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December 2024

Balneobioklimatologie - Eine Zielstellung im Mensch-Umwelt-Konzept

Journal/Book: Sitz.ber.d.sächs.Akad.d.Wiss. Kl.Math.-nat. Bd.114 (1981) H. 6. 1981;

Abstract: OMR Prof. Dr. med. habil. H. Jordan Forschungsinstitut für Balneologie und Kurortwissenschaft Bad Elster Der Begriff "Balneobioklimatologie" mit dem ein definierbares Teilstück aus dem Gesamtbereich der Physiotherapie gekennzeichnet werden soll ist in der Medizin durchaus noch nicht eingebürgert und bedarf daher wohl zunächst einer kurzen Erläuterung. Er setzt sich aus den Worten "Balneologie" und "Bioklimatologie" zusammen die man am besten mit "Bäderheilkunde" und "Lehre von den atmosphärischen Einwirkungen auf die Lebewesen" übersetzen kann. In einem auf die Medizin eingeengtem Aspekt spricht man summierend von "Bäder- und Klimaheilkunde" - und in dieser Absicht hat erstmals der vor 10 Jahren verstorbene Pionier der medizinischen Klimatologie Heinrich Pfleiderer Westerland/Sylt zusammen mit A. Böni Zürich und F. Scheminzky Badgastein im Jahre 1958 eine medizinische Zeitschrift benannt die "Fundamenta balneo-bioklimatologica" [6]. Die beiden Teile der latinisierten Titelformulierung waren dabei auch folgerichtig mit einem Zwischenstrich versehen. Ich verwendete dann 1964 diesen Ausdruck als auch äußerlich ungeteiltes Wort für die Überschrift meines "Grundrisses der Balneologie und Balneobioklimatologie" [17] um damit deutlich zu machen daß hierbei nur derjenige Teil der Bioklimatologie Berücksichtigung finden sollte der im Bereich der Balneologie selbst wirksam wird. "Balneobioklimatologie" ist demnach zugleich als Unterbegriff von "Balneologie" als auch ein solcher von "Bioklimatologie" zu denken. Wir verstehen darunter die Integration der bioklimatologischen Elemente in die Kurorttherapie [19 20] in zwei Varianten: 1. - eine gezielte Nutzung in der besonderen Form der Klimakur und 2. eine unterstützende Nutzung bei jeder Art der Kurortbehandlung oder um es mit zwei Schlagworten auszudrücken wir betreiben eine Therapie mit dem Klima und eine solche im Klima (Hentschel [11]). Der Naturforscher und Geograf A. von Humboldt hatte im Jahre 1845 definiert unter Klima habe man "alle Änderungen der Atmosphäre" zu verstehen die unsere Organe merklich affizieren [14l. Diese Definition ist Ausdruck jener "physischen Weltbeschreibung" die von Humboldt als den "höheren Standpunkt" des Naturforschers auffaßte. Vergleicht man dazu die lexikografische Definition Klima sei "der mittlere Zustand der Atmosphäre über einem bestimmten Gebiet und der für dieses Gebiet charakteristische (durchschnittliche) Ablauf der Witterung" [4] so ist klar daß von Humboldt mit seiner Definition bereits das dialektische System Mensch-Physikalische Umwelt und damit das Problemgebiet der Humanbiometeorologie (oder -klimatologie) angesprochen hat. In diesem Sinne wird auch der Begriff "Biotropie des Menschen" [8] definiert. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern daß Gottfried Wilhelm Leibniz dessen Gedenken die öffentlichen Sitzungen unserer Akademie gewidmet sind angeregt durch Friedrich Hofmann im Jahr 1701 in einer Denkschrift der Akademie der Wissenschaften zu Berlin die Betreuung einer systematischen Klimaforschung vorgeschlagen hat [26]. Historisch gesehen zählt die medizinische Nutzung von Klimafaktoren zu den ältesten Bestandteilen der praktischen Heilkunde. Die Bezeichnung "Klima" selbst läßt sich wohl mit dem griechischen Wort to klima lateinisch clima = Landstrich Gegend in Zusammenhang bringen und auf die Sprachwurzel des Verbums klino = sich neigen zurückführen. Damit war offenbar die Vorstellung der "Neigung eines Gebietes gegen den Äquator hin" verbunden welche ja für eine globale Klimazonendifferenzierung das charakteristische Merkmal darstellt - denken wir an die Grobeinteilung der nivalen humiden und ariden Klimagürtel der atmosphärischen Bedingungen. Das Schwergewicht in der Klimanutzung lag schon immer auf der "Änderung" der atmosphärischen Bedingungen; nur diese sind es eben die unsere "Organe merklich Offizieren". Wir bezeichnen uns umgangssprachlich ja bekanntlich dann als "akklimatisiert" wenn wir nach einer Milieuänderung keine derartige "Affizierung" unseres Organismus mehr feststellen d. h. wenn Umweltreize die uns treffen offenbar keine merkliche Wirkung mehr ausüben. - Das Leben läßt sich ja nur als ein dialektisches System von Reiz und Reizbeantwortung verstehen. Dabei ist allerdings nicht die einfache Beziehung des behaviouristischen Denkkonzeptes anwendbar nach der ein bestimmter Reiz eine bestimmte Reizantwort auslöst; es geht nicht um die Beziehung "stimulus - reponse" sondern - und das ist ein epistemologisch bedeutsamer Unterschied - um die Beziehung "stimulus-reponsibility". Ein definierter Reiz ruft nicht eine voraussagbar definierte Reaktion sondern stets eine solche hervor die von der gegenwärtig herrschenden biologischen Reizbarkeit modifiziert abläuft wobei im gleichen Zuge diese Reizbarkeit ihrerseits verändert wird. Da nun aber Reizbarkeit nicht nur ein strukturelles sondern auch ein zeitlich zu verstehendes Phänomen ist führt Reizwirkung auch immer zur Reizbeantwortung in Form von zeitlichen Prozessen die