften" zugerechnet werden deren wichtigstes Kennzeichen und oberster Bewertungsmaßstab ihre jeweilige "Brauchbarkeit" ist wie dies für die Medizin im besonderen Rothschuh betont hat4. Da nun die Medizin selbst eine "Erfahrungswissenschaft" ist bedeutet der Terminus "Erfahrungsmedizin" oder "Erfahrungsheilkunde" einen gewissen Tautologismus. Das sammeln aller derjenigen empirischen Befunde die dem Kranken überhaupt zugute kommen können ist das Kennzeichen der notwendigerweise ständig auszuübenden beruflichen Tätigkeit eines jeden Arztes. Erfahrungswissenschaft d. h. also die Szientifizierung der empirisch gewonnenen Sammlungen muß allerdings über rein subjektive Eindrücke über "glauben" oder Vermutungen hinausgehen und muß der medizinischen Beobachtung das gezielte therapeutische Experiment folgen lassen. Sie muß durch wiederholte Überprüfungen die Absicherung einer allgemeinen also kollektiven Gültigkeit mit anderen Worten jene von Rothschuh geforderte "Brauchbarkeit" ermöglichen. Beobachtung und Experiment sind die beiden logischen Konditionen der medizinischen Szientifikation. Die Einzelbeobachtung per se ist unbedingt nötig von ihr können höchst bedeutsame ja revolutionierende Handlungsimpulse ausgehen. Soll aber aus einer "medizinischen Erfahrung" eine "Erfahrungsheilkunde" werden (und das meint der Begriff "Erfahrungsmedizin" eigentlich) so kann auf eine experimentelle Brauchbarkeitsermittlung nicht verzichtet werden - eingeschlossen eine vernünftige und angemessene5 statistische Bearbeitung. Das aber bedeutet alle Erfolge der Therapie kompromißlos gegen alle Mißerfolge Versager und Fehlschläge aufzurechnen. Zudem muß ebenso objektiv nachgewiesen sein daß beobachtete Therapieerfolge wirklich dem untersuchten Therapiemittel und nicht etwa anderweitigen "peristatischen" Bedingungen der Behandlungen angerechnet werden müssen6. Das berührt die Frage nach einer möglichen Placebotechnik oder nach Vergleichen wirklich homogener Patientenkollektive die besonders aus chronotherapeutischer Sicht beurteilt sehr schwer realisierbar sind7. Überhaupt sind alle Empirismen prinzipiell defizitär weil unvollständig instabil und begrenzt wie es Gerok jüngst bezeichnet hat8. Wenn diese Grundsätze "schulmedizinischen Denkens" - sie werden jedenfalls stets als dorthin zugehörig eingeordnet - auch in der sogenannten "Erfahrungsmedizin" nicht unterschlagen werden und auch dort gewissermaßen Thema und Kontrapunkt des Medizinkonzeptes bilden gibt es auch keinen eigentlichen Gegensatz zwischen Schulmedizin und Erfahrungsheilkunde mehr. Wer aufmerksam und kritisch die Publikationen der Erfahrungsheilkunde zur Kenntnis nimmt wird sehr bald die diesbezügliche Spreu vom Weizen trennen lernen. 2. Nun zum Gegenstand der Physiotherapie selbst: Der besonders im Bereich der sozialistischen Länder Europas also auch in der DDR fest eingebürgerte Begriff "Physiotherapie" (PT) kann synonym zu anderen geläufigen Bezeichnungsweisen unseres Fachgebietes verwendet werden etwa "physikalische Therapie" physikalische Medizin physiatrische Therapie oder "Physiatrie"9 natürliche Heilweisen Naturheilverfahren oder (neuerdings) auch "therapeutische Physiologie"10. Selbstverständlich stehen hinter all diesen unterschiedlichen Bezeichnungsweisen und Begriffen mehr oder minder fest umrissene Konzeptionen Aspekte Orientierungsschwerpunkte und Plausibilitätserklärungen auf die hier aber ebensowenig eingegangen werden soll wie auf die Differenzierung von "Schulmedizin" und "Erfahrungsheilkunde". Analog zum Begriff "Arzneimittel" sprechen wir in der PT von "Physiotherapiemitteln"11 und verstehen darunter derzeit12 die in der Tabelle 1 wiedergegebenen Behandlungsverfahren: Tabelle 1 Physiotherapiemittel - Kinesietherapie - Elektrotherapie - Massagetherapie - Ultraphonotherapie - Manuelle Therapie - Inhalationstherapie - Hydrotherapie - Fototherapie - Balneobioklimatologie (oder Kurorttherapie) Die Ausübung der PT setzt demzufolge Ausbildung Kenntnisse und Fertigkeiten in den genannten Therapiesparten voraus die durch die Abbildung 1 noch etwas näher beleuchtet werden sollen. Abb.1. Physiotherapieverfahren (entweder Symbol doppelklicken oder im Online- oder Seiten-Layout zu sehen) In der DDR ist die PT eine eigenständige Facharztdisziplin mit einem speziellen studentischen Ausbildungsprogramm einem Weiterbildungsmodus und einem gelenkten Fortbildungswesen. Die studentische Ausbildung wird derzeit in Form eines "Beleges" mit Zensurwert für das medizinische Staatsexamen abgeschlossen und die Facharztausbildung nach 5jähriger Dauer mit der Absolvens eines "Colloquiums" vor der zentralen Facharztprüfungskommission beendet. Die Zusammenstellung in Tabelle 1 und Abbildung 1 läßt unschwer eine Zweiteilung der PT-Verfahren in eine apparative und nichtapparative Gruppierung erkennen Callies trennt konsequent deshalb "Physio"- und "Physiko"-therapiemittel11. Für beide Teile sind geschulte Mitarbeiter die Physiotherapeuten Angehörige des mittleren medizinischen Personals erforderlich die fachschulmäßig ausgebildet werden. Darauf werde ich noch gesondert zu sprechen kommen. Mit den beiden genannten Arten der PT sind therapeutische Effekte zu erzielen die unter Berücksichtigung didaktischer Gesichtspunkte übergeordnete kategoriale Einteilungen zulassen etwa "Thermotherapie"13 Schmerztherapie Kurorttherapie 14. Wir sprechen hierbei gerne von "Wirkprinzipien"15 die auf die mit den Physiotherapiemitteln erzeugten "physikalischen Wirkungen" (Druck Zug Sog Wärme Kälte elektrische Wirkungen) zurückgeführt werden. Natürlich sind es aber nicht eigentlich diese physikalischen Kräfte sondern die von ihnen im Organismus hervorgerufenen reaktiven Antworten die uns als Ärzte interessieren desgleichen nicht so sehr die "physiologischen" Effekte dieser physikalischen Kräfte sondern deren Effizienz auf die pathophysiologischen Phänomene die die zu behandelnde Krankheit aufweist. Es sei jedoch ausdrücklich betont daß die Zahl der z. B. in Tabelle 1 ausgewiesenen Behandlungsmöglichkeiten keineswegs erschöpfend ist. Hier wurden nur die bisher gesicherten und erprobten Verfahren berücksichtigt. Ich erinnere z. B. nur an die Problematik der Magnetfeldeffekte die weder qualitativ noch quantitativ ausreichend abgeklärt sind besonders was deren therapeutische Nutzbarkeitseffizienz betrifft. Hier gibt es defizitäre Erscheinungen sowohl auf physikalischer wie auf physiologischer bzw. pathophysiologischer Seite; nicht zu vergessen auch die psychosomatische Ebene Alle diesbezüglichen Entwicklungsvorstöße können nur begrüßt werden und bedürfen absoluter Förderung. Zusammenfassend und etwas vereinfachend gesehen besteht das Einsatzziel von PT-Mitteln vordergründig darin körpereigene Funktionen anzuregen oder Funktionsketten zu komplettieren sie chronophysiologisch zu optimieren regulativ zu verbessern und adaptive Prozesse zu provozieren. Die Hauptgruppe der PT-Mittel umfaßt dabei die Kinesitherapie Hydrotherapie und die Balneobioklimatologie; der therapeutische Schwerpunkt ist dabei die Inanspruchnahme körpereigener Leistungen hauptsächlich der Kreislauffunktion der Thermoregulation und des Stoffwechsels. Damit gehen Bahnung oder Stabilisierung der neuromuskulären Leistung Ökonomisierung des Kreislaufs Verbesserung der Sauerstoffutilisation Anregung des Gesamtstoffwechsels und eine psychomotorische Stimulation einher. Insoweit kann die PT in die Kategorie der "natürlichen" Therapieformen eingereiht werden wie sie Hildebrandt genannt hat. Dies alles kann wie gesagt unter Zuhilfenahme personeller oder apparativer Assistenz16 geschehen. Es lassen sich damit sowohl örtliche als auch systemisch übergreifende Effekte erzielen. Letztere werden auch gerne als "unspezifische" Wirkungen bezeichnet17 eine Terminologie