Physiologische Grundlagen der Kryotherapie |
Journal/Book: Z. Phys. Med. Baln. Med. Klim. 15 (1986) 305-306. 1986;
Abstract: Physiologisches Institut Christian-Albrechts-Universität Olshausenstr. 40 2300 Kiel Die therapeutische Wirksamkeit von oberflächlich angewandter Kälte ist zwar klinisch-empirisch unumstritten sie kann aber in ihren physiologischen Grundlagen in entscheidenden Punkten noch immer nicht lückenlos erklärt werden. Aufgrund tierexperimenteller und klinischer Untersuchungen sollen hier Erklärungsmöglichkeiten zur physiologischen Grundlage der Kryotherapie aufgezeigt werden. Längerdauernde Anwendung von oberflächlicher Kälte führt zu Wärmeentzug in der Haut und je nach Technik Dauer der Anwendung und Dicke der isolierenden Schicht auch in den tieferliegenden Geweben. Dadurch kommt es abgesehen von möglichen systemischen thermoregulatorischen Reaktionen zu einer im wesentlichen lokalen Konstriktion oberflächlicher Widerstandsgefäße und damit zu einer lokalen Abnahme von Hautdurchblutung in oberflächlichen Gelenken. Die Herabsetzung der Durchblutung führt zu einer Abnahme der Blutungsneigung und des Filtrationsdrucks und damit der Ödemneigung. Die Temperatursenkung führt über einen gedrosselten Zellmetabolismus zur Entzündungshemmung mit verminderter lokaler Freisetzung von biogen wirksamen Substanzen (z. B. Amine Peptide) die sonst u. a. auch zur Sensitivierung von Nozizeptoren und zu Plasmaextravasation mit folgendem Gewebeödem führen. Möglicherweise wird dadurch sekundär die Ausbreitung der Entzündung über den Axonreflex unmyelinisierter Fasern (Lewis) gebremst. Eine zusätzliche Ursache der analgetischen Wirkung von Kälte ist in einer Herabsetzung der Nervenleitgeschwindigkeit zu sehen die vor allem in den langsam leitenden Axonen und hier besonders in der Peripherie wo die Nervenleitgeschwindigkeit schon normalerweise extrem niedrig ist zu einer Herabsetzung der maximal überleitenden Impulsfrequenz führt bis hin zum Leitungsblock bei Gewebetemperaturen um 5°C. Eine noch ungeklärte aber wahrscheinlich sehr wichtige Rolle bei der Vermittlung der Wirkung oberflächlich angewandter Kälte zum tieferliegenden Gewebe scheint das Rükkenmark zu spielen. Als Folge des veränderten afferenten Einstroms von der Haut (z. B. geminderter nozizeptiver Einstrom) könnte es über im wesentlichen segmental organisierte spinale Reflexwege zum einen zur Hemmung von Gamma-Motoneuronen und damit sekundär zur Herabsetzung des Muskeltonus kommen und zum zweiten zu übertragenen autonomen Phänomenen z. B. Vasodilatation oder Vasokonstriktion im tief somatischen oder viszeralen Gewebe. Die Rolle des Rückenmarks muß experimentell weiter geklärt werden. Phänomene wie die Lockerung von verspannter Muskulatur durch nur kurzdauernde oberflächliche Kälteapplikation über dem Muskel ohne wesentliche Temperaturerniedrigung im Muskel selbst oder das Anhalten der Kältewirkung weit über den Applikationszeitraum hinaus sind jedenfalls bei Annahme rein lokaler Wirkungsmechanismen kaum zu verstehen sondern wahrscheinlich reflektorisch bedingt. ___MH
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