rhythmisch oder periodisch formiert sind wie sie sich in allen funktionellen Leistungen des Organismus offenbaren. Es läßt sich - ohne dies im Augenblick näher ausführen zu können - daraus leicht ableiten daß wir bei der Betrachtung menschlicher Reaktionsweisen auf zugefügte Reize nie mit eindeutigen Bezugswerten rechnen dürfen. Man kann für diese durch intra- und interindividuelle Variable diktierten organismischen Antwortweisen übereinkunftsgemäße "reaktive Normen" erstellen muß aber grundsätzlich davon ausgehen daß reaktive Antwortprozesse sowohl förderliche als auch hemmende nützliche oder auch schädliche Züge aufweisen. Gilt dies für den gesunden so erst recht - und dann natürlich mit viel bedeutsameren Konsequenzen - für den kranken Organismus. Schon aus der Schule des Asklepios im altgriechischen Epidauros ist über die lateinische Sprachbrücke die Erkenntnis überliefert: "non solum naturaprodest sed etiam nocet" - wir sollten dies auch heute noch beherzigen. Asklepios trug übrigens bezeichnenderweise den Bei- (oder soll man sagen "Spitz"-) Namen "psychroútäs" - der "Kälte-Heiler" etwa - und war ein praktischer Klimatherapeut [29]. Die "Biotropie" des Menschen d. h. seine "direkten oder indirekten Wechselbeziehungen mit der geophysikalischen und geochemischen Umwelt der Atmosphäre" (Definition der World Meteorological Organisation (WMO)) [43] sind Untersuchungsgegenstand der Humanbiometeorologie bzw. -klimatologie. Derartigen Wechselwirkungen ist der menschliche Organismus ständig ausgesetzt; sie zu definieren und gezielt in den Dienst der Gesundheit und der Wiedergesundung zu stellen ist Anliegen der medizinischen Klimatologie und in unserem speziellen Falle der Balneobioklimatologie. Sehr charakteristisch und physiologisch bedeutsam ist daß diese Wechselwirkungen einem ständigen z. T. sogar rhythmisch geordneten Wandel ihrer Intensität und ihrer Dauer unterliegen; denken wir in diesem Zusammenhang nur an den zwar unregelmäßigen über längere Zeiträume beobachtet aber doch rhythmischen Wetterablauf oder selbst die Tagesrhythmik mit ihrem Wechsel der thermischen bzw. thermohygrischen Komponenten. Auch die ständige Fluktuation der Lufttemperatur soll als biotroper Reiz wirksam werden. Diese "Temperaturunruhe" der Luft innerhalb von Sekunden kann einige Zehntelgrade bis mehrere Grade betragen; sie beruht wohl auf einer unterschiedlichen Temperaturstruktur oder auf Abweichungen der vertikalen Temperaturverteilung vom adiabatischen Gradienten im Sinne von Kompressions- oder Dilatationseffekten [41]. Die Entstehung von Rhythmen aus den Bedingungen des von ihm so genannten "Ausgangswertgesetzes" hat Wilder schon 1957 postuliert; mittels einfacher mathematischer Modelle läßt sich darstellen daß Reiz bzw. Reizbeantwortung und rhythmische Funktion ebenfalls in einer Wechselbeziehung stehen: Reizeinwirkung modizifiert die Rhythmik Rhythmik modifiziert die Reizbeantwortung [22]. Wenn Umweltreize in den Rang einer Therapie erhoben werden sollen so müssen die Grundforderungen erfüllt sein die an jede Therapie zu stellen sind: Reizgröße und Reizbeantwortungsvermögen - einfacher: Dosis und Wirkung - müssen praktisch brauchbar definiert werden können wobei auch die chronobiologischen Aspekte der Therapie nicht vergessen werden dürfen - ein insgesamt bisher noch wenig bearbeitetes Feld! Die einsetzbaren Faktoren des Bioklimas möge die folgende Tabelle verdeutlichen. Bioklimatische Heilfaktoren ____________________________________________________ Faktoren Nutzung Beisppiel ______________________________________________________________________ Thermo- Lufttemperatur Aufheizung Freiluft- Hygrischer Luftfeuchte Abkühlung liegekur Komplex Luftbewegung Abhärtung Aktinischer Licht Fotodynamischer-( Sonnenbad Komplex UV Fotochemischer- ( Effekt Infrarot Fotochemischer- ( Luftchemischer Aerosol Inhalationseffekt Brandung Komplex Schadstoff- Desensibilisierung Gradier- Karenz werk Luftelektrischer Ionen bisher keine - Komplex sferics Im sog. thermohygrischen Komplex sind die physikalischen Parameter Lufttemperatur Luftfeuchte und Luftbewegung (=Windgeschwindigkeit) zusammengefaßt. Ihre komplexe Einwirkung auf den Menschen führt zu einer differenzierten Beeinflussung des Wärmestoffwechsels deren biotrope Bedeutsamkeit besonders vom Wasserdampfgehalt der Luft her - also der absoluten spezifischen oder relativen Feuchte - diktiert wird; feuchtkalte und feucht-heiße Luft sind thermische Belastungssituationen. Die Anwendbarkeit dieser Faktoren sei mit den Begriffen "Aufheizung" Abkühlung und "Abhärtung" nur eben angedeutet. Im aktinischen Komplex sind die Einflüsse der atmosphärischen Strahlung - des sichtbaren Lichtes der ultravioletten und der infraroten Strahlung - vereint die hier als fotodynamischer fotochemischer und fotothermischer Effekt gekennzeichnet sind. Dazu wäre kritisch zu bemerken daß in der Medizin die beiden Bezeichnungen "fotodynamisch" und "fotochemisch" gegenwärtig nicht immer genau abgegrenzt und teilweise synonym verwendet werden. Der fotothermische Vorgang ist praktisch ebenfalls als Aufheizungsvorgang zu verstehen. Der luftchemische Komplex ist in doppelter Hinsicht bedeutsam: Die Luft kann verwertbare Aerosolbestandteile enthalten so z. B. das Spritzwasseraerosol