die allerdings viel Mißverständnisse hervorrufen kann. Da PT-Mittel allgemein und im Regelfall seriell angewendet werden entwickeln sich im Verlauf ihrer Anwendung adaptive Prozesse die wir gewöhnlich als Akklimatisation als Gewöhnung als Habituation bezeichnen; Begriffe denen jedoch jeweils feste und wohldefinierte Aussagen zugrunde liegen18. Insgesamt aber sind Adaptationen als "Regulationen höherer Ordnung"19 anzusprechen deren Auftreten einen Zuwachs an leistungsdienlichen Strukturen bzw. Funktionen also einen Zuwachs an "Bionomie"20 bedeuten. "Strukturen" und "Funktionen" sind dialektisch gekoppelte Sachbezüge in unauflöslicher Wechselwirkung derzufolge funktionelle Therapiemethoden auch die zugehörigen Strukturen verbessern und umgekehrt. Diese Zusammenhänge sind ja schon 1905 von dem hallenser Physiologen Roux21 dem Schöpfer der sogenannten "Entwicklungsmechanik" erkannt worden. Vielfach wird deshalb die PT auch als "funktionelle" Therapie d. h. als funktionsübende und -koordinierende Maßnahme bezeichnet und vordergründig ist sie das wohl auch wenn man ihr Hauptwirkungsfeld die Übungsbehandlung der Gliedmaßen-Motorik im Auge hat. Im Sinne dieser dialektischen Beziehung zwischen Funktion und Struktur muß man den Begriff aber wohl etwas weiter fassen und muß beispielsweise auch die Pharmakotherapie der Digitalisdroge als eine "funktionelle" Therapie ansprechen zumal sie auch in serieller Applikation (als sogenannte "Digitalis-Kur") zur Anwendung kommt und somit adaptive Prozesse hervorruft wie wir aus entsprechenden Adaptatbildungen der Myokardstruktur etwa die Hyperplasie von Mitochondrien und Zellsubstanz erkennen können. Es bleibt aber dabei der nicht unwichtige Unterschied daß die "Droge" eine spezifisch kardiotrope Wirkung ausübt während die Inanspruchnahme der Skelettmuskulatur beispielsweise in Form der Kinesitherapie das kardiozirkulatorische System den Gesamtstoffwechsel und vor allem auch das Atemsystem funktionell mit beeinflußt also eine integrative gesamtorganismische Effizienz zeitigt. Natürlich bleibt unwidersprochen daß die PT-Mittel im Vergleich zum Pharmakon relativ risiko- nebenwirkungsarm sind und deshalb bevorzugt in die Therapiekonzeption für langfristige chronische Behandlungen gehören. Körpereigene Leistungen abzufordern bewirkt ja gleichzeitig ein Training entsprechender Leistungsfähigkeit und bedeutet letztendlich den Aufbau verbesserter Antwortleistungen des Organismus. In solchem Sinne führt beispielsweise die kardiozirkulatorisch äußerst wirksame Kinesitherapie zugleich auch zu einer Begünstigung der Struktur- Funktionsbeziehungen des kardiozirkulatorischen Systems und gibt mithin die Grundlage ab für eine effiziente Sekundärprävention kardialer Leiden. Gezielte Bewegungstherapie gilt deshalb mit Recht als das Herzstück des Aktionsprogramms der "comprehensive cardiac care"22 wie sie modern genannt wird. Wenn funktionelle Störungen das wissen wir seit Gustav von Bergmann23- die Vorstufen oder Vorbedingungen der organischen Schädigung darstellen dann muß die "funktionelle Therapie" in der Lage sein eben über ihre Wirksamkeit auf die Strukturen auch im Heilungssinne wirksam werden zu können. Sicherlich hatte unser früheres Akademiemitglied Max Bürger mit seiner Bemerkung recht als er die Zusammenhänge zwischen Struktur und Funktion zu den "Generalthemen des medizinischen Denkens" zählte24. 3. Eine "funktionsübende" Therapie ist in jedem Falle auch eine belastende Therapie. Vorausgesetzt daß die "Belastung" tolerabel und dem Zustand des Patienten voll angemessen ist wird dem Gegenfaktor "Entlastung" im therapiestrategischen Konzept25 eine entsprechende Aufmerksamkeit zukommen müssen. Die Zusammenhänge zwischen Belastung und Entlastung gehören in das Arbeitskonzept der "Erholungswissenschaft"26 die "Erholungsbedürftigkeit" verhält sich umgekehrt proportional zum Belastungsgrad. Die Entlastungsphase muß im Prinzip um so länger ausfallen je beanspruchender die voraufgegangene Belastungsphase gewesen ist. Diese Zusammenhänge verdeutlicht Abbildung 2 die ich Ihnen schon vor 14 Jahren einmal gezeigt habe. Abb. 2. Zusammenhänge zwischen Erholungsbedürftigkeit und Erholungsvorgang (aus: Jordan H.: Kurorttherapie: Prinzip und Probleme. Sitz.