der Meeresbrandung an der Küste bzw. auf hoher See oder die Partikel der in einem Gradierwerk zerstäubten Solewässer. Der Ozongehalt spielt - entgegen landläufig noch häufig anzutreffenden Vorstellungen keine Rolle die würzige Waldesluft etwa verdankt ihr Aroma nicht dem Ozon [16] sondern im wesentlichen den feindosierten ätherischen Ölen der Nadelgehölze. Wichtiger ist dagegen daß belastende Aerosole vermieden werden müssen; d. h. daß die Luft des klimatherapeutisch zu nutzenden Raumes möglichst geringe Beimengungen an physikalischen und chemischen Schadstoffen oder Allergenen organischer Herkunft enthält. Schadstoff- und Allergenkarenz ist für die Behandlung chronischer besonders allergischer Haut- und Atemwegserkrankungen eine unabdingbare Forderung. Der luftelektrische Komplex - gegenwärtig hinsichtlich der sogenannten "sferics" stärker beachtet - hat bisher noch keine wissenschaftlich exakt begründeten Ansatzpunkte für eine therapeutische Nutzung finden lassen. Im Wetter- und Klimaablauf sind diese genannten Parameter in bestimmter Weise physikalisch gekoppelt und deshalb praktisch nie isoliert wirksam. So kann der luftchemische Zustand beispielsweise über die Aerosolbildung die aktinische Qualität der Sonnen- und Himmelsstrahlung sehr einschneidend verändern (der sogenannte "Trübungsfaktor" der Atmosphäre der in der Wüste oder im Hochgebirge 1 5 beträgt kann etwa für Großstädte bis zum Wert 4 oder 5 ansteigen). Eine solche Änderung der aktinischen Qualität bedeutet auch stets Änderung der Wärmezufuhr und damit Modifizierung des thermohygrischen Komplexes mit allen physikalisch daraus ableitbaren Folgen. Zum Luftdruck ist in diesem Zusammenhang zu sagen daß auch er - neben seiner grundsätzlichen Abhängigkeit von der Höhe des Meßortes über dem Meeresspiegel - sich gesetzmäßig mit der Lufttemperatur ändert; das bedeutet praktisch daß er bei einem Kuraufenthalt in größeren Höhen - etwa ab 1500 m über NN - als physiologisch relevant erniedrigt einkalkuliert werden muß. Besonders bei schnell vollzogenem Wechsel der Ortshöhenlage führt dieser Umstand zu deutlichen reaktiven oft unangenehmen Prozessen. Dagegen erscheinen die wetterbedingten Luftdruck- oder Sauerstoffpartialdruckänderungen an sich von keiner nennenswerten Qualität für den menschlichen Organismus zu sein. Solche kurzfristigen Schwankungen des Luftdruckes bewegen sich in Größenordnungen von etwa 20 Torr (2 67 kPa) [31]. An wetterdynamischen Abläufen z. B. Frontendurchgängen sind stets auch mehr oder minder deutliche Änderungen der Lufttemperatur der Luftfeuchte aber auch luftelektrische Phänomene beteiligt. Sie sind selbstverständlich nicht ohne Effekt auf den Menschen [13 44] erlangen jedoch keine direkt therapeutisch nutzbare Qualität. So bestehen etwa gewisse Parallelitäten zwischen Luftdruck und der Häufigkeit z. B. von Asthmaanfällen (NEMOTO [30]) vermutlich dadurch daß eine Senkung des barometrischen Druckes zur erhöhten Abgabe von CO2 ohne Minderung des Atemminutenvolumens und Senkung der statischen Compliance führt. Im Gegensatz dazu steigt der Blutdruck ein Risikofaktor für die arterielle Hypertension und den drohenden Herzinfarkt (Pavlik [31]). Für die Praxis ist es aufgrund dieser Zusammenhänge geboten eine Klimacharakteristik eine Wettercharakteristik und eine "Klimacharakteristik der Wettertypen" zu differenzieren (Hentschel [11]) und ferner zu wissen welche dieser Faktoren künstlich vom Menschen veränderbar sind und welche nicht. Zu den wie sie Pfleiderer [35] nannte unentrinnbaren Klimafaktoren zählen normalerweise 1.) der Luftdruck - wie schon erwähnt abhängig von der Höhenlage des Ortes die medizinisch oberhalb etwa 1500 m ü. NN relevant wird wie Untersuchungen aus dem Klimatherapiegebiet der Hohen Tatra zeigen und 2. die Luftelektrizität. In einer modernen Klima-Kammer sind diese beiden Faktoren natürlich nicht nur ausschaltbar sondern beliebig steuerbar was für die theoretische und praktische Klimaforschung von großer Bedeutung ist. Die anderen Klimakomponenten sind durch den Menschen selbst im freien Gelände variierungsfähig und hierin liegt bereits eine der großen Möglichkeiten ihrer Nutzung zu Prophylaxe und Therapie. So ließ sich beispielsweise im Klimakammerversuch zeigen daß die klinische Aktivität eines rheumatischen entzündlichen Prozesses ansteigt wenn die beiden Komponenten erniedrigter Luftdruck und erhöhte Luftfeuchtigkeit gekoppelt einwirken - wie dies im normalen Wetterablauf häufig der Fall ist - nicht aber wenn diese Einflußgrößen einzeln wirksam werden (Hollander und Yeostos[13]). Ohne Abb. 1. Beispiel einer Klimaexposition auf einer Dünenkuppe (A) bzw. in einer Dünenkuhle (B) an der See wobei sich für die Position A wärmebilanzmäßig ein "subarktisches" und für B ein "subtropisches" Mikroklima errechnen läßt. Abbildung 1 soll in einfachster Form die Nutzung lokalklimatischer Faktoren deutlich machen. Die Exposition einer Person z. B. auf einer Dünenkuppe am Meeresstrand oder einen knappen Meter tiefer in der Dünenkuhle ergibt unter Berücksichtigung der Windgeschwindigkeit v der Lufttemperatur TL des Ruhewärmeumsatzes plus mittlerer Strahlungsabsorption der Haut p der Abstrahlungszahl A sowie der diffusen und direkten Himmelsstrahlung S + H einen kalorischen Endbetrag (W der für die Position Dünenkuppe ein "subarktisches" und für die Kuhle ein "subtropisches" Klima anzeigt. Man sieht daß die Wärmezufuhr - im Sommer kann sie das 4- bis 5fache der körpereigenen Wärmeproduktion etwa 300 kcal/h (1257 kJ/h) betragen - wesentlich von der Windgeschwindigkeit abhängt. Ohne Abb. 2. Beispiel der Abhängigkeit der Wärmekomfortempfindung von der Windgeschwindigkeit durch lokalklimatische Bedingtheiten an der Seeküste (nach [45]) Sehen wir hierbei einmal von den bei beiden Positionen gleich starken UV-Expositionen ab so ist leicht zu erkennen daß hier mit ganz einfachen Mitteln eine thermische Schaukeltherapie betrieben werden könnte. Wohl jeder Strandurlauber vollzieht sie nach Gutdünken; sie aber gezielt d. h. nach der Dauer der Reizphase der Reizpause der Reizserienabfolge und angepaßt an die Veränderung der Einflußgrößen differenziert einem kranken Organismus zumutbar zu machen ist das (gegenwärtig keineswegs gelöste) Problem. Als weiteres Beispiel der lokalen Klimanutzung läßt eine nach Angaben von Zenker [45] angefertigte Übersicht gut erkennen wie sich z. B. am Ostseeküstenstrand die Wärmekomfortbedingungen in Abhängigkeit vom Gelände und damit von der örtlich unterschiedlichen Windgeschwindkeit wandeln (Abb. 2). Hierbei sei die Bedeutung des Küstenschutzwaldes als klimamodulierender Faktor besonders hervorgehoben der z. B. nicht den architektonischen Anforderungen des Kur- (oder Erholungs-)ortes geopfert werden darf. Durch die systematische und abgestuft dosierte Abkühlung entsteht eine thermoregulatorische Neuordnung zu der etwa 4-6 Wochen benötigt werden und die zu dem bekannten Abhärtungsphänomen als Folge der Kälteadaptation führt. Der Abhärtungsgrad läßt sich an einem Rückgang der vegetativen Übereregbarkeit der verminderten Transpiration der Haut (perspiratio insensibilis) und - wenn auch in vergleichsweise weit geringerem Maße - am Energiestoffwechsel selbst objektivieren [33 35]. Alle aus der Umwelt auf den Menschen einwirkenden Reise rufen auf der Schleimhaut und Haut örtliche Reaktionen hervor die aber zugleich als Initiatoren fernvermittelter Antwortprozesse fungieren oder aber solche bereits bestehende zu katalysieren vermögen. Hecht und Poppel [9] haben die Wirkungsweise solcher Umweltfaktoren mit den Begriffen "Anlasser" Katalysator und "Indikator" umschrieben um auszudrücken daß sie entweder das In-Gang-Kommen eines bestimmten reaktiven Prozesses veranlassen einen solchen bereits ablaufenden beeinflussen oder auch ihn erst eigentlich als einen solchen erkenntlich machen. Der dazu eingeschlagene Vermittlungsweg ist kompliziert und erst in den letzten Jahren einigermaßen erhellt worden; die Abbildung 3 möge das beleuchten. Physikalische Reizqualitäten können an der Körperhaut histaminähnliche Substanzen auslösen die ihrerseits als Aktivatoren für bestimmte sogenannte "releasing factors" des Hypothalamus - Freisetzern für Hormone (z. B. Schilddrüsen- und Nebennierenhormon) auftreten. Diese Hormone vermögen nun als sogenannte "first messengers" über Rezeptoren an der Zellmembran das Enzym Adenylzyklase aus seiner inaktiven in eine aktive Form zu überführen welche nötig ist um unter Mitwirkung energiereichen Phosphates aus dem Adenosintriphosphat das zyklische Adenosinmonophosphat (cAMP) zu bilden. Dieses letztere eine der sogenannten "second messenger"-Substanzen ruft eine Reihe physiologischer Reaktionen - z. B. Tonusänderungen der glatten Muskulatur Änderungen des Gefäßquerschnittes Modulationen der Zellpermeabilität Förderung oder Hemmung enzymatischer Primärfunktionen - hervor. So entstehen finale gesamtorganismische Antwortleistungen die ihrerseits die Reizbeantwortungsfähigkeit modifizieren und in diesem Sinne eine Wechselwirkung repräsentieren die man als ein kontinuierliches reziprokes Geschehen oder auch als Kreisprozesse ansprechen könnte. Derartige Effekte können über die Beeinflussung gekoppelter integrierter Regelkreise relativ breit gestreut sein und sehr wirksam die Eigenleistungen des Organismus im Kampf gegen das Krankheitsgeschehen fördern. - Treffen derartige Reizeinwirkungen serienmäßig ein - wie dies bei den täglichen Anwendungen im Zuge einer Klimakur der Fall ist - so entwickelt sich ein Adaptationsprozeß der durch eine kritische Periode kollektiver Labilität etwa in der Zeit zwischen dem 12. und 15. Kurtag und durch eine histio- oder trophotrope Umschlagsphase in der 3. Kurwoche gekennzeichnet ist [19 20]. Mit ihm wird eine veränderte reaktive Ausgangslage geschaffen die der Klimatherapeut in Rechnung setzen muß; beispielsweise ist auch die Reaktion des Kranken auf gleichzeitig gegebene Medikamente in dieser Zeit nachweisbar verändert wie wir in früheren Arbeiten darlegen konnten [19]. Man kann sagen daß jede so vollzogene Adaptation für den Menschen einen Zustand mit den niedrigsten energetischen Selbstkosten bedeutet. Ohne Abb. 3. Schema zur Wirkungsweise biophysikalischer Faktoren über die Körperhaut zur Entwicklung fernvermittelter Reaktionen (Erläuterung im Text) Im Gegensatz zur Haut sind die Schleimhäute der Atemwege normalerweise relativ ungeschützt den thermischen Außenbedingungen ausgesetzt. Da die Inspirationsluft praktisch - von tropischen Bedingungen abgesehen - stets kühler