-Ber. d. Sächs. Akad. d. Wiss. z. Leipzig. Math.-naturwiss. Kl. Bd. 112 H. 3 (dortige Abb. 5 S. 15). Berlin Akademie-Verlag 1976. (entweder Symbol doppelklicken oder im Online- oder Seiten-Layout zu sehen) Die darin sichtbare Reziprozität von Belastungsgrad und Entspannungszeitdauer gilt nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ. "Entlastung" kann aber auch bedeuten: "Etwas anderes tun als das was müdegemacht hat"27; eine Erkenntnis die schon auf den russischen Physiologen und Begründer der materialistischen Physiologie Iwan Maximowitsch Setschenow28 zurückgeht. Auf dieser Erkenntnis beruht die Wirsamkeit des sogenannten "Ausgleichssportes". Die geläufige Unterscheidung in eine "aktive" und eine "passive" Therapie wird den tatsächlichen Gegebenheiten nicht voll gerecht. Ich habe deshalb noch den Begriff einer "quietiven" Therapie29 geprägt für alle diejenigen Therapieformen die unter den Bedingungen äußerer Körperruhe ablaufen aber doch deutliche körperbezogene Wirkungenaufweisen wie dies exemplarisch bei der CO2-Wannenbädertherapie der Fall ist. Hier liegt der Organismus von völliger Ruhe und Entspannung aber die Effekte des hydrostatischen Druckes der Temperatur des Bademediums und - in diesem speziellen Falle - des CO2-Gases erzeugen markante Erscheinungen am Herz-Kreislaufsystem die unbestreitbar und wohlbekannt sind. Ich habe darüber andernorts publiziert. Aktive passive bzw. quietive Therapie gehören in das Gesamtkonzept der Physiotherapie der Begriff "passive" Therapie sollte dann (als im Grunde unzutreffend) entfallen können. Tabelle 2 Adaptatbildungen ___________________________________________________________________ Beispiele Zeitbedarf ___________________________________________________________________ Kortikal-autonome Adaptation Lernen Minuten bis Stunden bedingte Reflexe Begriffsbildungen Funktionelle Adaptation Histiotrope Um- Stunden bis stellungen einige Tage regulative Ökono- misierung Abhärtung Synchronisationen Trophisch-plastische kompensatorische Tage bis Wochen Adaptation Hyperplasie und oder Monate -trophie Hautpigmentierung Immunleistungen Da alle PT-Mittel wie bereits gesagt praktisch stets seriell angewendet werden ergeben sich chronotherapeutisch wichtige phasenhafte Abläufe die besonders gut im Verlauf einer Kurorttherapie studiert worden sind30 ("Kureintritts- -akklimatisations- -end- und -austrittsreaktionen"); sinngemäß gelten sie für alle wiederholten seriellen Behandlungsmaßnahmen. Deren Habituations- oder Gewöhnungseffekte müssen deshalb bekannt sein weil mit ihnen auch Wirkungsbeeinträchtigungen oder -verluste einhergehen können die zu einer zeit- und/oder intensitätsbezogenen Modulation der Behandlungsstrategie führen können oder müssen. Echte adaptive Effekte liegen dann vor wenn entsprechende Adaptatbildungen beobachtbar werden wie sie folgende Tabelle veranschaulicht (Tab. 2 aus:31). Tabelle 3 Balneobioklimatologie als ganzheitlich orientiertes Behandlungssystem ___________________________________________________________________ Faktoren Aspekte Möglichkeiten ___________________________________________________________________ Funktionell-adaptive Adaptiv-bionomer Physiotherapiemittel Serientherapie Aspekt Pharmakotherapiemittel Chronobiologische Chronobiologischer Therapieserie Ordnung Aspekt Tagesgestaltung Kurverlauf Bioklimafaktoren Bioklimat. Thermohygrische aktinische Aspekt u.luftchem. Exposition Gesundheitserziehung Hyagoger Aspekt Passie aktive Form allgem. und spezifische Zielstellung