ist als die Temperatur der Organe im Thoraxinneren und dazu weniger feucht als diese kommt es zu einer erheblichen Erwärmung und damit maximaler Wasserdampfsättigung derselben. Die Ausatemluft bedingt dann folge richtig entsprechende Wärmeverluste die besonders im Winter (z. B. durch forcierte Atmung beim Wintersport) durchaus Krankheitswert erreichen können. Atmet man dagegen sehr trockene und heiße Luft ein (wie etwa in der Sauna) so kommt es umgekehrt zu Kondensationseffekten bei der Ausatmung mit therapeutisch nutzbarer Befeuchtung und entsprechender Hyperämie der Schleimhäute. Der aktinische Angriff auf die Körperhaut nimmt deshalb eine besondere Stellung ein weil der bereits erwähnte fotodynamische oder besser fotochemische Prozeß vereinfacht gesagt ein Zerstörungsprozeß ist der der UV-Strahlung zukommt. Unser Erdendasein verdanken wir ja nur dem Umstand daß die Ozonschicht der Atmosphäre in Höhen etwa zwischen 15 und 30 km das maximal bioagressive Ultraviolett der Wellenlängen bis etwa 300 nm absorbiert. Aber auch die den Erdboden erreichende UV-Qualität schädigt nach den physikalischen Strahlungsgesetzen des Treffereffektes das Körpereiweiß. Deshalb ist wie schon Rajewsky 1936 richtig erkannt hat die UV-Wirkung nur unter Berücksichtigung der integrierten organismischen Gesamtreaktion interpretierbar. Die Bildung von Vitamin-D3 in der Haut ist praktisch ein reiner Treffereffekt; die Pigmentierung der Sonnenbräune z. B. ein gegenregulatorischer Schutzmechanismus der Körperdecke. Die Vernichtung von Stachelzellen der Haut im Lichtbad [8] und die vielfache Provokation von Reparaturenzymen gegen die strahlungsbedingte Schädigung - all diese Vorgänge lösen wiederum nicht nur lokale sondern vor allem auch Fernreaktionen aus wie sie oben angedeutet wurden. Eine wichtige solche Fernreaktion ist beispielsweise die Stimulierung der erythrozytären Glykolyse über die eben erwähnte Vitamin-D3-Bildung derzufolge eine verbesserte Sauerstoffbevorratung der Gewebe zustande kommt - eine erst jüngst genauer bekanntgewordene überraschende Zusatzleistung des UV-Lichtes (Jahrmärker [15]). Ähnlich wichtig ist der Befund sowjetischer Forscher die eine Hemmung der experimentellen Arteriosklerose bzw. einer renalen Hypertonie unter dem Einfluß des Sonnenlichtes feststellen konnten [2]. Es darf in diesem Zusammenhang nicht außer acht bleiben daß bei der Nutzung des Bioklimas ständig alle drei Komponenten der Sonnenstrahlung zur Wirkung gelangen: Ultraviolett A + B sichtbares Licht und Infrarot - und ebensowenig daß nicht nur die direkte Sonneneinstrahlung sondern auch die Himmels- und die terrestrische reflektierte Strahlung zu kalkulieren ist. Ferner sei erwähnt daß über unser Auge zusätzlich noch der Faktor "Licht" als psychotroper Reiz wirksam wird. Der atmosphärische Zustand den der Meteorologe als "Aufheiterung" bezeichnet hat dieses Prädikat sicherlich nicht zufällig bekommen: auch der Mensch "heitert" eben auf wenn die Lichtfülle zunimmt die dann im Freien 10 000 lx erreichen kann und so trägt dieses "Licht" zu einem für die Gesamtreaktionslage des menschlichen Organismus bedeutsamen "Gestimmt-Sein" bei welches übrigens sicherlich nicht ohne Rückwirkung auf die Tagesrhythmik der Körpertemperatur bleibt (Wagner und Jordan [42]). Ohne Abb. 4. Muster des von Pfleiderer entworfenen "Isochronendiagramms" welches die Erythemlatenzzeiten bei Exposition des menschlichen Körpers an das Sonnenlicht (Minutenkreise) differenziert nach Monats- (Ordinate) und Tageszeiten (Abszisse) anzeigt Zur Dosierung der genannten Klimafaktoren stehen uns praktisch hinreichend Hilfsmittel zur Verfügung. Mit dem sogenannten "Frigorigraph" nach Pfleiderer-Büttner [36] sind brauchbare dem menschlichen Ruhe-Wärmeumsatz entsprechende Vergleichswerte zu gewinnen die zur integralen Hauttemperatur und damit dem thermischen Empfinden des Menschen in definierten Beziehungen stehen. Diesbezügliche Untersuchungen von Hentschel Berlin-Buch [12] zeigen eine sehr gute Übereinstimmung mit Befunden die z. B. Bokscha in Jalta/Krim erhalten hat. Damit lassen sich die an einem für Liegekuren vorgesehenen Platz zu erwartenden thermischen Bedingungen bequem ermitteln. Ähnlich kann aus Diagrammen zur Bestimmung der sogenannten Effektivtemperaturen unter Benutzung lediglich der Temperatur des trockenen und feuchten Thermometers in Abhängigkeit von der Windgeschwindigkeit der "Behaglichkeits-" oder "Komfort-Bereich" leicht bestimmt werden der durch Temperaturwerte zwischen 18-21°C gekennzeichnet ist. So können Dosierungshilfen für eine Abkühlungstherapie etwa in Form der Schemata nach Hentschel [10] geschaffen werden die sich für jede gewünschte Orts und Zeitbedingung variieren lassen. Die UV-Verträglichkeit kann an der Zeit von Beginn der Strahlungsexposition bis zum Auftreten der bekannten Hautrötung d. h. der Berechnung der Erythemlatenz oder Erythemschwelle bestimmt werden. Auch diese Art der Darstellung (das sogenannte "Isochronendiagramm") geht auf Pfleiderer [34] zurück (s. Abb. 4). Dabei muß berücksichtigt werden daß der Mensch - in alten Körperlagen - der direkten Sonneneinstrahlung etwa 1/4 der diffusen Himmelsstrahlung dagegen etwa die Hälfte seiner Körperoberfläche exponiert und daß diese Streustrahlung etwa das Doppelte an erythemwirksamer UV-Quantität enthält als das direkte Sonnenlicht [40]. Sonnenschatten ist also nicht gleich Lichtschatten - die konsequente Beachtung dieses Leitsatzes schützt vor Fehlschlägen der UV- bzw. Heliotherapie ! Ist einerseits die Änderung des bioklimatischen Milieus die - wie wir sahen - entscheidende Forderung für die Klimabehandlung so muß andererseits die Adaptationsphase an das veränderte Klima genügend lange andauern um einen echten Kurerfolg d. h. die erforderliche Adaptatbildung zu erzielen. Das bedeutet daß über die Habituation also die einfache Gewöhnung hinaus eine funktionelle oder aber eine trophisch-plastische Adaptation erreicht werden muß. Die nachfolgende Übersicht stellt einige derartige Beispiele von Adaptationsweisen zusammen wobei deren Spezifität entsprechend dem Zeitbedarf der Adaptatbildung zunimmt: -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- ADAPTATBILDUNG ZEITDAUER DER (Beispiele) ADAPTATBILDUNG -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- HABITUATION Graduelle Reaktionsminderung Minuten bis Verminderung von Mitreaktionen Stunden Vegegative Umschaltung -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- FUNKTIONELLE Histiotrope Umstellung Stunden bis ADAPTATION Regulative Ökonomisierung einige Tage Rhythmische Ordnung Verstärkung der Kompen- sationsleistungen Konditionierung -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- TROPHISCH- Kompensatorische Hypertrophie Tage bis PLASTISCHE und -plasie einige Wochen ADAPTATION Hautpigmentation bei UV-Einwirkung Immunleistungen -------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Klimaphysiologische Beobachtungen während längerer Schiffsreisen z. B. in die Antarktis [39] sind geeignet hierfür weitere Belege zu erbringen. Im begrenzteren Aspekt der Kurbehandlung betrachtet gilt ziemlich allgemein der Zeitraum von mindestens 6 Wochen als Voraussetzung für eine erfolgreiche Klimakur. Eine längerfristige klimatische Umstellung in therapeutischer Absicht erscheint besonders bei allergischen Erkrankungen der Haut und Schleimhäute erwünscht. Ich möchte dies an zwei Beispielen dem endogenen Ekzem und dem Asthma bronchiale etwas näher beleuchten. Das endogene Ekzem dieses chronische den Betroffenen physisch und psychisch gleichermaßen belastende und belästigende Hautleiden ist der Klimatherapie sehr gut zugänglich. Schon in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts begann der Dermatologe Linser mit der Klimabehandlung dieser Dermatose und verfolgte besonders als Ordinarius der Humboldt-Universität zu Berlin das Ziel einen langfristigen Hochseeaufenthalt im Sinne einer Klimakur für allergische Erkrankungen der Haut und auch der häufig damit vergesellschafteten Allergien der Atemwege speziell das endogene Ekzem und das Bronchialasthma zu ermöglichen. Dies gelang 1965 mit der ersten "Hochseeklimakur" [27] der Welt auf dem MS "Völkerfreundschaft" für 289 Ekzemkranke und 151 Asthmapatienten die vom 13. 11. bis 22. 12. von Rostock aus ins Gebiet der Kanarischen Inseln durchgeführt wurde. Die Abbildung 5 zeigt die Reiseroute. Hier im Einflußbereich der Südwestflanke des subtropischen Hochdruckgebietes waren in dieser Zeit die bioklimatischen Bedingungen zu finden die für eine erfolgreiche Klimatherapie erforderlich schienen: - allergen- und schadstofffreie Luft - optimale Strahlungsbedingungen - Trockeneffekt für die Ekzem-Haut und nutzbares Temperatur-Feuchte Milieu für Asthma bronchiale - Windreichtum (= juckreizmindernder Faktor) - Ermöglichung eines langen Freiluftaufenthaltes infolge konstanter Lufttemperaturen zwischen 20 und 24°C. Das "schwimmende Sanatorium" [18] konnte jederzeit ungünstigen Wetterbedingungen ausweichen und vorteilhafte Zonen aufsuchen. Damit war eine langfristige Exposition an wirksame Bioklimafaktoren in einer Jahreszeit möglich in welcher im mitteleuropäischen Heimatland gerade die schlechtesten meteorotropen Bedingungen herrschen. Die überaus günstigen Ergebnisse dieser Therapieform sind mehrfach publiziert worden [8 27]. Insgesamt war bei den Ekzemkranken die hohe Erfolgsquote von 81% Erscheinungsfreiheit bzw. wesentlicher Besserung zu verzeichnen; ein Ergebnis das umso schwerer wiegt als es bei Kranken erzielt wurde die bereits mehrfach Kuren im In- und Ausland ohne entscheidenden Erfolg absolviert hatten [8 S. 125]. Die niedrigen Rezidivquoten und der Einspareffekt an Prednison sprechen in gleicher Richtung. Bei 64% aller Kranken konnte auf dieses Medikament völlig verzichtet werden - ein Umstand dem angesichts der bekannten unvermeidbaren schädlichen Nebenwirkungen der Kortikoide eine besondere Bedeutung zukommt. Ohne Abb. 5. Reiseroute des MS "Völkerfreundschaft" zur "Hochseeklimakur 1965" mit Breiten- und Längengraden sowie den Reisedaten vom 13.11.-22. 