Subsistenztherapie Sekundärpräventiver "Laienphysiotherapie" Aspekt diätetische Regelung Körperhilfen Im Tätigkeitsbereich der Kurorttherapie finden wir und die breiteste An- wendungspalette der PT-Mittel und zugleich deren ausgeprägteste Form ihrer seriellen Anwendung. Dabei kommen folgende Aspekte in Betracht die in der Tabelle 3 zusammengestellt worden sind. Man darf wohl behaupten daß die Balneobioklimatotherapie in Form der Kurortbehandlung das epitheton ornans "ganzheitlich orientierte Therapie" am meisten verdient32 da hierbei außer einer kombinierten Anwendung von PT-Mitteln mit der Kurbehandlung eine Exposition an bioklimatische Reize (aktinischer thermohygrischer und luftchemischer Komplex) und psychosoziale bzw. soziotherapeutische Einflüsse (Kurmilieu Kurgesellschaft Landschaft) verbunden ist. Der Kurpatient ist wirklich ein "umgetopfter Kranker"33 mit einem Totalerlebnis psychophysischer Art der (im Gegensatz zum Urlauber) unter einer gezielten medizinischen Direktive steht: zweifelsohne mit durchaus noch nicht voll befriedigenden internen und externen Möglichkeiten. Jede "Therapie" müßte im weitesten Sinne gefaßt immer der Versuch sein den jeweiligen Krankheitsprozeß möglichst umfassend d. h. sowohl in seiner pathischen als auch in seiner zeitlichen Ganzheit zu berücksichtigen. Das bedeutet gleichermaßen einen Ringverschluß von den eigentlichen kurativen mit sekundärpräventiven und rehabilitativen Aspekten und umfaßt somit wesentlich mehr als den therapeutischen Vorgang im engeren Sinne. Wir haben es deshalb praktisch mit einem längerfristigen um nicht zu sagen chronischen Prozeß zu tun der von der akuten Behandlungsphase zeitlich weit entfernt liegen kann. Jede Therapiestrategie muß einen solchen Zeitraum in die Überlegungen einbeziehen d. h. der strategische Handlungsspielraum muß entsprechend weit gefaßt werden. Bei der Erörterung der "funktionellen Therapie" wurde bereits klargestellt daß mit ihrer Anwendung echte sekundärpräventive Effekte erzielt werden können. Man muß demnach zu der Einsicht kommen daß (um nochmals mit der Hildebrandtschen Terminotogie zu sprechen) die "natürlichen" d. h. die körpereigenen Selbstheilungskräfte des Organismus in Anspruch nehmenden Behandlungsformen um so eher und gezielter eingesetzt werden müssen je länger sich die Therapie - als ein solches Ringschlußproblem aufgefaßt - hinziehen muß. Kurz gesagt: Je länger die Therapienotwendigkeit um so stärker die Bevorzugung der PT-Mittel - natürlich gilt dies immer unter der Beachtung des obersten Grundsatzes der medizinischen Behandlung überhaupt der da lautet es müsse stets diejenige Therapieform gewählt werden die dem Kranken am schnellsten am sichersten und am schonendsten oder vorteilhaftesten Hilfe bringt. Das "tuto cito et jucunde" kann niemals entwertet werden34 es bleibt die suprema lex des Arztes. Hierbei tritt die PT aus ihrer Rolle als lediglich und wahlweise einsetzbare "Ergänzungsmöglichkeit" heraus und wird zur Ergänzungsnotwendigkeit" womit u. E. ein echter Komplementaritätsaspekt erfüllt wird. Je länger die Therapienotwendigkeit um so wichtiger der Einsatz "natürlicher" gegenüber anderen Therapiemitteln. Dies eben war für uns der Anlaß vom "komplementaristischen Aspekt" der Kurorttherapie zu sprechen35. Insofern ist der Schluß zwingend daß eine therapeutische Strategie ohne Berücksichtigung von PT-Mitteln praktisch niemals auskommen kann. 4. Es soll nun noch etwas zu den Einsatzmöglichkeiten der PT im System der medizinischen Betreuung d. h. im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens gesagt werden. Die folgenden Abbildung 3 bis 7 mögen das kurz illustrieren. Sie gehen im wesentlichen auf Überlegungen und praktische Erfahrungen von H. Krauss des Seniors der PT der DDR zurück36. Nicht zuletzt muß noch darauf eingegangen werden daß die
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