12.1965 Auch beim Asthma bronchiale gab es ähnlich gute Ergebnisse. Hier waren 66% aller Kranken völlig beschwerdefrei und weitere 26% wesentlich gebessert. Nur 14% der Kranken benötigten noch den Tascheninhalator; auch hier konnte der Arzneimittel- und speziell der Kortkoid-Verbrauch drastisch reduziert werden. Es ist bekannt daß es unter den Bedingungen der Thalassotherapie sowohl zu einer Verbesserung des Sauerstoffausnutzungsquotienten als auch der Atemreserve kommt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Fahrt haben die medizinische und ökonomische Wirksamkeit einer solchen Behandlung unter Beweis gestellt zumal sie bei Kranken zur Anwendung kam die bisher ohne entscheidende Besserung behandelt worden waren. Wir dürfen diese Hochseeklimakur mit Recht als einen beachtlichen Erfolg unseres sozialistischen Gesundheitswesens buchen. Lassen sich nun auch keineswegs überall derart konzentriert ideale bioklimatische Bedingungen schaffen so können wichtige Komponenten aus diesem Wirkkomplex auch in Inlandkurorten für eine Klimabehandlung nutzbar gemacht werden. In jahrelanger Kooperation mit dem Forschungsinstitut für Bioklimatologie Berlin-Buch haben wir deshalb die Grundlagen für eine regionale Klimatherapie in unseren Kurorten und Sanatorien durch systematische Erfassung der Klima- und Wettercharakteristik Festlegung der Meßanordnung und Berechnung der Dosierungsrichtlinien geschaffen [11 12]. Dabei spielen die Nutzung der Sonnen- und Himmelsstrahlung des Windes sowie der Allergen- und Schadstoffarmut der Luft und die Vermeidung thermisch belastender Situationen für den Kranken die Hauptrolle. Schließlich besteht ein entscheidendes Anliegen darin die für eine Kurortbehandlung optimale Jahreszeit herauszufinden. Zu diesem letzten Punkt wäre zu bemerken daß Klimabehandlung und Jahreszeit in dreierlei Hinsicht bedeutsam verknüpft sind: 1. Die Morbidität vieler Krankheiten besitzt eine eindeutige saisonale Zuordnung die Häufigkeit und/oder den Schweregrad betreffend (im engeren Sinne können ausgesprochene "Saisonkrankheiten" abgegrenzt werden [37]). 2. In den einzelnen Jahreszeiten werden die bioklimatischen Wirkfaktoren in unterschiedlicher Qualität dargeboten. 3. Die Reaktivität des Organismus wird sowohl vom Ablauf der Jahreszeiten an sich als auch von einer übergeordneten Jahresrhythmik mit kurzperiodischen Oberwellen [23] mitgesteuert wobei dem Frühjahr eine besondere stimulative Note zukommt (Vernalisationseffekt nach Bünning [5]. Die saisonalen bzw. jahresrhythmischen Abläufe fungieren gewissermaßen als Trägerfrequenz der die verschiedenartigen Reaktionen des menschlichen Organismus auf die Kurortbehandlung selbst modulierend überlagert sind [23 24]. Bei den Untersuchungen des Arbeitskreises um Klinker hat sich - durch langfristige Sammlung täglicher Meßwerte erhärtet - eine auffällige und relativ konstante 35-Tage-Rhythmik herausarbeiten lassen deren Genese Klinker 3 Deutungsmöglichkeiten unterlegt [23]: 1. Es handelt sich um eine endogen fixierte Rhythmik die durch Umweltreize interindividuell synchronisiert werden kann. 2. Die jahreszeitlichen Variationen der Umweltreize führen zu adaptiven Änderungen im menschlichen Organismus deren jeweiliger Beginn und Abschluß durch eine solche Periodik widergespiegelt werden. 3. Die Rhythmik stellt eine reaktive Antwort des Organismus auf plötzliche starke Umweltreize dar. Nachdem eine solche reaktive Schwingung eingeleitet worden ist kann in der nachfolgenden labilen Phase des Systems besonders leicht ein neuer Anstoß erfolgen so daß die reaktive Schwingung über längere Zeit bestehen kann ohne merklich abzuklingen. Es hat sich übrigens gezeigt daß auch die Adaptationsprozesse an extremere bioklimatische Bedingungen so z. B. in der Antarktis in Phasen von 4-7 Wochen Dauer verlaufen (Sprangenberg und Klinker [39]). Ohne Abb. 6. Darstellung der Kureffekte (oben) der Kurerfolge nach 12 Monaten (Mitte) sowie des Morbiditätsverlaufes (ausgezogene Linie unten) in Prozenten (Ordinate) in Abhängigkeit von den Jahreszeiten (Abszisse: Monate) (aus: [38]) Eindeutige Abhängigkeiten bestimmter Hauterkrankungen von jahreszeitlich unterschiedlich determinierenden Klimafaktoren konnten auch aus den maßgeblichen Kureinrichtungen der DDR z. B. das endogene Ekzem das Ekzema vulgare und die Psoriasis berichtet werden. Als Beispiel seien die Kurergebnisse an der Ostseeküste (Heiligendamm) angeführt [38] (Abb. 6). Dabei fällt das Maximum der "sehr guten" und "Guten" Kureffekte (= Zustand am Ende der Kurbehandlung) auf die Monate die dem epidemiologischen Morbiditätsmaximum (oberster Teil d. Abb.) folgen während die "Kurerfolge" Zustand 6 bzw. 12 Monate nach der Kurbehandlung mittlerer Teil d. Abb.) mit dem Morbiditätsgipfel (s. unterster Teil d. Abb.) zusammenfallen. Die größte Effektivität unserer Therapie liegt also im Frühjahr bis zum Frühsommer jener Übergangszeit wobei Phasenübereinstimmung mit dem Jahresgang der Globalstrahlung besteht. Hier spielt der schon kurz erwähnte Vernalisationseffekt [5] mit hinein. Wir liegen mit unserer Klimatherapie also zeitgerecht zur Saisonpathologie des endogenen Ekzems. Abbildung 7 demonstriert dazu die harmonische Analyse des einfachen und doppelten Jahresganges zum Vergleich mit den real beobachteten Kureffekten [38]. Die Abbildung 8 mag zeigen daß die sehr guten und guten Kureffekte für das Asthma bronchiale (unterer Teil der Abb.) jahreszeitlich anders verteilt sind als die des Ekzems ( Teil d. Abb.). Ohne Abb. 7. Harmonisch analysierte einfache und doppelte Jahresschwingung des Kureffektes bei endogenem Ekzem (oben); Vergleich des durch harmonische Analyse gewonnenen Jahresganges des Kureffektes (punktierte Linie) mit den Realwerten (ausgezogene Linie) unten (aus: [38]) Ohne Abb. 8. Prozentwerte der sehr guten und guten Kureffekte in Abhängigkeit von der Jahreszeit (Abszisse: Monate) bei Endogenem Ekzem (obere Kurve) und Asthma bronchiale (unten). Aus: L Klinker und H. Jordan: J. Interdiscipl. Cycle Res. 4 (1973) 261 -265 Abb. 1 S. 262 Auf die Beeinflussung des Immunsystems im Sinne einer Stimulation Suppression oder (allgemeiner und wohl auch zutreffender) einer Regulation durch Klimaelemente kann aus guten Gründen geschlossen werden wenn auch das diesbezügliche wissenschaftliche Fundament noch beträchtliche Lücken aufweist. Sicherlich ist bei jeglicher Stimulation des Organismus eine adäquate Mitreaktion des Immunsystems anzunehmen - das Problem liegt aber dabei darin festzustellen ob diesen Mitreaktionen eine entscheidende Qualität in der Beeinflussung des vorliegenden Krankheitsverlaufes zukommt und ob deren Intensitäten überhaupt in einem meßbaren Bereich liegen. Sicherlich beruhen aber die gerade bei Kindern oft zu beobachtenden günstigen Entwicklungen des Allgemeinbefindens der Resistenz oder der Bewältigung chronischer Infekte durch eine Klimatherapie auf solchen immunregulatorischen Prozessen. Unsere eigenen bisherigen Befunde [3] lassen den Schluß zu daß es dabei zu nachweisbaren Veränderungen der Immunglobuline IgA IgM und IgG kommt die im Verein mit einem Rückgang pathologischer Reaktionen z. B. des Immunglobulins IgE als Desensibilisierungsvorgang bei allergisch bedingten Erkrankungen der Haut und der Atemwegsschleimhaut bewertet werden können (3 25 32]. Hier eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten schon lange empirisch gefundene klimatherapeutische Erfolge wissenschaftlich zu untermauern - wir sind damit auf der Ebene der Molekularbiologie angekommen der wohl letzten Schicht an der sich die "Affizierung" unserer Organe durch die Klimafaktoren wie A. von Humboldt es nannte bemerkbar macht. Ich darf in diesem Zusammenhang P. A. Miescher zitieren der in seinem Hauptreferat über Immunstimulation auf dem Internistenkongreß 1978 in Wiesbaden die bemerkenswerte Feststellung traf daß zu den Methoden die über eine Immunstimulation die Abwehrkräfte des Organismus zu steigern vermögen seit dem Altertum die bewährten Klimakuren, Badekuren und die im letzten Jahrhundert eingeführten Kneipp-Kuren gehören . . . ohne daß der genaue Wirkungsmechanismus bekannt wäre [28]. Abschließend möchte ich betonen daß der Rahmen unserer Veranstaltung selbstverständlich nur eine Skizzierung des Problembereiches erlaubt der mit der gegebenen Thematik vor uns liegt und schon gar nicht eine auch nur annähernde Darstellung der wissenschaftlichen Belege aus dem In- und Ausland. Hier war nur Grundsätzliches zu erörtern und es blieben infolgedessen weite Einsatzgebiete der Klimanutzung unerwähnt - etwa der Bereich Herz-Kreislauferkrankungen entzündlich-rheumatische Erkrankungen [21] der große gegenwärtig epidemiologisch gewichtige Formenkreis der neurotisch-vegetativen Störungen nicht unwesentliche Teile aus den Fachgebieten der Hals-Nasen-Ohren- oder Augenheilkunde von der Tuberkulose ganz zu schweigen die zu Beginn unseres Jahrhunderts der Klimatherapie insbesondere der Heliotherapie einen bedeutsamen Aufschwung verliehen hatte. Eine solche Beschränkung war aber auch deshalb geboten weil uns noch vielfach wirklich gesicherte klinische Ergebnisse fehlen. Vor 40 Jahren hat der bekannte Klimatherapeut Walter Amelung [1] die Zielstellung der medizinischen Klimanutzung so formuliert: "Das natürliche Klima aber als heilendes Gut ist endlich die Wiederherstellung der Harmonie zwischen Mensch und naturnaher Umgebung". Und die folgenden drei Aspekte waren es die mich - angesichts der Bedrohung dieser Harmonie in unserer Gegenwart - bestimmt haben gerade diese Thematik für einen öffentlichen Vortrag auszuwählen: 1. Die ständig wachsenden Ansprüche der Gesellschaft an ein umfassend wirksames Gesundheitswesen verlangen sowohl für die Therapie als auch für die Prophylaxe eine ständige Suche nach breit einsetzbaren kostensparenden nebenwirkungsarmen und möglichst alle hygiogenetisch nutzbaren Potenzen des Gesamtorganismus stimulierenden Behandlungsmöglichkeiten. Die Balneobioklimatologie kann hierzu durchaus Nennenswertes anbieten. Es ist dies der medizinische Aspekt. 2. Die klinisch-wissenschaftliche Forschungsarbeit auf dem Gebiet der therapeutischen Bioklimatologie muß in breitem Maße interdisziplinär fundiert und insgesamt verstärkt werden: ein wissenschaftsorganisatorischer Aspekt. 3. Die medizinische Nutzung des Bioklimas setzt einen gezielten und verantwortungsbewußten Schutz unserer Umwelt voraus. Das vordergründige Anliegen des Umweltschutzes muß es sein diejenigen Umweltfaktoren in voller Güte zu erhalten die medizinisch nutzbar gemacht werden können und es gilt nicht nur den Schaden abzuwenden sondern auch den Nutzen zu vermehren! Dies wäre der dritte der gesellschaftspolitische Aspekt. Ihn darf ich abschließend in Goethes Worte aus den Heften zur Morphologie fassen [7]: Die Wissenschaft hilft uns vor allem . . . daß sie dem immer gesteigerten Leben neue Fertigkeiten erwecke zur Abwendung des Schädlichen und Einleitung des Nutzbaren . 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